Geschichten statt Andacht- Geschichtenandacht

Radtour um den See Genezareth 1
„Wo bleibst du denn so lange, wir warten schon eine halbe Ewigkeit hier am Flughafen“, sagte Ralf und sein Zwillingsbruder Konrad fügte hinzu: „So eine Hitze im November, bei uns war es saukalt, und hier bekommt man einen Schlag ins Gesicht, wenn man aus dem Flugzeug aussteigt“
„Freut mich auch Euch zu sehen, außerdem noch nachträglich alles Gute zum 18. Geburtstag.“ Heiko, der große Bruder der beiden, der gerade in Israel seinen Zivildienst ableistete, holte die Zwillinge mit dem Auto ab. „Mensch, natürlich, danke für die Einladung. Das war das schönste Geburtstagsgeschenk das du uns machen konntest.“ Die Brüder lagen sich in den Armen. Als sie ihr Gepäck verstaut hatten, ging es los.
„Hier Wasser, los, trinken!“, befahl Heiko.
„Was ist denn los? Warum der Befehlston?“
„Hier in Israel muss man viel trinken. Am Besten immer wieder einen Schluck. Sonst dehydriert man und beginnt wirres Zeug zu erzählen.“
„Geht das wieder weg?“
„Man muss dann viel trinken, möglichst immer kleine Schlucke machen.“
„Los trink, es gibt noch Hoffnung“, Konrad hielt Ralf die Flasche unter die Nase.
Heiko schüttelte den Kopf. Die Beiden hatten sich nicht verändert.
„Wo geht es eigentlich hin? Sehen wir uns das Heim an, in dem du arbeitest?“, die Zwillinge waren neugierig. „Zuerst fahren wir an den See Genezareth und machen eine Radtour. Dort habe ich uns, für zwei Tage, Plätze in der schönsten Jugendherberge Israels, in Kare Deshe, gebucht. Vorher lade ich euch beim Fahrradverleih ab. Ihr braucht dann nur zwei bis drei Kilometer zu fahren und bringt mein Rad mit. Der Weg ist gut. Ich erwarte euch am Weg zur Herberge. Im Haus können wir die Räder unterstellen.“
„Ist der See so groß, dass wir zwei Tage brauchen, um drum herum zu fahren?“
„Nein, aber ich habe Angst, dass ihr mitteleuropäischen Schlaffies mir vom Rad fallt. Der See hat nur 53 km Umfang und liegt 212 Meter unter dem Meeresspiegel.“
„Quatsch“, sagte Konrad, „dann würden wir ja ertrinken.“
„Wieso ertrinken es ist der tiefstgelegene Süßwassersee der Erde“
„Unter dem Meeresspiegel?“
„Na klar“.
„Wie kommt denn bitteschön Süßwasser unter den Meeresspiegel?“
Ralf schaltete sich ein: „Heiko, ich hätte mal eine Frage: ist der See überall 212 Meter unter dem Meeresspiegel oder nur an seiner tiefsten Stelle?“
„Ich weiß nicht genau wie tief der See ist, er ist am Ufer 212 Meter unterm Meer. Im Sommer liegt er noch tiefer weil er das Trinkwasserreservoir von Israel ist.“
„Na, ich meinte, wie tief er an der tiefsten Stelle am Ufer ist“
„ An der tiefsten Stelle des Ufers läuft er aus. Das nennt man den Jordan.
Blödmänner, alle beide“, sagte Heiko und lachte.
In der Jugendherberge angekommen staunten die Zwillinge. „Mann ist das toll hier, wie im Märchen“, sagte Konrad. „na ja, nicht so ganz, aber ganz nett“, erwiderte Ralf. „Als ich das erste Mal hier war, war ich auch begeistert. Das Haus, das eigentlich ein Quadrat um den Innenhof ist, habe ich später sogar bei Google Earth gefunden. Wir wohnen im zweiten Stock. Zuerst auspacken, dann könnt ihr noch mal in den See.“
„He, he, keine Befehle, wir sind jetzt 18.“
„Stimmt, aber ich bin immer noch euer großer Bruder.“
Beim Auspacken erzählte Heiko, dass Jesus hier am See Genezareth die meiste Zeit als Wanderprediger verbracht hatte. Hier hatte er gepredigt, war mit seinen Jüngern unterwegs, Menschenmassen kamen zu ihm und hier hatte er geheilt.
„Da ist das hier wohl eine besonders fromme Gegend?“, fragte Ralf.
„Die Menschen sind nicht frommer als anderswo. Und Gott springt dich nicht an jeder Ecke an“, meinte Heiko.
„Ich dachte nur weil Jesus hier gelebt hat.“
„Jesus sagte mal: suchet, so werdet ihr finden, bittet so wird euch gegeben werden und klopfet an so wird euch aufgetan.“
„Suchet, so werdet ihr finden, sagt Mutti immer, wenn sie Konrads Schreibtisch sieht.“, griente Ralf
„Jesus meint hier, dass Gott sich nicht aufdrängt. Er will dass wir nach ihm fragen, dass wir Hilfe bei anderen suchen, die Erfahrungen mit ihm gemacht haben, und nicht aufgeben, bis wir selber Erfahrungen mit ihm gemacht haben.“, erklärte Heiko.
„Wer zuerst im See ist“, rief Konrad. Die Zwillinge schnappten ihre Handtücher und quetschten sich gemeinsam durch die Tür.
„Passt auf, dass euch kein Petrusfisch beißt“, rief Heiko hinterher und lachte laut.

Radtour um den See Genezareth 2
Als die Zwillinge aus dem See Genezareth kamen, rief Konrad laut. „Hunger!!!“ Ralf meinte: „Ich könnte auch was zu essen vertragen, wann ist es denn so weit?“ Heiko, der im Zimmer geblieben war, antwortete: „ Macht euch zurecht und zieht euch ordentlich an, dann dauert es nicht mehr lange.“
„Wieso ordentlich anziehen? Ich wollte im Schlafanzug in den Speisesaal?“, sagte Ralf.
„ Du Spinner. Wenn man gemeinsam isst, gehört es dazu, dass man sich für die anderen ordentlich zurecht macht.“
„Hört, hört, wo kommt denn diese Weisheit her? Als du noch zu Hause warst hat Mutti immer gepredigt, dass du dich ordentlich benehmen sollst, gekämmt zu Tisch kommen und so weiter. Jetzt bist du derjenige der uns sagt wie wir uns anziehen sollen?“, Ralf runzelte die Stirn. „Kannst du dir vorstellen dass Vati ihn noch vor einem dreiviertel Jahr `Mister Fingerfood´ genannt hat?“ Konrad stieß seinen Bruder an.
„Tja, so schnell kann’s gehen, vielleicht sind die hier in Israel besonders vornehm und das hat abgefärbt“, Konrad sah Heiko mit zusammengekniffenen Augen an.
„Hier in Israel gibt es wenige Vornehme, die meisten sind Einwanderer. Wenn man sieht wie die ihre Tische im Restaurant verlassen, denkt man, es war ein Bombenangriff.“, antwortete Heiko.
„Bombenangriff, hier in Israel, na dann sind wir doch richtig.“ Ralf und Konrad klatschten sich gegenseitig in die Hände. Zu Heiko gewandt fragte Ralf:
„Mal ehrlich, wie kommt es dass du so drauf bist?“
„Wisst ihr, in dem Heim in dem ich arbeite werden Überlebende der KZ betreut. Sie können bei uns Urlaub machen. Vor einem halben Jahr kam ein sehr alter Mann zu uns. Er konnte zwar noch laufen, doch für weitere Strecken brauchte er einen Rollstuhl. Zu Hause war er allein. Bei uns konnte er in Gesellschaft essen. Man spürte, wie wertvoll es ihm war, dass er nicht allein essen musste, sondern jemanden am Tisch hat. Vor jeder Mahlzeit hat er sich zurecht gemacht und vorm Abendbrot jedes mal eine Krawatte umgetan, um seinen Tischnachbarn damit zu zeigen, wie wichtig sie ihm sind.“
„Und das hat dich überzeugt?“
„Ja“
„Heiko, du hast geschrieben, dass die hier irgendwie anders essen als bei uns?“
„Ja, die Juden haben Speisegebote, die uns unbekannt sind. Schweinefleisch ist generell verboten.“
„Was, kein Schweinefleisch? Wie hältst du das aus ohne deine geliebte Schinkensemmel?“, fragte Ralf. „Na und ohne Wurstbrot warst du doch bisher auch nur ein halber Mensch“, ergänzte Konrad.
„Ach es war gar nicht so schlimm, es gibt so viele leckere Sachen hier. Nehmt euch aber nachher immer erst eine Kostprobe. Manchmal gibt es eine Überraschung, und ein Gericht schmeckt völlig anders als erwartet.“
„Wie anders?“, fragte Konrad.
„Orientalisch“, antwortete Heiko, „außerdem teilt man hierzulande die Speisen in solche, die mit Fleisch und solche die mit Milch zubereitet werden ein. Nach einer milchigen Speise darf man zwei Stunden nichts Fleischiges essen und nach einer fleischigen Speise sechs Stunden nichts Milchiges.“
„Nicht mal ein Milcheis?“
„Nicht mal das.“
„Gilt das auch für uns? Warum machen die denn das?“, wollte Konrad wissen.
„Das sind jahrtausende alte Gebote. Das gehört dazu, wenn man Jude ist. Ich glaube, die Regeln sind bei der Zusammenstellung des Buffets schon berücksichtigt. Außerdem wissen die Einheimischen, die sich daran halten, schon was sie essen dürfen “
Jesus, der selber als Jude diese Gebote einhielt, sagte: Nicht, was der Mensch isst, macht ihn unrein, sondern was er sagt, kann ihn unrein machen.“
„Was meint er denn damit?“
„Was du sagst, kommt aus deinem Inneren. Es offenbart deine innersten Gedanken. Wenn deine Worte Neid Hass, Boshaftigkeit, Lästerung, Hochmut und Lüge verkünden, ist das schlimmer als etwas zu essen, was die anderen als falsch ansehen.“
Ralf hob den Finger: „Ich glaube, die Bibelstelle kenne ich. Was du sagst, stimmt nicht ganz. Es ging dabei darum, ob man unbedingt die Hände vorm Essen waschen muss. Und da sagte Jesus, dass es wichtiger sei, ein reines Herz zu haben als reine Hände “
„Mann, ich habe Hunger. Müsst ihr denn jetzt die Bibel auslegen? Wann gibt es was zu essen!!!“
„Wenn du dir die Haare gekämmt und die Hände gewaschen hast“, sagte Heiko.

Radtour um den See Genezareth   3
„Mütze, Trinkflasche, Luftpumpe, Flickzeug?“, fragte Heiko
„Alles da, warum bist du nur immer hinter der Trinkflasche her. Wir sind doch keine Flaschenkinder“, fragte Ralf.
„Wenn ihr nicht genug trinkt, macht ihr am Ende noch dummes Zeug oder fallt vom Rad.“ „Reg dich ab, kennst uns doch“, sagte Konrad.
„ Eben, deshalb! Na dann los. Wir fahren bis zur Straße“
„Eh, Ralf, hast du das gesehen“
„Was denn?“
„Der Pförtner vom Zeltplatz hatte eine Knarre“
„Spinner, Heiko hatte doch recht. Bei dir fängt´s schon an“
„“Nee wirklich, der hatte eine Knarre!“
Ralf fuhr zu Heiko und sagte: „Konrad hat’s schon erwischt.  Er sieht schon Gespenster. Allen Ernstes behauptet er, dass der Pförtner vom Zeltplatz ein Gewehr trägt.“
An der Strasse angekommen, halten die Brüder an.
„Na was is denn nun, hatte er oder hatte er nicht“, fragte Ralf.
„Er hatte“, antwortet Heiko „Hier ist es normal, dass Zeltplatzwärter ein Gewehr haben. Genau so normal wie die Tatsache, dass bei jedem Klassenausflug bewaffnete Begleiter dabei sind. Die sind übrigens kaum älter als ihr“
„Was, mit einer richtigen MP?“, staunte Ralf.
„Seit vor einigen Jahren ein Anschlag auf eine Schulklasse verübt worden war, ist das Pflicht. Ich glaube, es ist nicht besonders erstrebenswert sich einem Attentäter gegenüber zu sehen. Dann ist das kein Spiel mehr“, meinte Heiko. Er zeigte zum Berg hinauf. „Dort ist eine große Elektroanlage. Das kann eine Transformatorenanlage oder etwas Ähnliches sehn. Von hier unten sieht man es nicht, aber da befinden sich einige Fliegerabwehrgeschütze drumherum. Im Kriegsfall sollen die feindliche Flugzeuge abschießen, denn sonst bombardieren sie die Anlage. Die ganze Umgebung um den See hätte lange Zeit keinen Strom. Hier, das komische Auto, das gerade die Straße herauf kommt, das sind Blauhelmsoldaten der UNO. Die achten darauf dass die Waffenstillstandsabkommen eingehalten werden.“
„Mann, friedlich kann man das hier aber nicht nennen“ Konrad schüttelte den Kopf.
Wir fahren die Straße hinauf. Kommt hinterher bis zum Berg der Seligpreisungen. Der weiße Streifen etwa einen Meter vom Straßenrand wird von den meisten Autofahrern als Grenze angesehen. Auf dem Asphalt zwischen Streifen und Straßenrand können wir fahren.“
„Was passiert denn wenn die Autofahrer den Streifen nicht beachten?“
„Na was wohl, dann lernen wir fliegen“
Als sie den Berg der Seligpreisungen erreicht hatten, erklärte Heiko. „Hier in dieser Gegend, sagt die Tradition, dass Jesus seine berühmte Bergrede gehalten haben soll. Deshalb wurde hier eine Kirche gebaut. Diese kleine achteckige Kirche mit ihrem offenen Umgang ist für mich eine der schönsten Kirchen Israels.“
„Hier ist es so schön, da braucht man doch gar nicht rein zu gehen.“, meinte Ralf.
„Wenn du versprichst, dass wir keine Kirchentour machen, gehe ich auch mit in die Kirche, sagte Konrad.
„Keine Angst, es steht nur noch eine Kirche auf dem Programm. Die hier wurde übrigens von der faschistischen Regierung Italiens unter ihrem Diktator Mussolini in Auftrag gegeben.“
In der Kirche war es angenehm dämmrig. „Sag mal, was stehen denn da in der Kuppel für Sprüche? Ist das Latein?“
„Hier steht was mit Pax, hat wohl was mit Frieden zu tun?“
„Genau, die Sprüche sind auf Latein. Es sind berühmte Teile aus Jesu Bergpredigt. Der mit dem Pax heißt: Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
„Na, da gibt es in diesem Lande wohl kaum Kinder Gottes“, grinste Konrad.
„Sich für den Frieden einzusetzen ist in jedem Land schwierig. Dazu braucht es ganze Menschen und keine Memmen. Manchmal ist es zum Verzweifeln, wenn man zwischen Menschen vermitteln will, die selber nicht wollen. Frieden hat auch viel mit Gerechtigkeit zu tun. Jesus wusste wovon er sprach. Damals war es hier auch nicht friedlicher als heute. Ich glaube, wenn ich gefordert bin, mich für den Frieden einzusetzen, dann würde ich jeden Tag um Gottes Weisheit beten.“, sagte Heiko.
„Warum denn das?“
„Na wenn es Streit und Unfriede gibt, setzt meist der Verstand aus.“
„ Also, Gott will Frieden, und er will dass wir uns dafür einsetzen, wahrscheinlich sogar mit ganzer Kraft. Wieso hat dann eine faschistische Regierung eine Kirche bauen lassen in der so ein Spruch steht?“,  fragte Ralf.
„ Das weiß ich auch nicht.“

Radtour um den See Genezareth   4
„Sag mal Heiko, du willst doch nicht schon wieder mit uns in eine Kirche? Das soll doch keine Pilgerfahrt werden?“ moserte Konrad.
„Eine hatte ich noch. Das ist also die letzte“, sagte Heiko lächelnd.   
„ Kaum sind wir ein Stück gefahren schon halten wir wieder. Wo sind wir denn eigentlich?“
„ In Tabgha. Vom Berg der Seligpreisungen ging es am Kalksteinplateau von Kinnereth vorbei. Auf diesem Plateau lag vor 2800 Jahren die Stadt Kinnereth. Als die Israeliten das Land eroberten, gab es diese Stadt wahrscheinlich nicht mehr. Trotzdem muss sie einstmals so bedeutend gewesen sein, dass der See den Namen dieser Stadt noch heute trägt. Die Israeliten haben diesen Namen übernommen, weil er an das hebräische Wort Harfe erinnerte. Vom Weltraum aus hat der See einen Umriss, der an eine Harfe erinnert.“
„Du spinnst ja“, sagte Konrad, „vor 2000 Jahren wussten die noch nicht, wie der See vom Weltraum aus aussieht“
„Aliens  wussten das“, sagte Ralf.
„Ihr schon wieder, man kann ja auch auf eine Berg steigen und sich von dort den See ansehen“, sagte Heiko, sichtlich genervt, „ kommt jetzt in die Kirche“.
„Und warum hast du uns jetzt in die Kirche gelockt“?
„Die Kirche selber ist weniger als 100 Jahre alt, das ist nichts Besonderes. Doch zuvor gab es schon zwei Kirchen hier. Die erste wurde wahrscheinlich im Jahre 419 bei einem Erdbeben zerstört. Hier sind noch einige Mosaikreste von dieser Kirche zu sehen. Dort vorn“,  Heiko zeigte mit dem Finger darauf, „die Mosaike unter Glas sind es. Hier ein Kormoran, da ein wunderschöner Pfau und dort eine Ringelgans.“
„Was ist denn eine Ringelgans?“, fragte Konrad
„Eine Gans, die ein Gefieder hat, das aussieht, als hätte sie eine Ringelsocke angezogen.“
„ Und was ist das für ein Mosaik? Zwei Fische und in der Mitte etwas wie ein Korb?“, fragte Ralf.
„Die Kirche erinnert an Jesus“.
„Na an wen denn sonst?“
„Am Berg der Seligpreisungen wird man an die berühmte Bergpredigt Jesu erinnert. Hier gedenken die Christen daran, dass er nicht nur gepredigt, sondern die Leute auch satt gemacht hat. Jesus macht nicht nur Worte, er handelt auch.“ 
„Wie meinst du denn das?“
„Jesus hat in seiner Rede gesagt, wie unser Leben aussehen muss, wenn es vor Gott bestehen soll. Mancher hat sich bestimmt gefragt, ob es möglich ist, so zu leben wie Jesus es will. Seine Worte sind so radikal, dass man sich fragt ob man überhaupt noch hier existieren kann, wenn man auf Ihn hört.“
„Und was hat das mit Brot und Fisch zu tun?“
„Jesus hat nicht nur gefordert, er hat durch dieses Wunder auch gezeigt, dass er denen hilft, die nach Gottes Willen leben, und sie nicht verhungern lässt, außerdem sind Jesu Worte so gut, dass sie den Hunger, den der Mensch in seiner Seele spürt, stillen kann.“
„Und die Menschen haben das auch begriffen?“
„Manche haben ihn verlassen, weil seine Worte ihnen zu radikal waren. Andere sind, nachdem sie satt waren, losgezogen und suchten ihn, um ihn zum König zu machen.“
„Wieso mussten sie dann losziehen?“
„Es waren 5000 Männer, dazu noch Frauen und Kinder, die Jesus mit Fünf Gerstenbroten und zwei Fischen satt gemacht hat.“
„Und was hat Jesus dann gemacht?“
„Als er gemerkt hat, dass sie ihn suchten, ist er stiften gegangen.“
„Wieso ist er denn abgehauen?“
„Die Leute haben ihn für einen großen Propheten gehalten. Andere haben in ihm jemanden gesehen, der ihnen Essen gab, für das sie nichts tun mussten. Die hatten nichts von seinen Worten begriffen.“
„Weißt du“, überlegte Ralf, „ wenn ich Chef vom Bauernverband wäre, dann wäre Jesus mein schlimmster Feind.“
„Na“, fügte Konrad hinzu, „wäre ich Chef von der Fischereigenossenschaft, ginge es mir nicht anders.“
„Und als Chef der Winzervereinigung stände er auf meiner Liste auch ganz oben“, meinte Heiko gereizt.
„Wieso als Chef der Winzer?“, fragte Ralf.
„Na er hat doch auch mal Wasser zu Wein gemacht.“
„Als Chef des Wasserwerkes hätte ich ihm dann natürlich einen Orden verliehen.“, grinste  Konrad.
„Weißt du“, sagte Ralf, „die sollen froh sein, dass Jesus abgehauen ist.“
„Wieso?“
„Na möchtest du jeden Tag Brot und Fisch essen?“

Radtour um den See Genezareth 5
„Worauf warten wir denn jetzt schon wieder?“, fragte Ralf.
„Na auf unseren großen Bruder.“
„Was du nicht sagst, ich möchte wissen, was er macht.“
„Na vielleicht Pipi.“
„Heiko, warum stehen wir denn hier so lange in der Sonne?“
„Weil ihr zu dumm seid, euch in den Schatten zu stellen. Ich habe nur bei den Schwestern gefragt, ob wir an den See können.“
„Der See ist wohl nicht groß genug, dass wir genau an diese Stelle müssen?“
„Nein, aber diese Stelle ist etwas Besonderes. Kommt mit. Hier an diesem Platz am See, von Bäumen umstanden, in der Mitte ein Stein in der Höhe eines Tisches, hat man das Gefühl, dass Jesus jeden Augenblick mit dem Boot ankommt und sich unter uns setzt.“
„Warum muss man erst die Nonnen fragen, ob man hier her darf.“
„Na weil ihnen der Platz gehört.“
„Und warum lassen sie dann nicht alle Touristen hier her?“
„Stell dir mal vor, sagte Heiko, „hier kommt eine Gruppe von schwatzenden Touristen her. Die Reiseleiterin erklärt etwas, und die Leute hören nur mit dem halben Ohr hin.“
„Schatz“, sagt Ralf mit künstlich verstellter Stimme, „ ich muss noch mal zu Hause anrufen, ich mach mir solche Sorgen, dass uns die Kinder nicht das Haus anstecken.“
 „Ach Mausi“, auch Konrad spricht mit verstellter Stimme, „ keine Angst, unser Nachbar ist Feuerwehrhauptmann. Wenn’s brennt, setzt er unser Haus einfach unter Wasser“
„Und die Kumpels die sich unterhalten: Hast du eben die Tusse gesehen, die hatte solche Augen“, sagte Ralf.
„Wo, im Gesicht?“, fragte Konrad.
„Und die zwei Freundinnen: Weißt du mein Mann ist ja so unselbstständig. Kurz vor unserer Reise habe ich ihm noch eine neue Unterhose gekauft...“
„ und wenn ich heimkomme, werde ich sie das erste Mal waschen.“, ergänzte Konrad.
„Genau so.“, sagte Heiko.  „Wenn die Reiseleiterin fertig ist, gehen alle zur nächsten Attraktion, und keiner hat etwas vom Zauber dieses Ortes gemerkt.“
„Und wie hast du die Nonnen überredet, dass sie uns hier hergelassen haben?“
„Ich habe gesagt wir wollen eine Andacht halten.“
„ Na dann hast du sie wohl besch…ummelt?“, griente Ralf.
„Ich lese nur die Geschichte von der Brotvermehrung vor, damit haben wir unsere Andacht. Danach genießen wir die Ruhe noch ein wenig und danach fahren wir nach Kapernaum.“
Heiko wollte die Geschichte von der Brotvermehrung vorlesen, da fiel ihm etwas ein: „ Eigentlich ist das hier der falsche Ort. Die Brotvermehrung fand am Ostufer statt. Dies ist hier das Westufer. Aber als man in den ersten Jahrhunderten  an den See pilgerte, wurde es am Ostufer zu gefährlich. Darum hat man Erinnerung hier her verlagert und die erste Kirche, die es jemals in Galiläa gab, hier gebaut. Eine Pilgerin glaubte, dass man den Stein, auf den Jesus das Brot legte, zu einem Altar gemacht hatte. Sehr bald erinnerte man sich nicht nur an das Wunder, sondern man dachte auch an das Abendmahl.“
„Wegen des Brotes?“, fragte Ralf.
„Genau.“
„Na, bei uns gibt es zum Abendmahl kein Brot. Das sind, glaub ich, Oblaten. Wahrscheinlich verwechselt unser Pfarrer da etwas. Er könnte da schon richtiges Brot nehmen“
„ Was ist denn richtiges Brot“, fragte Heiko. „Auf der Welt gibt es so viele Sorten von Brot Welches ist denn dann das richtige? Die Oblate ist aus Weizenmehl und eine Art ungesäuertes Brot. Das kommt dem Brot des ersten Abendmahls näher als Hefebrot. Die Oblaten fürs Abendmahl gibt es erst seit etwa 1000 Jahren. Meist gibt es auf den Oblaten ein Symbol, das an Jesus erinnert. Oblata ist lateinisch und heißt Opfergabe. Zum Abendmahl nennt man diese Oblaten Hostie.“
„Schön, Herr Schlaumeier, dann sage mir mal, was das mit dem Abendmahl überhaupt soll.“
„ Die großen Kirchen nennen das Abendmahl ein Sakrament. Das ist Latein und könnte mit `Heiliges Geheimnis´ übersetzt werden. Das Abendmahl ist ein Symbol. Symbole machen etwas sichtbar, was man eigentlich gar nicht sehen kann. Für mich ist es eine Art Erinnerung an das erste Abendmahl. Hier in Israel feiert man viele Erinnerungsfeste. Diese Feste werden so begangen, dass man sich so stark erinnert, als ob man selber dabei ist. So hat man das Gefühl, dass man dazu gehört. Auf diesem Weg befestigen die Juden das Gefühl, dass sie das Volk Gottes sind. Wenn wir Christen Abendmahl feiern, dann erinnern wir uns auch daran, dass Jesus uns zu diesem Abendmahl einlädt. Auch wir gehören durch das Abendmahl zum Volk Gottes und sollen uns an das erste Abendmahl erinnern, als ob wir dabei gewesen wären. – Eigentlich müsste ich euch das nicht erklären, ihr hattet doch Konfirmandenstunde.“
  Ach, du erklärst doch so schön. Außerdem hatten wir soeben unsere Andacht und die Schwestern hast du auch nicht besch…, na du weißt schon.“, sagte Konrad. 


Radtour um den See Genezareth  6
„Kafarnaum, bitte absteigen“, rief Heiko laut.
„Was sollen wir denn hier, sind doch eh nur alte Steine zu sehen“, maulte Ralf herum.
„Das sind die Reste der Grundmauern vom Versammlungsort der ersten Christen hier. Manche behaupten, dass das das Haus des Petrus ist.“
„Und das UFO auf Stelzen darüber? Behaupten da manche, dass das das eine Kirche ist?“ fragte Ralf und blinzelte mit einem Auge.
„Eine Kirche?“, fragte Konrad mit gespieltem Entsetzen. „Du hast versprochen, dass wir nicht mehr in eine Kirche müssen“
„Ralf hat doch eben gesagt, dass das ein UFO ist.“, Heiko griente.
„Egal, mich bekommen da keine hundert Pferde rein“, sagte Konrad.
„Liebe Terroristen“, Heiko sprach in gelangweiltem Ton wie ein Reiseleiter, der keine Lust hatte. „Sie sehen hier die Reste des Haus des Petrus unter einer Kirche liegend. Nach biblischer Überlieferung war Jesus oft in Kapernaum. Nicht nur Petrus, auch andere Jünger stammen von hier. Wenn Sie wissen wollen welche dann, schauen sie in die Bibel. Viele Wunder hat Jesus hier vollbracht, wahrscheinlich mehr als anderswo. Der Evangelist Matthäus deutet an, dass Jesus hier Bürgerrecht besessen hat. Am Anfang seines Wirkens hat er nach einer Predigt die totsterbenskranke Schwiegermutter des Petrus wieder geheilt. Gegenüber finden Sie Reste der Synagoge, in der Jesus gepredigt hat.“
„Mann, Heiko, es reicht. Sag mal, was soll das denn nur immer mit den Wundern? Jesus macht Blinde sehend, Lahme gehend, und Taube können wieder hören. Das kommt mir vor wie eine riesige Zaubershow.“, sagte Ralf.
„Weißt du ich glaube schon, dass Jesus geheilt hat. Die Menschen hatten es auch nötig. Es gab keine Krankenversicherung und wenig Ärzte. Trotzdem frage ich mich, warum man so oft von Heilungen in der Bibel berichtet.“
„ Und, hast du eine Antwort darauf?“
„ Sieh mal, Jesus heilt Blinde. Es gibt aber Menschen, die können zwar alles sehen, aber sie haben keinen Durchblick.“
„Blinde Hühner nennt man so etwas.“, sagte Ralf.
„Hör mal, dann gibt es Menschen, die können alles hören, aber sie verstehen nicht, was du gesagt hast.“
„Fremdsprache?“, fragte Konrad
„Nein sondern man spricht zu ihnen, als ob sie taube Ohren hätten.“
„Hat Mutti von Ralf auch immer gesagt“ lachte Konrad.
„Und dann gibt es Lahme und Fußkranke?“, Ralf sah Heiko fragend an.
„Es gibt Menschen, die genau wissen dass sie sich bewegen müssen. Ich meine hier nicht nur die körperliche Bewegung. Manche wissen, dass sie in ihrem Leben einen neuen Weg einschlagen müssen, sie haben aber nicht die Kraft dazu.“
„Also Fußlahme im übertragenen Sinn.“
„Genau.“
„Und was hat Jesus mit denen zu schaffen?“
„Wisst ihr, ich habe während meines Zivildienstes viele Menschen getroffen, die mir erzählt haben, dass sie sich in einer Situation befunden hatten, in der sie sich blind, lahm oder taub vorkamen. Sie haben zu Jesus gebetet und das hat ihnen geholfen. Sie bekamen Durchblick, verstanden manches besser oder fanden die Kraft, nötige Veränderungen anzugehen.“
„Und das alles, weil sie zu Jesus gebetet hatten?“
„Ja. Da gibt es noch eine Geschichte die in Kapernaum stattgefunden hat. Jesus war in einem Haus. Die Häuser hier sehen aus wie große Würfel. Das Dach ist eben. Früher gab es keine Klimaanlagen, so lag man im Sommer nachts zum Schlafen oben.  Zum Dach führte außen eine Treppe. Also Jesus war im Haus. Da immer etwas los war wo sich Jesus befand, kamen viele Leute. Das Haus war voll. Da kamen vier Männer, die hatten einen Gelähmten auf einer Bahre.“
„Heiko, das war keine Bahre, sondern eine Trage. Auf einer Bahre liegen nur Tote.“
„ Danke für den Hinweis. Der lag also auf der Trage, als ob er lebendig tot war. Der hatte gar kein richtiges Leben mehr. Das Haus war voll, und sie kamen nicht zu Jesus. Kurzerhand schleppten sie die Trage mit dem Mann auf das Dach. Sie  rissen das Dach auf und ließen ihn direkt vor Jesus herunter.“
„Na die Gesichter möchte ich gesehen haben.“
„Jesus jedenfalls hat gesagt: Deine Sünden sind dir vergeben.“
„ Was soll das nun wieder?“, fragte Ralf.
„So ähnlich haben die Frommen, die dabei waren, auch gefragt. Jesus hat eben den vollen Durchblick gehabt. Manche Krankheit kommt aus unserem Inneren. Manchmal gibt es Dinge, die uns belasten und nicht wieder los lassen. Wir werden an anderen schuldig. Tun Dinge, von denen wir wissen, dass sie nicht richtig sind. Manchmal gibt es auch Dinge, die andere uns antun, die uns krank machen. Jesus jedenfalls hat gesagt, dass er das alles vergibt und alles wieder in Ordnung ist. Die Frommen sind bald aus dem Korsett geschnippt. Sie haben sich aufgeregt und gesagt, dass so etwas nur Gott tun darf.“
„Und Jesus?“
„Der hat gesagt dass er beweisen wird, dass er das darf. Er hat zum Gelähmten gesagt:`Stehe auf, nimm deine Trage und geh heim´.“
„Da waren die vier sicher froh?“
„Wieso?“
„Die mussten ihm dann nicht mehr helfen.“
„Ich glaube, der Gelähmte war noch viel froher, denn nun konnte er sich wieder selber helfen. Hier am Haus des Petrus war es ja so, dass Jesus die Schwiegermutter geheilt hat, und sie hat gleich wieder für Jesus und seine Leute gesorgt.“
„Sag mal, könnte Jesus dich auch von deiner Schwatzhaftigkeit heilen?“, fragte Konrad.
„Wieso?“, Heiko sah ihn komisch an.
„Dann würden wir endlich weiterfahren.“  

Radtour um den See Genezareth 7
„Endlich Abenteuer“, rief Ralf über den See. Schon eine Weile schlugen sich die Brüder am Ufer entlang durch Schilf und Gestrüpp.
„Mir reicht´s, der Jordan könnte endlich kommen“ meinte Heiko.
„Und wie geht’s da drüber? “, fragte Konrad.
„Der Jordan ist doch kein Fluss wie der Rhein oder die Elbe. Auch wenn er berühmt ist, ist er doch nur ein Flüsschen. Jetzt im November laufen hauptsächlich ein paar Rinnsale in den See. Kann sein, ein paar Bäche sind dabei, aber davor fürchten sich nur Schlappschwänze.“
„Heiko, da hinten hinter der Schilfinsel sieht es aus wie freies Gelände.“
„Ja, genau dort ist der Flusseinlauf. Eine kleine Ebene von lauter Sand, die von Wasserläufen durchzogen wird.“
„Da bekomme ich doch nasse Füße“, jammerte Konrad. „ich hasse nasse Füße.“
„Ja, genau, wenn du nasse Füße kriegst, dann bekommst du Schnupfen.“, sagte Ralf und streichelte ihm den Kopf.
„Genau, und Mutti muss mich dann wieder gesund pflegen.“
„Hört endlich auf mit dem Quatsch und kommt“, raunzte Heiko seine Brüder an. Er steckte seine Schulter unter die Fahrradstange, hob das Rad an und ging daran, durch den Sand zu stapfen. Die Brüder folgten langsam.
„Heiko, der Bach dort vorn ist aber doch etwas tiefer.“, rief Ralf.
„Ach Quatsch, wir ziehen die Hosen aus und stecken sie in den Rucksack, dann geht’s durch, Tapfer sein!“
Als sich die Jungen die Hosen auszogen, rezitierte Konrad:
„Der Angler steht am Meeressrand, er hält die Angel in der Hand, er fängt sich einen Barsch, das Wasser steht ihn bis zu den Knien.“
„Aber, das reimt sich doch gar nicht“, sagte Ralf.
„Na, da müssen wir noch warten bis die Flut kommt“, sagte Konrad, die Zwillinge  lachten.
„Los jetzt“, befahl Heiko und stürmte mit dem Rad auf der Schulter los.
„Heiko, ist das nicht doch etwas tief?“
„Iwo, los kommt.“
„Na, wenn dir da nicht eine unterirdische Strömung die Beine wegzieht ?“
„Jammerlappen“ rief Heiko laut. In dem Augenblick verlor er die Balance und fiel in den Bach. Das Fahrrad lag auf ihm, der Kopf ragte durch den Rahmen.
„Hast du mal das Handy dabei“, fragte Ralf.
„Wieso?“
„Na wir müssen jetzt bei der ILRG anrufen.“
„Wo sollen wir anrufen?“
„Bei der ILRG“
„Na, was soll denn das sein?“
„Die Israelische Lebensrettungsgesellschaft.“
„Und was sollen wir denen sagen? Mann über Bord?“
„Mann übern Jordan.“
„ Na da kommen sie bestimmt nicht mehr. Da schicken sie gleich den Leichenwagen“
„Von mir aus auch Mann im Jordan.“
„Ich sehe schon die Schlagzeile in der Zeitung. Mann ging über den Jordan, als er durch den Jordan ging.“
„Helft mir endlich und quatscht nicht so blöd. Ich komme allein nicht raus. Oh, meine Kamera und meine Uhr. Die waren im Rucksack und sind jetzt abgesoffen.“
Die Zwillinge rannten sofort zu Heiko und halfen ihm aus dem Wasser.  Der Rucksack war völlig durchnässt. Ihnen war klar, dass Heikos Kamera hinüber war. Heikos hatte für diese Kamera einige Jahre gespart. Die beiden schämten sich, dass sie so lange Blödsinn erzählt hatten und dadurch der Rucksack mit der Kamera nass geworden war. Als Heiko wieder auf den Beinen war, zogen die drei wortlos durch das Jordaneinflussgebiet, bis es wieder durch Gestrüpp und Schilf ging.
Als sie endlich einen Weg gefunden hatten, machten sie Rast. Sie breiteten die nassen Kleider aus und saßen schweigend da. Nach einer Weile meinte Ralf:
„Du, Heiko, vielleicht kann man ja die Kamera reparieren.“
„Geht nicht“
„Vielleicht doch, Konrad und ich legen zusammen und bezahlen die Reparatur.“
„Geht überhaupt nicht“
„Wir könnten es doch wenigstens versuchen“, schaltete sich jetzt Konrad ein.
„Nein.“
„Na warum willst du es denn nicht versuchen?“
„Meine gute Kamera liegt zu Hause und im Rucksack ist die wasserdichte Einwegkamera.“
„ Du Ganove!“
Ralf und Konrad stürzten sich auf ihren Bruder und alle drei balgten sich im Dreck.
Als sie sich ausgetobt hatten, badeten sie im See und mussten sich noch einmal trocknen lassen.
„Na Heiko, hat Jesus auch etwas mit dem Jordan gemacht?“
„Ist mir nicht bekannt, außer dass er im Jordan getauft wurde. Ich kann mich aber entsinnen, dass Jesus mal gesagt hat, dass der, der sein Wort hört und tut, wie ein Mann ist, der sein Haus auf Felsen gebaut hat.“
„Na und, was wollte er denn damit sagen?“
„Hier in Israel gibt es viele ausgetrocknete Wasserläufe. In diesem Wasserlauf befindet sich Sand. Wer nicht richtig nachdenkt lässt sich verführen und baut sein Haus auf diesen Sand. Manchmal gibt es in der Wüste oder in trockenen Ecken Platzregen. Das Wasser kann aber nicht in die Erde eindringen, läuft in den Wasserläufen zusammen und kommt als große Flut angeschossen. Da ist das Haus im Sand hoffnungslos verloren.“
„Und was hat das mit dem zu tun, was Jesus gesagt hat?“
„ So, wie das Wasser in den scheinbar trockenen Flussläufen plötzlich angeschossen kommt und alles mit sich reißt, so kann es auch im Leben Situationen geben, in denen man den Boden unter den Füßen verliert. Da ist es gut, dass man sich an Jesus und das was er gesagt hat festhalten kann. Sein Wort ist ein gutes Fundament im Leben. Als ich vorhin im Wasser lag dachte ich daran, wie schnell man den Boden unter den Füßen verlieren kann.
„Na wie schön ist es dann wenn es Brüder gibt, die helfen.“, sagte Ralf und zwinkert mit einem Auge.
„Oder Schwestern“, sagte Konrad, „so man welche hat.“

Radtour um den See Genezareth 8
„Man, so ein Mist! Jetzt habe ich auch noch einen Platten.“, Heiko sah nicht glücklich aus,
„ Endlich macht das Radfahren Spaß und dann so was….“
„Sollen wir hier halten und erst mal reparieren?“, fragte Ralf.
„ Ach Quatsch, fahrt den Weg hier unter den Bäumen entlang. Bald kommt ein zerfallenes Haus. Dort haltet ihr an und wartet auf dem Platz davor auf mich. Ich schiebe bis dahin. Dort kann ich das besser reparieren.“
„Wenn du meinst“, sagte Konrad und die beiden fuhren los.
Als Heiko den freien Platz erreichte, sah er wie seine Brüder die Ruine umschlichen wie zwei Füchse ihre Beute. Gerade als Ralf auf den Fenstersims sprang, um in der Ruine zu verschwinden, schrie Heiko: „Du spinnst wohl. Wehe, wenn du da rein springst.  In das Haus hat es schon Jahrzehntelang hineingeregnet. Da kann es sein, dass du sofort unter einem Haufen vergammelter Balken liegst.“
Ralf zögerte und als Konrad auf ihn einredete, gab er seinen Plan auf.
„Man, kaum hat man euch mal nicht im Auge, schon macht ihr Blödsinn. Aber kein Wunder. Vati nennt dich nicht umsonst Grubenolm, Ralf. Wenn du eine Höhle oder ein Loch siehst musst du reinkriechen. Du bist erwachsen, da sollte man sich schon Gedanken darüber machen was passieren kann.“
Konrad legte seine Hand beruhigend auf Heikos Schulter. „Sollen wir dir beim Reifenflicken helfen.“ „Nee, nee, ihr werdet mir nicht helfen, ihr werdet das Rad reparieren. So weiß ich wenigstens, dass ihr keinen Mist baut.“
Ohne Widerspruch machten sich die Zwillinge daran, Heikos Rad zu reparieren.
Während die beiden nach dem Loch im Reifen suchten, erzählte Ralf: „Das alte Haus war einmal Zollstation.“
„Von Jesus?“, fragte Konrad.
„ Du könntest Jesus heißen“, sagte Heiko, denn er wusste wohl, dass Konrad ihn schon wieder necken wollte. „Jesus hatte zwar viel mit Zöllnern zu tun denn zu seiner Zeit gab es drei Herrschaftsbereiche hier. Eine Grenze war damals der Jordan, die andere Stelle müsste noch kommen. Von den Grenzen findet man, so weit ich weiß, nichts mehr. Ist ja fast 2000 Jahre her. Ich glaube, das Zollhaus hier wurde gebaut nachdem das Osmanische Reich zerschlagen war, also nach 1917. 1922 bekommt Großbritannien die Verwaltung Israels zugestanden. Hier oben war, die Grenze zu Syrien, deshalb das Zollhaus. Weiter unten richteten die Engländer ein Land über dem Jordan, also Transjordanien, ein. Damals setzte man hier  eine Königsfamilie aus Saudiarabien ein, die direkte Nachfahren des Propheten Mohammeds waren. Darum wird das heute das Haschemitische Königreich Jordanien genannt.“
„ Und was hat das nun mit Jesus zu tun?“, fragte Ralf.
„Na, nichts. Wenn man heute von Zöllnern spricht, dann denkt man an Zigaretten und Alkoholschmuggel, oder man denkt an die Sicherheitsbeamten hier, die deinen Rucksack mit Laser nach Plastiksprengstoff absuchten. Die Zöllner zu Jesu Zeiten suchten nur eins.“
„Was denn?“
Heiko rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. „Das Römische Reich war riesig groß. Um so ein Großes Land zusammenzuhalten, brauchte man Beamte und Soldaten. Die riesigen Heere und der ungeheuer große Beamtenapparat musste bezahlt werden. So gab es eine Hierarchie von Zollbeamten und Steuereinnehmern. Wer ein kleiner Zollbeamter werden wollte, musste die Vorgesetzten bestechen, um diesen Posten zu bekommen. Der Vorgesetzte bestach wiederum seine Oberen und so weiter. Hatte der Zollbeamte seinen Posten, musste er eine bestimmte Summe aus den Menschen in seinem Zollbereich herauspressen und abliefern. Das Geld, was er mehr einnahm war seins. Natürlich nahmen die Zöllner den Menschen mehr Geld ab, als eigentlich nötig war. Außerdem haben sie denen, die sie nicht leiden konnten, eben noch mehr abgenommen als denen, die ihnen sympathisch waren.  Da sie Vertreter der verhassten Staatsmacht und außerdem  korrupt und ungerecht waren, haben die Juden die Zöllner gehasst. Jesus wiederum hat sich nicht der Volksmeinung angeschlossen, sondern hat die Zöllner, trotz ihres ungerechten Lebenswandels, als Menschen behandelt. Es ist leicht, Menschen zu verachten und auszuschließen. Jesus ist auf die Zöllner zugegangen und hat ihnen gezeigt, dass sie wertvolle Menschen sind, trotz ihres falschen Verhaltens. Ich denke hier an einen, der hat  nach einem Besuch von Jesus sein Leben geändert. Dabei hat Jesus ihm noch nicht mal die Leviten gelesen. Jesus hat den Zöllnern nicht gesagt, was für verkommene Subjekte sie sind. Das war wahrscheinlich der einzige Weg, dass sie ihr Leben ändern konnten.“
„Wie meinst du das?“
„Stell dir vor, jemand sagt dir was du für ein schlechter Mensch bist. Ich jedenfalls würde mich dem innerlich verschließen. Behandelt mich mein Gegenüber aber wie einen Menschen, dann habe ich es leichter, meine Fehler einzusehen.“
„ Rad ist fertig, pass nächstens besser auf, wohin du fährst.“, sagte Ralf.
„ Aber nur wenn du besser aufpasst, in welche Fenster du einsteigst.“

Radtour um den See Genezareth 9
„Man wo führst du uns denn noch hin?“, rief Ralf. „Rechts der See und links die Gefahr“, meinte Konrad.
„Tja ihr wisst wenigstens, was Danger ist“, sagte Heiko. „Der eingezäumte Abhang ist mit Landminen bestückt. Bis zum 6 Tagekrieg 1967 war das Gebiet bis zum See Syrisch. Da hatte man den Hang vermint. Wehe du wirfst einen Stein auf das Gelände Ralf.“
„Würde ich doch nie tun, kennst mich doch“, sagte der Angesprochene. „Eben deshalb“, antwortete Heiko, „ Landminen sind kein Spiel. Da hat schon mancher Arme, Beine oder sogar das Leben verloren.
Jungs, die Sonne scheint ganz schön, vergesst nicht zu trinken.“
Die drei fuhren weiter und kamen an einen Steinhaufen.
„Was sind denn das für komische Viecher?“
Heiko stieg vom Rad und stellte sich vor den Steinhaufen. Die Tiere, die an Biber oder Murmeltiere erinnerten und die sich auf den Steinen sonnten, schien das nicht zu beeindrucken. Er bewegte die Hände, als wäre er ein Magier. „Sim sala bim, nichts ist, wie es scheint“, Heiko zeigte auf die Tiere, „kleine Elefanten.“
Ralf und Konrad sahen sich an. Plötzlich rannten sie los und warfen Heiko zu Boden. „Schnell Wasser“, rief Ralf,  „ sonst dreht er durch“.
„Aua, ihr spinnt wohl“
„Wenn du jetzt nichts trinkst, flößen wir dir das Wasser ein.“
Heiko trank ein paar Schlücke, und seine Brüder ließen ihn los.
„Man, ihr Blödmänner, jetzt tut mir der Rücken weh.“
„Na wenn du uns so erschreckst.“
„Ich glaube eher, ihr habt eine Gelegenheit gesucht, mich flach zu legen. Wisst ihr, wenn man mit euch unterwegs ist, wird man wie eine Sau. Jetzt lag ich schon zum dritten Mal im Dreck.“
Die Zwillinge putzten Heikos Rücken ab und unterdrückten ein Lachen.
„Was sind das denn für Viecher?“, fragte Konrad.
„Die possierlichen Tiere heißen Klippschliefer, wiegen zwischen 2 und 4,5 kg und sind mit den Elefanten verwandt.“
„Jetzt veräppelst du uns aber.“
„Nein, ich sagte doch, nichts ist, wie es aussieht.“
„Was soll das heißen, nichts ist wie es aussieht? Bei den Tieren kann das schon mal sein.“
„Das ist nicht nur bei den Tieren so. Hier in diesem Land sind die Guten auch nicht immer die Guten und die Bösen sind manchmal weniger Böse als gedacht. Habt ihr euch schon mal gefragt, wie es kommt, dass das Fernsehen immer wieder Bilder von Steine werfenden Jugendlichen hat, die dann um die Welt gehen? Wenn man Tiere filmt, wartet man Tage oder Wochen, bis man mal ein paar Bilder bekommt. Ich habe in Israel weder Steine werfende Jugendliche gesehen noch lauernde Kamerateams. Da gibt es viel Propaganda von beiden Seiten, um die Menschen am Fernseher in die Irre zu führen. Versteht mich nicht falsch, natürlich gibt es Streit, Hochmut und sogar Selbstmordattentäter. Die Bilder, die man weltweit im Fernsehen sieht, haben trotzdem nicht immer etwas mit der Wahrheit zu tun. Außerdem ist es sehr schwer, sich bei einem Konflikt auf eine Seite zu stellen. Ich kann mir nicht vorstellen, als Israeli hier zu leben mit dem Wissen, dass die anderen das erklärte Ziel haben, die Juden alle ins Meer zu treiben. So gesehen kann ich die Israelis in vielem verstehen. Andrerseits kann ich auch ihre Gegner verstehen. Die Israelis benehmen sich mitunter sehr hochmütig. Wenn man hier lebt, dann sieht die Lage anders aus als im Fernsehen. Nichts ist wie es aussieht, vor allem nichts, wie es im Fernsehen aussieht. Das ist hier so, und mittlerweile glaube ich, dass das auch zu Hause so ist.“
„Und was hat das mit Jesus zu tun?“, fragte Konrad.
„ Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. Dieser Bibelspruch stammt zwar nicht von Jesus, aber er hätte von ihm stammen können. Jesus war mit vielen Menschen zusammen, die die anderen verachteten, und er hat sie nicht verachtet. Unter Jesu Jüngern waren sehr unterschiedliche Leute. Zwei waren sehr Impulsiv, Choleriker würde man heute sagen, sein Kassenwart hat ihn betrogen und bestohlen, ein anderer Jünger war ein Terrorist, zwei andere versuchten sich bei Jesus einzuschleimen, um eine gute Position zu bekommen, wenn Jesus mal König wäre. Später haben sie ihn alle im Stich gelassen. Ich hätte alle in die Wüste geschickt. Jesus ist anders. Er gibt die Hoffnung nicht auf. Ihm sind die Menschen wichtig, obwohl sie bestimmt nicht so waren, wie er sie sich gewünscht hat. Vermutlich bin ich auch nicht so wie Jesus sich das wünscht. Trotzdem gibt er mir immer noch eine Chance.“
„Kleine Elefanten…“, Konrad schüttelte den Kopf.

Radtour um den See Genezareth 10
„Heiko, mir ist schlecht und der Kopf tut mir weh.“
„Mensch Konrad, setz eine Mütze auf, wahrscheinlich hast du einen leichten Sonnenstich. Komm, da vorn, ein paar Meter oberhalb der Straße ist eine Tankstelle. Dort unter den Bäumen ruhen wir uns aus. Ich hole eine Cola, und du legst dir einen feuchten Lappen ins Genick.“, Heiko wurde ganz unruhig. „ Hoffentlich kommen wir noch zum Hafen. Es ist zwar nicht mehr weit und größere Berge gibt es auch nicht aber ich habe Angst dass du mir vom Rad fällst.“
Auch Ralf sah jetzt besorgt zu Konrad. Die Brüder waren froh, als sie unter den Bäumen saßen und sich ausruhen konnten.
„Man, das musste jetzt aber wirklich nicht zu sein. Aber so ist das, wenn man nicht genug trinkt und keine Mütze in der Sonne aufhat.“
„ Komm Heiko, wir haben immer getrunken. Aber das ständige Auf- und Absteigen war ja auch kraftraubend. Die Zeltplätze, die jetzt hintereinander am See lagen, auf der Suche nach dem Weg zu durchkämmen und Löcher in den Zäunenzu suchen, all das ist zwar abenteuerlich,  aber auch anstrengend.“
„Ja, ist ja schon gut. Vielleicht war unser Abenteuer ein wenig zu heftig, aber jetzt sollten wir sehen, dass wir unbeschadet zum Hafen kommen.“
Nach einer Ruhepause ging es dann weiter. Heiko war richtig froh, als die drei im Restaurant vor der Bootsanlegestelle saßen und auf das Boot warteten. Konrad ging es wieder schlechter, aber er konnte gehen, ohne gleich umzukippen.
Endlich kam die Fähre an. Es waren nur sehr wenige Gäste im Boot. Konrad konnte sich auf eine Bank legen, und Ralf setzte sich so, dass er seinem Bruder Schatten gab.
Als das Fährschiff ablegte, machte Ralf ein besorgtes Gesicht. „Sag mal Heiko, Jesus hat doch hier am See Menschen geheilt.“
„Ja. Das hat er.“
„Und kann er Konrad nicht auch heilen?“
„Natürlich kann er das.“
„Und was machen wir jetzt?“
„Wie, was machen wir jetzt?“
„Dass Jesus Konrad heilt.“
„Konrad ist ein bisschen überhitzt. Die Sonne ist nicht mehr so stark. Du setzt dich so, dass du ihm Schatten gibst, und er ruht sich jetzt aus. Da wird das schon wieder.“
„Aber trotzdem, was macht man wenn Jesus jemanden heilen soll.“
„Man kann doch nicht bestimmen, was Jesus macht.“
„Na, warum stehen dann in der Bibel die Geschichten, in denen er heilt, wenn er das heute nicht mehr kann.“
„ Nun mach mal langsam. Wenn wir krank sind, können wir immer beten.“
„ Und wie macht man das? Komm Herr Jesus, sei du unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast?“
„Das war ein Tischgebet. Ich glaube nicht, dass das passt. Wenn wir Gott etwas bitten, dann können wir das so sagen, wie es uns ums Herz ist. So, wie wir mit einem Freund reden.“
„Und dann?“
„ Dann kommt es darauf an, was Gott macht.“
„Versteh ich nicht.“
„ Wir können doch nicht bestimmen, was Gott tut, andrerseits können wir mit all unseren Problemen zu ihm kommen.“
„Na, das klingt ja nicht sehr ermutigend.“
„Weißt du, bei mir im Heim haben wir uns unter den Mitarbeitern auch schon darüber unterhalten. Jemand gehört zum Mitarbeiterstab, der schon von den Ärzten aufgegeben war und der durch Gebet völlig geheilt wurde. Ein anderer Mitarbeiter hat eine chronische Krankheit und betet jeden Tag darum, dass er die Kraft bekommt, um sein Leben zu meistern. Eine Mitarbeiterin hat auch schon um Heilung für einen Freund gebetet, und sie wusste während des Gebetes, dass dieser Mensch sterben wird. Er starb auch noch am gleichen Tag. Ich glaube, wir sollen beten wenn jemand krank ist, und wir sollen beten, wenn wir Probleme haben, aber wir können Gott nicht vorschreiben ,was er tun soll.“
„Und Konrad?“
„Dem legst du noch eine kalte Kompresse in den Nacken.“
Als sie am gegenüberliegenden Ufer ankamen, ging es Konrad wieder einigermaßen. Gemeinsam besuchten die Brüder das Museum am Hafen. Dort lag ein Boot aus der Zeit Jesu. In der klimatisierten Halle war nicht nur das Boot zu finden, sondern es wurde in einem Film gezeigt, wie das Boot im See gefunden, geborgen, in Kunststoff eingeschäumt und dann restauriert wurde. Konrad lag auf einer Bank und schlief, während die anderen beiden interessiert dem Film folgten. Als der Film zu Ende war, fragte Ralf:
„Na, Konrad wie geht es uns?“
„Wie es dir geht, weiß ich nicht, mir geht es gut.“
„Die Augen sind aber noch ein wenig dick.“
„Besser die Augen als der Bauch.“
„ Er ist wieder der alte“, jubelte Ralf, „Komm, die paar Kilometer bis zur Jugendherberge schaffen wir auch noch.“
   
Radtour um den See Genezareth 11
„Guten Morgen ihr Schlafmützen.“
„ Man, mach nicht so laut. Können wir nicht noch eine Stunde schlafen?“
„Nichts gibt’s, wer feiern kann, kann auch Rad fahren.“
„Ach lass uns doch, nur ein halbes Stündchen.“
„Jetzt geht es zum Frühstück und dann zur Fähre. Wenn wir die Fähre verpassen, dann brauchen wir erst gar nicht los.“
„Na dann bleiben wir eben hier.“
„Das könnte euch so passen. Erst halb vier ins Bett gehen und jetzt jammern. Wenn ihr nicht sofort aufsteht, kommt eine Schüssel mit Wasser ins Bett geflogen.“
„Ja, ja wir kommen doch“, ächzte Konrad. Er wusste, dass Heiko keine leeren Versprechungen macht.
„Oho, ich denke du magst früh am Morgen keinen Fisch?“, Heiko griente. „Gestern hast du doch noch gesagt, dass die Israelis einen ganz komischen Geschmack haben, und heute sind auf deinem Teller  drei Sorten Fisch zu finden.“
„Naja, das war gestern“, knurrte Ralf. „Die Luft in diesem Land ist eben so, dass man hier Fisch am Morgen essen muss.“
„Na, ich glaube nicht, dass das ist die Luft ist“, meinte Heiko, „ es war wohl eher der Wein oder das Bier.“
„Was kann ich denn dafür, dass uns die Israelische Jugendgruppe zum Feiern eingeladen hat. Die haben aber auch wunderschöne Mädchen.“
„Hoffentlich warst du vorsichtig.“
„Wieso vorsichtig?“
„ Viele von denen sind im Nahkampf ausgebildet.“
„Ach, das war gar nicht so schlimm.“
„Nahkampf gut überstanden?“
„ Wir haben die ganze Nacht getanzt.“
„Und du Konrad?“
„Lass mich in Ruhe.“
„Warum denn?“
„Kopfschmerzen.“
„Na dann iss mal auch ein wenig Fisch. Die Kopfschmerzen, die du gestern von der Sonne hattest, können es heute nicht mehr sein. Als du die Mädchen gesehen hast, warst du ja überhaupt nicht mehr krank.“
„Aber jetzt bin ich es.“
„Los aufs Rad, Mütze auf und viel trinken, dann bekommen wir euch schon wieder hin.“
Am Fährhafen angekommen, stellten die drei fest, dass sie noch warten mussten bis zur Ankunft des Bootes.
„ Man war der Weg gestern auch so lang?“
„ Ja, aber da warst du nicht so müde vom Feiern.“
„ Na, wenn wir das Boot verpasst hätten, dann wäre die Radtour wohl ins Wasser gefallen?“
„Ach, vielleicht hätten wir es dann wie Jesus machen müssen.“, sagte Heiko.
„Wie, wie Jesus?“
„Na Jesus ging über das Wasser.“
„Das habe ich auch schon mal auf einer Gartenschau gemacht. Da waren Gitter unter der Wasseroberfläche über die man dann gehen konnte.“
„Jesus ist aber über den See Genezareth gegangen.“
„Da bekommt man die Gitter bestimmt nicht richtig fest.“
„Wieso hat denn Jesus so etwas gemacht. Da hinten im Museum liegt doch das Boot aus der Zeit Jesu. Hat ihn denn keiner mitgenommen?“
„Ich glaube, die Geschichte sagt uns etwas völlig anderes.“
„Und was soll sie denn aussagen?“, fragte Ralf.
„Jesus kam über das Wasser. Da es Nacht war, bekamen die Jünger im Boot einen Schreck. Erst als sie merkten, dass es Jesus war, beruhigten sie sich. Dann forderte Jesus Petrus auf auch übers Wasser zu gehen. So lange wie Petrus auf Jesus vertraute, blieb er auch auf dem Wasser. Plötzlich kam Sturm auf, und Petrus achtete nur noch auf Wind und Wellen, da versank er. Da gab Jesus ihm die Hand und sie stiegen ins Boot. Ich glaube, die ersten Christen haben diese Geschichte von Jesus weitergegeben, um sich gegenseitig zu sagen, dass man Jesus vertrauen kann und dass man ihm vertrauen soll, sonst geht man unter.“
„ Weißt du, ich bin froh, dass wir nicht übers Wasser laufen müssen. Bis das Boot kommt können wir uns wenigstens noch ein bisschen ausruhen.“

Radtour um den See Genezareth 12
„Komm Ralf, bis das Fährboot kommt, setzen wir uns auf die Bank und holen den fehlenden Schlaf nach.“ Konrad wollte ein wenig dösen, und Ralf war das auch recht.
Die Zwillinge setzten sich auf die Bank. Heiko drängelte sich zwischen sie. Ralf und Konrad schlossen die Augen und wollten ihre Ruhe.
„Wisst ihr eigentlich, dass Jesus hier am See seine Jünger angesprochen hat?“
„Schön für Jesus“, sagte Ralf, ohne seine Augen zu öffnen, Konrad schwieg.
„Zwei seiner späteren Jünger, Simon Petrus und sein Bruder Andreas, waren Fischer. Damals fischte man bei Nacht. Man steckte eine Fackel am Boot fest, die dann in den See leuchtete. Das Licht zog die Fische an, die Fischer warfen das Fangnetz über sie und brauchten das Netz nur noch ins Boot zu ziehen. Aber immer klappte das nicht. Eines Morgens wuschen die Fischer ihre Netze aus und waren enttäuscht, da sie kaum etwas gefangen hatten.“
„Maan, das interessiert doch keine Sau“, stöhnte Ralf, Konrad schwieg.
„Jedenfalls kam Jesus an das Seeufer, genau an die Stelle, an der die Fischer waren. Wie immer, wenn Jesus auftauchte, waren Menschen dabei. Sie drängten sich so sehr, dass Jesus kaum Platz hatte. Da trat er in Simons Boot und bat ihn, ein wenig vom Ufer wegzurudern. Jesus hielt dann eine Rede. Als er fertig war, sagte er zu Petrus, dass er noch mal hinaus fahren sollte und seine Netze auswerfen. Eigentlich war das eine blöde Aktion, denn jedes Kind wusste, dass man Tags über kaum etwas fängt. Trotzdem hat Petrus es gemacht, wahrscheinlich nur weil Jesus den Auftrag gegeben hatte. Vielleicht haben seine Kollegen gelästert oder wenigstens dumm geguckt. Wenn nicht, als Petrus die Netze auswarf, dann doch, als er sie wieder einholte. Sie waren so voll, dass sie zu zerreißen drohten. Am Ende kamen die anderen Fischer auch noch, und man hatte so viel  Fisch in den zwei Booten, dass sie zu versinken drohten.“
„Kannst du nicht endlich mal Ruhe geben?“, diesmal war es Konrad der etwas sagte, und Ralf der, der schwieg.
Heiko drückte Ralf seinen Ellenbogen ein wenig in die Rippen. „Kannst du dir denken was Petrus zu Jesus sagte? Geh weg von mir, ich bin sündig. Wahrscheinlich merkte er, dass Jesus ein besonderer Mensch war.  Jesus aber meinte zu Petrus, folge mir nach.“
„Lass mich endlich in Ruhe“, fauchte jetzt Ralf.
Heiko drückte seinen Ellenbogen nun gegen Konrads Rippen. „Jesus sagte dann noch zu ihm: Von nun an wirst du Menschen fangen. Und Simon Petrus, sein Bruder Andreas und die Brüder Jakobus und Johannes folgten Jesus nach dem Fischzug.“
Konrad und Ralf sprangen fast gleichzeitig auf. „Und wir setzen uns auf eine andere Bank. Wehe, du kommst mit?“, Ralf war richtig sauer. Die beiden gingen zu einer Bank, die ein paar Meter weiter weg stand. Sie meckerten gegenseitig über Heikos Benehmen.
„He, sprecht ihr Deutsch?“, zwei Frauen im Alter der Zwillinge sprachen die beiden an.
„Wo kommt ihr denn her?“
„Na aus Deutschland“, sagte Ralf
„Nein, ach, wie seid ihr denn hergekommen?“
„Na, geflogen“, antwortete jetzt Konrad.
„Ich meine doch, wie kommt ihr denn hier her?“
„ Mit dem Rad.“
„Das sehen wir selber, wir sind ja auch mit dem Rad unterwegs.“ Die eine Radfahrerin wurde ein wenig zickig, wegen der komischen Unterhaltung, während es der anderen gefiel.
Ralf klärte jetzt die Situation auf. „Wir sind drei Brüder. Ich bin Ralf, das ist mein Zwilling Konrad, und der schwatzhafte dort ist Heiko.“ Ralf zeigte auf seinen großen Bruder. „Wir übernachten in einer Jugendherberge etwas nördlich von hier.“
„Und wir sind zwei Freundinnen, Karola und Barbara, die im CVJM Gästehaus etwas südlich von hier übernachten. Wir wollen heute die Nordtour um den See machen, gestern waren wir im Süden.“
Die vier Jugendlichen unterhielten sich angeregt, bis Heiko sie mit der Ankündigung unterbrach, dass das Fährboot kommt.
Auch im Boot ging das angeregte Gespräch der vier weiter, während sich Heiko auf eine Bank setzte, die an der Bootswand stand. Er wollte gern seine Hand ins Wasser hängen lassen. Das ging leider nicht, da das Boot zu weit aus dem Wasser ragte. So legte sich Heiko auf die Bank, schloss die Augen und genoss den schwummrigen Zustand  in den ihn das Geschaukel des Bootes brachte. Von fern hörte er noch seine Geschwister reden. Plötzlich machte es schwupp, und ein Fisch kam über die Bordwand direkt ins Boot gesprungen. Heiko sah auf den Boden. Der Fisch bewegte sich auf dem Holz wie das Fische auf Land machen. Auf einmal bemerkte Heiko, dass der Fisch ihn ansah. Schwupp, da kam auch schon ein zweiter Fisch angeflogen, dann ein dritter ein vierter und so weiter. Es wurden immer mehr Fische so dass er sich nicht mehr traute aufzustehen. Wenn das nicht bald aufhört, sinkt das Boot, dachte er, das Wasser steht bestimmt schon kurz vor der Bootskante. Dann sah er Jesus hinter sich stehen. `Der auch noch. Sieht der denn nicht dass wir bald sinken? Jesus streckte seine Hand nach Heikos Schulter aus und rüttelte daran.
„Heiko, Heiko, wach endlich auf. Wir sind angekommen. Uns erst nicht schlafen lassen und dann die ganze Fahrt verboven.“
„Ich hab doch gar nicht geschlafen.“
„Na und ob, mit offenem Mund hast du geschnarcht. Eigentlich wollten wir Schekelzielwurf machen, doch dann war uns das Geld zu schade.“
„Die beiden Mädchen sind wohl schon weg?“
„Natürlich, die sind ja auch ausgeschlafener als du.“
Die Brüder machten sich auf den Weg. Es war eine schöne Strecke, und die Räder liefen. Heiko musste aber immer noch an die Geschichte mit den Fischen denken. Was heißt es für uns heute, wenn Jesus sagt: Folge mir nach? Sollen wir dann das, was in der Bibel steht, ernst nehmen und versuchen in unserem Leben umzusetzen?
Warum hatten die in der Geschichte so viele Fische im Netz? Wahrscheinlich waren die Netze voll, weil Jesus keine leeren Worte macht.

Radtour um den See Genezareth 13
„Pause“, rief Heiko seinen Brüdern zu. „Dort vorn ist ein Supermarkt, da können wir Wasser und einiges zu knabbern einkaufen.“
Im Geschäft fragte Ralf seinen großen Bruder: „Sag mal, sehen alle Supermärkte in der Welt gleich aus?“
„Ich war noch nicht in der ganzen Welt, der hier könnte auch bei uns stehen, wenn die Beschriftung der Ware auf Deutsch wäre.“
An der Kasse versuchen sich die Brüder mit der Kassiererin auszutauschen. Die konnte kaum englisch, machte ihnen aber klar, dass sie es verrückt findet, dass die drei mit dem Rad um den See fahren.
Draußen suchten sich die Brüder ein schattiges Plätzchen, um ein wenig auszuruhen.
„Komm, Heiko, wir fahren weiter“, sagte Ralf
„Nein, nein, wir liegen gut in der Zeit, und ich habe keine Lust, dass ihr mir nachher schlapp macht.“
„Dann erzähl uns wenigstens eine Geschichte“, bettelte Konrad.
„Ich weiß keine.“
„Das kannst du uns nicht erzählen, du weißt doch immer eine Geschichte, es kann auch eine von Jesus sein“, Konrad sah seinen Bruder bittend an.
„Ich weiß nicht recht“, Heiko bewegte seinen Kopf hin und her.
„Was ist denn das Problem“, fragte Ralf.
„Die Evangelisten, also die, die die Geschichten von Jesus aufschrieben, sind sich selber nicht einig. Jesus war am Ostufer des Sees in einem nichtjüdischen Distrikt. Hier war die Schweinezucht beheimatet. Juden dürfen ja kein Schweinefleisch essen. Bei der Geschichte  scheinen die Evangelisten sich nicht einig zu sein, ob sich die Geschichte in Region der Stadt Gerasa oder in der Region Gergesa abgespielt hat. Es geht hierbei wahrscheinlich um Geisteskrankheit. Außerdem kommen einmal zwei Besessene und einmal nur ein Besessener drin vor.“
„Besessene. Da kommt wohl jetzt eine Horrorgeschichte?“, Ralfs Augen wurden ganz groß.
„Naja, Horror war das schon, aber eher für die Schweinehirten.“
„Nun spann uns doch nicht auf die Folter.“
„Ich bin sicher, das war Horror für die Schweinehirten. Vielleicht ist es denen folgendermaßen ergangen:
Die Schweinehirten kamen atemlos in die Stadt, die etwa 10 km vom See entfernt liegt. Gerade kommt ihnen der Bürgermeister entgegen, der sich wundert, dass alle Schweinehirten angerannt kommen und keiner bei der Herde zu sein scheint. „Ihr spinnt wohl, wer ist denn bei den Schweinen,wenn ihr hier Wettrennen veranstaltet.“ „Wir haben eine schreckliche Nachricht, die Schweine sind tot.“
„Wieso tot? Zweitausend Schweine sterben nicht so einfach. Was habt ihr gemacht?“ Der Bürgermeister beginnt zu toben. Als er sich etwas beruhigt hatte, fragte er noch einmal und ein Schweinehirt erzählte:“ Dieser Jesus, der jüdische Wanderprediger, kam mit dem Boot über den  See, und einige seiner Leute waren dabei. Als sie an Land gingen, kam ihnen der Besessene entgegen, du weißt schon, der, der seit langer Zeit nur noch nackt herumläuft, der alle Fesseln zerreißt und der in den Grabhöhlen schläft. Unruhig wie immer rannte er auf Jesus zu und schrie ihn an. Jesus unterhielt sich mit ihm. Wir haben uns das aus der Ferne beobachtet  und darauf gewartet, dass etwas passiert. Der Besessene wurde auf einmal ruhig und schien ganz vernünftig zu sein. Plötzlich wurden alle Schweine verrückt und rannten über die Klippe in den See. Wir glauben, dass die bösen Geister von dem Besessenen in die Schweine gefahren sind.“ Mittlerweile hatte sich ein Menschenauflauf gebildet und alle zogen zur Unglücksstelle. Es wurden immer mehr, denn die Nachricht verbreitete sich in Windeseile.  Dort saß der ehemals Geisteskranke völlig normal, war angezogen und unterhielt sich mit Jesus. Die Leute waren sich schnell einig und baten Jesus darum wegzugehen. Sie  hatten sicher Angst.“
„Und das war die ganze Geschichte?“ Konrad war enttäuscht.
„Weißt du, was das für ein Verlust war? Zweitausend Schweine, das ist ein hübsches Sümmchen. Angenommen du verkaufst die Schweine für zweihundert Euro pro Stück. Den Betrag hätte ich gern in der Tasche. Außerdem hatte die ganze Region kein Fleisch mehr. Und dann sind ja noch die toten Viecher, die schwammen alle im See und quollen auf. Wenn die Tiere verwesen, wird das Wasser verseucht. Das ist eine Umweltkatastrophe, Leichengas tritt aus, die Menschen glaubten, dass die bösen Geister in den toten Schweinen hausen würden. Ich frage mich, wer die Kadaver aus dem See rausgeholt und begraben hat.  Stell dir vor, in der Nacht kommt ein Fischerboot in die Nähe. Die Fischer freuen sich darüber, dass das Netz so schwer vom Fisch ist und wenn sie ihren Fang im Boot haben, ist es ein aufgequollenes totes Schwein, das vielleicht auch noch in dem Augenblick platzt, wenn es ins Boot plumpst. Die  Fischer sterben doch in dem Augenblick vor Angst.“ Heiko hatte sich in Rage geredet.
„Wieso kommt denn so eine blöde Geschichte in die Bibel“, fragte Konrad.
„Hab ich mich auch gefragt“, sagte Heiko. „Ich glaube ,die Geschichte sagt uns, dass jeder Mensch, so komisch er sich auch gibt, ungeheuer wertvoll für Gott ist. Ich bin wertvoll für ihn, du“, Heiko zeigte auf Konrad, „ Ralf und sogar der Mensch, den wir für das größte A…loch halten. Das bedeutet, Würde des Menschen, alle Menschen sind für Gott wertvoll, wertvoller als zweitausend Schweine. Ostern feiern wir, dass Jesus sich für uns geopfert hat, dass wir mit Gott ein neues Leben anfangen können. So gesehen ist die Geschichte überhaupt nicht blöd.“
Als sie weiterfuhren, hielten die Brüder Ausschau, ob sie die Klippe am Ufer fänden, über die Schweine gestürzt waren.

Radtour um den See Genezareth 14
Heiko war einige Meter vor seinen Brüdern auf der Brücke über den Jordan. Plötzlich hielt er an, hob die Arme und schlug dann die Hände vors Gesicht. Als die Zwillinge ankamen, hörten sie ihn lamentieren: „ Der arme See, der arme See, er läuft aus.“
Ralf sah überrascht zu Konrad. „ Eh, Heiko, wieso fängst du jetzt mit meiner Rolle an. Du musst doch sagen, dass das der Jordan ist und er ins Tote Meer fließt“, sagte Konrad.
„Was, die haben hier auch noch ein totes Meer, woran ist es denn gestorben, an Durchfall?“
„Du, Heiko, wir spielen hier nicht verkehrte Welt“, sagte jetzt Ralf.
„Da seht ihr mal, wie ihr euch immer benehmt“, Heiko grinste.
Nach ein paar Kilometern machten die Drei an einem Friedhof halt. „Hier liegen eine Reihe berühmter Menschen,…“ „… die keine Sau kennt.“, vervollständigte Ralf Heikos Satz.
„Naja, wir kennen sie nicht, aber um dieses Land haben sie sich verdient gemacht.“, erwiderte Heiko.
„Sag mal, wieso liegen denn auf den Grabsteinen kleine Steinchen, ist das hier so üblich?“, fragte Konrad
„ Ja, das ist hier üblich. So weit ich weiß, kommt das aus der Zeit, in der Karawanen von Ort zu Ort zogen, um zu handeln. Meistens zogen sie durch Wüstengebiete. Starb jemand aus dem Treck, wurde er begraben. Da die Wüsten Steinwüsten sind, konnte man ihn nicht in die Erde betten, also hat man die Toten mit Steinen bedeckt. Durch Wind und Wetter oder durch wilde Tiere bestand immer die Gefahr, dass die Leichen  irgendwann offen dalagen. Um das zu verhindern, haben vorüberziehende Händlerkarawanen immer ein paar Steine auf die Gräber gelegt, die ja an den Handelswegen lagen. Kamen die Händler von ihrer Reise zurück, haben sie die Knochen der Toten ausgegraben und in die Heimat zur Bestattung mitgenommen. Daraus entwickelte sich der Brauch, auf jüdische Gräber ein paar Steinchen zu legen, wenn man sie besucht.“
Die drei blieben noch eine Weile auf dem Friedhof mit seiner schönen Atmosphäre. „ So, jetzt suchen wir uns ein Restaurant und essen Petrusfisch.“ Mit diesen Worten trieb Heiko die Zwillinge zur Weiterfahrt an.
„ Natürlich gibt es auch koschere Restaurants, die jeden Monat vom Rabbi kontrolliert werden, ob sie auch alles genau nach den jüdischen Speisevorschriften zubereiten, die sind mir aber zu teuer. Hier schmeckt es auch“, sagte Heiko, „außerdem ist die Terrasse genau am See ideal für uns.“
„Sag mal, wieso heißt der Fisch eigentlich Petrusfisch? Kommt das davon, dass Petrus Fischer war?“
„Dieser Fisch ist ein Buntbarsch und wird von den Arabern Muscht genannt. Eigentlich soll er daran erinnern, dass Jesus  Petrus aufgefordert hat, einen Fisch zu angeln, in dessen Mund sich ein Geldstück zur Begleichung der Tempelsteuer für Jesus und Petrus befinden würde. Der Muscht ist dafür jedoch ungeeignet, denn er frisst ausschließlich Plankton und kann nicht geangelt werden. Das stört die Besucher des Sees nicht, denn er ist angeblich das Beste, was der See zu bieten hat“, so Heikos Antwort.
Die Brüder ließen es sich schmecken. Zuerst teilten sie die verschiedenen Vorspeisen, dann gab es den Fisch und dann noch Kuchen. Alle drei waren pappesatt. Heiko wurde nach dem essen so müde, dass er sich an den Strand unter einen Baum legte.
„Fresskoma“, sagte Ralf und grinste.
„Sag mal, Konrad, glaubst du an ein Leben nach dem Tod?“, Ralf stellte diese Frage unvermittelt.
„Wie kommst du den darauf?“
„ Na, als wir vorhin auf dem Friedhof waren und die Berühmtheiten, die keiner kennt, besuchten, habe ich mir so meine Gedanken gemacht. Da liegst du unter der Erde, vielleicht weiß man deinen Namen oder man erzählt, was du geleistet hast, aber wer du wirklich warst, weiß man trotzdem nicht mehr.“
„Ach hör doch auf, wir sind jung und wollen leben, was interessiert uns da der Tod.“
„Weißt du, als Opa gestorben ist, hatte ich den Wunsch, ihn wieder zu sehen. Ist es da nicht berechtigt zu fragen, wie es nach dem Tod weitergeht?“
„Frag doch Mister Neunmalklug. Ich jedenfalls sage: tot ist tot. Bisher ist noch keiner wiedergekommen. Wenn du ein altes Grab ausbuddelst, findest du vielleicht noch ein paar alte Knochen, mehr nicht.“
„ Heiko ist nicht der einzige, der im Konfirmandenunterricht aufgepasst hat. Ich kann mich entsinnen, dass der Pfarrer erzählte, dass Jesus nach seiner Auferstehung noch mal am See war. Er war da eine richtige Person, obwohl sein Grab in Jerusalem leer war, so leer wie unsere Gräber nach hundert Jahren. Er hatte einen Körper, und jeder wusste, dass es wirklich Jesus war und kein Nachthemd mit Gesicht. Jesus lebt und ist auch nach dem Tod immer noch Jesus. Gott hat ihn anscheinend neu geschaffen, trotzdem bleibt er Jesus. Was mich an der Geschichte am meisten beeindruckt hat, ist, dass er für seine Jünger Frühstück gemacht hat.  Er weiß genau was, wir brauchen und wo uns der Schuh drückt, genau wie vor seinem Tod. Ich glaube, du hast mir die Frage nach dem Leben nach dem Tod ausreichend beantwortet, danke.“ Man sah wie Ralf ein Stein vom Herzen gefallen war. Konrad konnte es nicht fassen dass er seinem Bruder irgendeine Antwort gegeben haben sollte.
„Jungs, wir fahren bis zum Radverleih, geben unsere Räder ab und laufen dann zur Jugendherberge.“, Heiko war wieder aufgewacht.
„ Eine Woche Israel ist einfach zu wenig“, sagte Heiko beim Abendessen zu seinen Brüdern.
„Ich bin sicher, dass es noch viel zu sehen gibt“, sagte Konrad, „irgendetwas verpasst man immer.“
„Meiner Meinung nach war das mit der Radtour eine Spitzenidee.“, sagte Ralf,
„und Morgen brechen wir zu neuen Untaten auf.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen