Sonntag, 10. März 2019

Jesus oder Bacchus

Ihr Lieben,
heute habe ich im Gemeindehaus in den Räumen, die für die Gemeindearbeit vorgesehen waren, entdeckt, dass dort eine Bar an zentraler Stelle eingebaut wurde. Ich möchte Euch darum bitten mit mir zu beten, dass diese Bar wieder weggenommen wird. Ich bitte darum, dass keine Diskussionen geführt werden denn die werden nur als Aufforderung zu unsinnigen Machtkämpfen verstanden, die unserer Gemeinde nur schaden. Meiner Überzeugung nach ist dies ein geistlicher Kampf, den man sowieso nicht mit Diskussionen führen sollte. Letztendlich geht es darum welcher Geist in unserem Gemeindehaus regiert. Sollte im Untergeschoss Jesus und im Obergeschoss Bacchus angebetet werden? Für mich ist es bezeichnend, dass zu Beginn der Fastenzeit eine Bar ins Gemeindehaus kam. Das klingt vielleicht sehr polemisch, doch ich möchte in nachfolgenden Gedanken erläutern was ich meine.
Ich weiß, dass die Überschrift klingt wie die eines Traktes, mit dem man vor Jahrzehnten die Leute traktiert hat. Wahrscheinlich hätte ich das ungelesen weggeworfen. Trotzdem bitte ich um eure Aufmerksamkeit.
Jesus oder Bacchus
Als Kind las ich gern im Realienbuch meiner Oma. Dort fand ich auch die griechischen Göttersagen. Eigentlich waren die recht interessant. Mit einem Gott konnte ich nichts anfangen nämlich mit Bacchus. Er war für mich ein Säufer. Da mich alkoholisierte Menschen abschreckten, konnte ich nicht verstehen, wie man so einen Gott mögen kann.
Eine andere Sicht auf Bacchus vermittelte mir der Theologe Miroslav Volf in einem Nebensatz seines Buches „Von der Ausgrenzung zur Umarmung“. Dort schrieb er über Bacchus: „Der beliebteste Heilige unserer Tage.“  Mir dämmerte, dass Bacchus nicht unbedingt der Säufer war sondern einer von uns ist. Der Karren in dem er sich ziehen ließ, ist zwar nicht mit unserer Formel  1 zu vergleichen, doch er hatte Spaß. Die Glöckchen, die ihm Freude machen, haben nichts mit den Rockkonzerten unserer Tage zu tun, doch sie waren lustig anzuhören. Schöne Kleider haben zu jeder Zeit ihren Reiz. Wenn er auch ein wenig zu viel trank so hatte er doch die Freude getankt, die schon im Namen Noah, dem ersten Weinbauern der Bibel, anklang. Heute würde ich Bacchus als Lebemann bezeichnen. Und mal ehrlich, verstehen wir nicht alle mehr oder weniger zu leben? Hat Gott uns nicht all die vielen Dinge geschenkt um sie zu genießen?
Dann sehen wir Christus, den Schmerzensmann. Er hängt angenagelt am Kreuz. Keine Schönheit,  keine Kleider, die bekanntlich Leute machen, Stöhnen und Leiden, Verachtung, Schmähungen, all das sehen wir wenn wir auf Jesus blicken.
Wer ist da attraktiver? Auf den ersten Blick kann man den Schmerzensmann brauchen wie Fußpilz.
Warum hat sich der Schmerzensmann seit 2000 Jahren gegenüber dem Lebemann, der überall angebetet wird, gehalten?
Das Geheimnis liegt im Schmerz. Schmerz trägt jeder in uns. So viele Menschen es gibt so viele unterschiedliche Schmerzmischungen gibt es. Trotzdem sind wir alle gleich. Sind es Konflikte aus der Kindheit und Jugend, die wir noch herumschleppen, sind es Ablehnung und missverstanden sein, sind es Verluste und Enttäuschungen, die wir nicht verarbeitet haben, in uns liegt viel verborgen. Manchmal braucht es Jahre bis wir den Schmerz in uns entdecken, manchmal schleppen wir ihn Jahrzehnte mit uns herum. Der Schmerz ist irgendwie immer unser Begleiter.
Welche Antwort gibt Bacchus darauf? Lebe, lebe intensiv und genieße alles was Du kannst. Aber irgendwann kommt die Ernüchterung, der Kater. Manchmal kämpft sich der Schmerz auch durch und überfällt uns mitten in der Freude. Was hilft da anderes als noch  mehr Vergnügen? Sport bis zum Körperschaden, Musik bis zum Nirwana oder Alkohol bis zur Besinnungslosigkeit?
Und Jesus der Schmerzensmann, kann der helfen? Er leidet doch selber wie ein Hund. Aber ist das nicht sein Geheimnis? Jesus ist in seinem Leiden nicht attraktiv aber er weiß wie es uns geht. Er sagt: „Ich verstehe dich. Ich habe, genau so wie du, Ablehnung ertragen müssen. Meine Eltern haben mich nicht verstanden, mein Leben war alles andere als ein Zuckerschlecken.“
Trost kommt durch Nähe. Jesus will uns in unserem Schmerz nahe sein. Seine ausgebreiteten Arme symbolisieren:  „In meinem Herzen ist Platz für dich. Ich verschließe mich nicht vor dir, ich habe meine Arme extra für dich annageln lassen.  Komm mit deinem Schmerz. Du brauchst keine Angst vor dem Schmerz zu haben, wir stellen uns gemeinsam deinem Schmerz und dann wirst du wirklich getröstet. Manchmal heißt das, dass wir den Schmerz noch einmal erleiden müssen um dann zur Ruhe zu kommen, doch Jesus ist bei uns.  Ich denke das gehört auch zur Bruderschaft, dass Jesus uns Brüder und Schwestern gibt, die uns dabei begleiten, sofern wir das zulassen. Der Schmerz wird immer unser Begleiter sein denn wir leben nicht mehr im Paradies. Aber Jesus ist der Begleiter, der uns stark macht  damit wir uns unserem Schmerz stellen können.
So gesehen heißt Jesus oder Bacchus:  Schmerz verarbeiten oder Schmerz verdrängen. Alles was verdrängt wird drängt sich wieder in unser Leben. Meistens kommt es dann wenn man es nicht gebrauchen kann.
Auch wenn ich Protestant bin, kann die Passionszeit eine wichtige Zeit für mich werden. Erinnert sie mich doch an Jesu Schmerzen und an meinen Schmerz. Für mich ist das ein Aspekt von Jesaja 53,4  den ich bisher noch nicht gesehen hatte. „ Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.“
Euer Volker