Sonntag, 10. März 2019

Jesus oder Bacchus

Ihr Lieben,
heute habe ich im Gemeindehaus in den Räumen, die für die Gemeindearbeit vorgesehen waren, entdeckt, dass dort eine Bar an zentraler Stelle eingebaut wurde. Ich möchte Euch darum bitten mit mir zu beten, dass diese Bar wieder weggenommen wird. Ich bitte darum, dass keine Diskussionen geführt werden denn die werden nur als Aufforderung zu unsinnigen Machtkämpfen verstanden, die unserer Gemeinde nur schaden. Meiner Überzeugung nach ist dies ein geistlicher Kampf, den man sowieso nicht mit Diskussionen führen sollte. Letztendlich geht es darum welcher Geist in unserem Gemeindehaus regiert. Sollte im Untergeschoss Jesus und im Obergeschoss Bacchus angebetet werden? Für mich ist es bezeichnend, dass zu Beginn der Fastenzeit eine Bar ins Gemeindehaus kam. Das klingt vielleicht sehr polemisch, doch ich möchte in nachfolgenden Gedanken erläutern was ich meine.
Ich weiß, dass die Überschrift klingt wie die eines Traktes, mit dem man vor Jahrzehnten die Leute traktiert hat. Wahrscheinlich hätte ich das ungelesen weggeworfen. Trotzdem bitte ich um eure Aufmerksamkeit.
Jesus oder Bacchus
Als Kind las ich gern im Realienbuch meiner Oma. Dort fand ich auch die griechischen Göttersagen. Eigentlich waren die recht interessant. Mit einem Gott konnte ich nichts anfangen nämlich mit Bacchus. Er war für mich ein Säufer. Da mich alkoholisierte Menschen abschreckten, konnte ich nicht verstehen, wie man so einen Gott mögen kann.
Eine andere Sicht auf Bacchus vermittelte mir der Theologe Miroslav Volf in einem Nebensatz seines Buches „Von der Ausgrenzung zur Umarmung“. Dort schrieb er über Bacchus: „Der beliebteste Heilige unserer Tage.“  Mir dämmerte, dass Bacchus nicht unbedingt der Säufer war sondern einer von uns ist. Der Karren in dem er sich ziehen ließ, ist zwar nicht mit unserer Formel  1 zu vergleichen, doch er hatte Spaß. Die Glöckchen, die ihm Freude machen, haben nichts mit den Rockkonzerten unserer Tage zu tun, doch sie waren lustig anzuhören. Schöne Kleider haben zu jeder Zeit ihren Reiz. Wenn er auch ein wenig zu viel trank so hatte er doch die Freude getankt, die schon im Namen Noah, dem ersten Weinbauern der Bibel, anklang. Heute würde ich Bacchus als Lebemann bezeichnen. Und mal ehrlich, verstehen wir nicht alle mehr oder weniger zu leben? Hat Gott uns nicht all die vielen Dinge geschenkt um sie zu genießen?
Dann sehen wir Christus, den Schmerzensmann. Er hängt angenagelt am Kreuz. Keine Schönheit,  keine Kleider, die bekanntlich Leute machen, Stöhnen und Leiden, Verachtung, Schmähungen, all das sehen wir wenn wir auf Jesus blicken.
Wer ist da attraktiver? Auf den ersten Blick kann man den Schmerzensmann brauchen wie Fußpilz.
Warum hat sich der Schmerzensmann seit 2000 Jahren gegenüber dem Lebemann, der überall angebetet wird, gehalten?
Das Geheimnis liegt im Schmerz. Schmerz trägt jeder in uns. So viele Menschen es gibt so viele unterschiedliche Schmerzmischungen gibt es. Trotzdem sind wir alle gleich. Sind es Konflikte aus der Kindheit und Jugend, die wir noch herumschleppen, sind es Ablehnung und missverstanden sein, sind es Verluste und Enttäuschungen, die wir nicht verarbeitet haben, in uns liegt viel verborgen. Manchmal braucht es Jahre bis wir den Schmerz in uns entdecken, manchmal schleppen wir ihn Jahrzehnte mit uns herum. Der Schmerz ist irgendwie immer unser Begleiter.
Welche Antwort gibt Bacchus darauf? Lebe, lebe intensiv und genieße alles was Du kannst. Aber irgendwann kommt die Ernüchterung, der Kater. Manchmal kämpft sich der Schmerz auch durch und überfällt uns mitten in der Freude. Was hilft da anderes als noch  mehr Vergnügen? Sport bis zum Körperschaden, Musik bis zum Nirwana oder Alkohol bis zur Besinnungslosigkeit?
Und Jesus der Schmerzensmann, kann der helfen? Er leidet doch selber wie ein Hund. Aber ist das nicht sein Geheimnis? Jesus ist in seinem Leiden nicht attraktiv aber er weiß wie es uns geht. Er sagt: „Ich verstehe dich. Ich habe, genau so wie du, Ablehnung ertragen müssen. Meine Eltern haben mich nicht verstanden, mein Leben war alles andere als ein Zuckerschlecken.“
Trost kommt durch Nähe. Jesus will uns in unserem Schmerz nahe sein. Seine ausgebreiteten Arme symbolisieren:  „In meinem Herzen ist Platz für dich. Ich verschließe mich nicht vor dir, ich habe meine Arme extra für dich annageln lassen.  Komm mit deinem Schmerz. Du brauchst keine Angst vor dem Schmerz zu haben, wir stellen uns gemeinsam deinem Schmerz und dann wirst du wirklich getröstet. Manchmal heißt das, dass wir den Schmerz noch einmal erleiden müssen um dann zur Ruhe zu kommen, doch Jesus ist bei uns.  Ich denke das gehört auch zur Bruderschaft, dass Jesus uns Brüder und Schwestern gibt, die uns dabei begleiten, sofern wir das zulassen. Der Schmerz wird immer unser Begleiter sein denn wir leben nicht mehr im Paradies. Aber Jesus ist der Begleiter, der uns stark macht  damit wir uns unserem Schmerz stellen können.
So gesehen heißt Jesus oder Bacchus:  Schmerz verarbeiten oder Schmerz verdrängen. Alles was verdrängt wird drängt sich wieder in unser Leben. Meistens kommt es dann wenn man es nicht gebrauchen kann.
Auch wenn ich Protestant bin, kann die Passionszeit eine wichtige Zeit für mich werden. Erinnert sie mich doch an Jesu Schmerzen und an meinen Schmerz. Für mich ist das ein Aspekt von Jesaja 53,4  den ich bisher noch nicht gesehen hatte. „ Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.“
Euer Volker

Samstag, 16. Dezember 2017

Rückblick und Ausblick Dez. 2017



Freue, freue dich o Christen- und Christinnenheit

Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen des Posaunenchores,
gestattet mir einen Dank und einen Rückblick ehe ich an die letzten Dienste des Jahres erinnere.
Ich möchte mich bei Euch für die Gemeinschaft bedanken, die ich auch in diesem Jahr erlebt habe. Leider hält man so etwas ganz schnell für selbstverständlich. Für mich trägt der Posaunenchor zur Lebensfreude bei. Gebe es Gott, dass das noch lange so bleibt. Es sind nicht nur die besonderen Gottesdienste oder Erlebnisse, sondern  der normale Alltag, der mich dankbar macht. Natürlich sind wir nicht zum Selbstzweck da sondern für  Gemeinde und Gemeindinnen. Doch kann ich sagen, dass ich froh bin, dass ihr mich er- und getragen habt. Sei es bei der Beerdigung meiner Mutter sei es bei den ganz normalen Proben in denen ich wieder mal meinen „exklusiven“ Geschmack beweise oder Stücke ausprobiere, die die Testphase nicht überleben. Gerade jetzt im Winter kostet es mich immer große Überwindung zur Probe zu gehen. Nach Hause gehe ich dann immer beflügelt, doch das kommt nicht davon, dass die Probe beendet ist.
Wenn ich an die letzten Dienste denke fällt mir ein, dass ein Posaunenchorleiter nie ganz zufrieden sein darf. Gut gefallen hat mir auf dem Isserstedter Friedhof, dass wir uns durch die Resonanz des Pavillons  gut gehört haben und ein gutes Miteinander hatten. Meine Ansage die Vorspiele, wegen der Kälte, wegzulassen war gut gemeint, doch nicht gut gemacht. Am Ende hatte sich die Gemeinde dann wenigstens einen Abgesang erstritten.
Der Weihnachtsmarkt in Isserstedt hatte eine gute Resonanz. (Ich habe aber nur Leute und Leutinnen gefragt, die uns gut gesonnen sind) Patrick hat einige Dinge bemängelt, die mich zu dem Entschluss bringen auf eine Einblaszeit  zu bestehen. Der Standortwechsel hat mich sehr befriedigt, das Mikro für meinen Beitrag nicht. Daran müsste noch gefeilt werden. Für meinen Beitrag im nächsten Jahr habe ich schon Gedanken und werde sie umsetzen, sofern ich sie nicht vergesse.
Der Weihnachtsmarkt in Lüro hatte ein besonderes Flair. Der Standortwechsel an Olthoffs Carport war richtig, doch dadurch, dass der belegt und uns nur der „Katzentisch“ blieb, war das dann doch nicht so prickelnd. Wenn auch Verbrüderungs-, bzw, Verschwesterungszenen  in Folge von Glühwaain- oder Eeierpunschgenuss ausblieben, könnte unser Blasen doch noch ein wenig besser werden. Vom Einblasen abgesehen waren die Standortbedingungen nicht optimal.  Ich kann die Entscheidung Uwes, die Kuchenfrauen rauszuschmeißen, nur begrüßen. Es war natürlich wundervoll, dass ich keine Angst haben brauchte, dass die Kindereisenbahn mir meinen Nates abfuhr. Dieses Mal waren meine Befürchtungen eher die, dass meine Regio glutae Röststoffe entwickeln könnte. Ich sah die Tränen in Euren Augen. Es war nicht die Rührung sondern der Qualm. Dass Diethart in der Abschüssigen Einfahrt auf dem Gullydeckel zu stehen kam hat ihm sicherlich keinen Weihnachtsduft in die Nase getrieben. Mein Clunium blieb vom Feuerbrand verschont und  das Zusammensein bei Olthoffs hat dann den „Auftritt“ abgerundet. Bitte vormerken: Ursula Olthoff wird am 3. August 2018 80 Jahre. Wir sind alle mit Instrumenten und Instrumentinnen eingeladen!!!
Die Probe mit Frank am 11. war wieder ein Höhepunkt in diesem Jahr. Ich weiß nicht wer die Heizung angestellt hat, es war jedenfalls prima temperiert. Die Filmmusiken waren genial und als Frank zu „ Let it snow“ mit dem Bleistift den Rhythmus  am Becken  spielte, konnte ich nicht mitblasen, das Grinsen ging nicht aus meinem Gesicht. Außerdem habe ich jeden Morgen auf Arbeit „Let ist snow“ gesummt und gepfiffen. Was so eine Probe alles anrichten kann…
Nächste Probe am Montag, den 18. 12. 2017. Bitte zusätzlich das Erzgebirgsheft mitbringen.
Dienstag, den 19. 12. ist bei Niclas lebendiger Adventskalender. Er bittet um Mithilfe. Da er an diesem Tag 20 Jahre wird, wäre es schön wenn wir ihm beistehen.
Samstag, den 23, 12, sind wir um 15.00 Uhr auf dem Kleinschwabhäuser Plan angekündigt. Bitte 14.45 Uhr zum Einblasen kommen. Wir werden gemeinsam mit dem Glühwein das Vorprogramm für den Kleinschwabhäuser Chor sein, der um 16.00 Uhr in der Kirche singen wird.
Am Heiligen Abend, 24. 12. 2017 treffen wir uns um 14.45 Uhr in der Kirche zu Lützeroda.  
Um die Doppelschicht komplett zu machen geht es dann nach Kötschau, wo wir um 17.00 Uhr unseren, voraussichtlich, letzten Dienst im Jahr haben werden.
Für den 6.1. 2018 möchte ich Euch nach Kötschau einladen. Die Uhrzeit ist Verhandlungssache. Wir werden auf meinem Mist die Weihnachtszeit abblasen. Ob es Würste gibt ist noch nicht abzusehen.
Da Ralf uns im nächsten Jahr gen Amerika verlässt beauftrage ich ihn hiermit offiziell eine Gemeinde mit einem Handglockenchor zu suchen. Vielleicht gelingt es uns im nächsten Jahr im Gemeindehaus Gsh. via Skype ein gemeinsames Weihnachtskonzert zu organisieren und zu bestreiten.
Da sich unsere Reihen lichten, habe ich dem Kirchgemeinderatsvorsitzenden vorgeschlagen, dass wir uns im Gemeindebrief vorstellen, mit dem Aufruf an unentdeckte Bläser. Dafür hätte ich gern die Hilfe von M & M = Mandy und Matthias. Wenn das nicht hilft sollten wir uns überlegen wie wir den Aufruf weiter streuen.
Schönen dritten Advent
Euer Volker

Freitag, 22. Juli 2016

Predigtexperiment zu Eph. 5 8+9

Am 17.7. bat mich unsere Pfarrerin den Gottesdiesnt zu übernehmen. Als ich mich mit dem Text beschäftigte, kam mir in den Sinn dazu einige Helfer zu engagieren. einige kenne ich aus der Bläserarbeit. Für mich war das ein Experiment und ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Hier zur Predigt

Sonntag, 8. März 2015

Geschichtenandacht, Geschichte statt Andacht 2 "Franjo und das Friedenslicht"

Fanjo und das Friedenslicht eine Geschichte für Teenager, geschrieben für meine Jungbläser.
In neunundzwanzig Episoden wird, in Bezug auf die „Aktion Friedenslicht“, die jährlich (real) in der Weihnachtszeit läuft,  die Geschichte einer Pfadfindergruppe erzählt, die an dieser Aktion  auf außergewöhnlicher Weise teilnimmt. Der Gehörgeschädigte zwölfjährige Franjo setzt sich in den Kopf das Friedenslicht selbst in Bethlehem zu holen, um es am heiligen Abend in seiner Kirche auszuteilen. Natürlich ist dieses Vorhaben von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Wie es aber dennoch gelingt und welche Veränderungsich dadurch im Leben der Pfadfinder und im Leben einiger anderer Menschen ergeben, davon erzählt diese Geschichte.   Wer diese Geschichten als Andachten lesen will sollte berechnen dass er/ sie kurz vor Weihnachten fertig ist.


Franjo und das Friedenslicht I

An Gottes Dasein glauben heißt: Ich stehe nicht mehr vor einem Argument, das meine Zustimmung verlangt, sondern vor einer Person, die mein Vertrauen fordert.
C.S.Lewis,

Roberto Fischer sieht sich in der Runde um und ist zufrieden. Kaum fünf Wochen ist es her, dass das erste Treffen der Pfadfindergruppe stattgefunden hat, und schon sitzen die 6 Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 14 Jahren mit ihm und seiner Frau am Lagerfeuer und verbringen ein gemeinsames Wochenende .
„Sag mal, Roberto, wie bist du denn eigentlich auf die Idee gekommen eine Pfadfindergruppe zu gründen?“, fragt Adrian Steinbrecher. Adrian, der Sohn des Pfarrers, ist für sein vorlautes Mundwerk bekannt.
Roberto zuckt mit den Achseln.
„Na irgendwie musst du doch drauf gekommen sein.“
„Ich glaube, es war Gottes Wille.“, sagte Roberto.
„“Wie Gottes Wille? Hat er dir gesagt, dass du das machen sollst?“
Jetzt schaltete sich Leo ein: „Wenn jemand mit Gott redet, sagt man, das er betet. Wenn jemand sagt: Gott hat zu mir gesprochen, -schickt man ihn in die Klappse.“
„ Ich kann mir das nicht vorstellen, wie Gott dir das gesagt hat“, erwiderte Adrian, „da kam wohl ein Engel mit einer verbeulten Trompete, trötete hinein und rief dann: Gott will, dass Roberto eine Pfadfindergruppe aufmacht?“
„Ach Jungs, das ist doch gar nicht so kompliziert. Ich hatte über Wochen hinweg innerlich den Wunsch, dass ich so etwas machen will. Da man nicht jeder Idee nachspringen sollte, die man hat, habe ich einige Zeit gewartet. Als ich die Gedanken nicht mehr los wurde, fragte ich  Miriam“, er zeigte auf seine Frau.
„Ach, und die hat dann Gottes Willen verkündet?“, Adrian sah Roberto kritisch an.
„Das wäre dann ja wie bei uns zu Hause, da verkündet Mutti auch immer, was gemacht wird“, meinte Leo. Er stützte den Kopf auf die Hand und sah zu Roberto. „Gesetzt den Fall, es gibt Gott, und gesetzt den Fall, er hat die Erde gemacht und das Weltall mit seinen unvorstellbaren Entfernungen, meinst du wirklich, dass er so einem Fliegenschiss, wie wir Menschen sind, seinen Willen verkündet?“
Roberto holte tief Luft. Ein philosophisches Gespräch hatte er nicht erwartet. „Wir beten doch jede Pfadfinderstunde das Vaterunser. Darin gibt es den Satz: Dein Wille geschehe. Also glaubt die Christenheit, dass es einen speziellen Willen Gottes gibt. Ich denke, dass Gottes Wille in den 10 Geboten erkennbar ist und durch vieles, was in der Bibel steht. Außerdem glaube ich, dass es noch einen Willen Gottes gibt, der nur für mich oder auch nur für dich gilt. Es kann eine Aufgabe sein, die nur du tun kannst und sonst kein anderer. Und diese Aufgabe zu finden und auszufüllen gibt unserem Leben Sinn. Mancher Mensch bekommt so eine spezielle Aufgabe, mancher muss einfach nur die Aufgaben anpacken, die vor ihm liegen. Gott braucht keinen Engel mit verbeulten Trompeten, sondern Menschen, die ihn ernst nehmen.“
„Aber trotzdem, wie hast du dann gewusst, dass das Gottes Wille ist“, hakte Leo noch mal nach. „Miriam und ich haben gemeinsam gebetet und gefragt, was Gott will.“
„Und dann kam der große Gong?“ Adrian konnte es nicht lassen, seine Kommentare dazuzugeben.
„Wir wussten danach noch nicht, ob ich mir die Sache eingebildet hatte oder nicht. Nach drei Tagen sagte Miriam, ich solle die Angelegenheit mit dem Pfarrer besprechen und abwarten wie der entscheidet. Der Pfarrer war dafür, und ich habe die Einladung geschrieben.“
„Und jetzt weißt du, dass das Gottes Wille war?“, Leo sah ungläubig zu Roberto.
„Es ist Gottes Wille, denn bei meinem Vater muss ein Wunder geschehen, wenn der zulässt, dass jemand in der Gemeinde etwas macht, das nur im Entferntesten nach predigen aussieht. Ich konnte es nicht fassen, dass er Roberto erlaubt hat, Andachten in unserer Stunde zu halten“, Adrian schüttelte mit dem Kopf:
„Also doch Gottes Wille? Na mal sehen, wie das weitergeht.“, skeptisch beendete Leo das Thema.
„Wisst ihr noch, was meine erste Frage an euch war?“, Roberto sah in die Runde.
Kerstin schaltete sich ein: „Du wolltest wissen, warum wir in christliche Pfadfindergruppe gehen wollen“.
 „Und du hast gesagt, dass du dich in der Stadt verlaufen hast. Deshalb hat dich dein Vater zu uns geschickt“, Adrian grinste.
„Na und, du hast doch nur einen Deal mit deinem Vater gemacht. Entweder Pfadfinder oder Gottesdienst, da hast du dich für die Pfadfinder entschieden.“
„Das war wenigstens eine kluge Wahl. Besser als sich verlaufen.“
„Ach, du bist ja blöd.“
„Du auch.“
„ Adrian Steinbrecher, ich hasse dich.“
„Kerstin Blümler, ich hasse dich auch.“
Miriam Fischer sagte: „Was sich neckt, das liebt sich.“
„Den, nie. Die nie.“ Die Worte kamen wie aus der Pistole geschossen. Beide Streithähne bekamen einen roten Kopf und schwiegen.
„Na, und ich hatte gedacht wir machen hier so eine Art Computerkurs, bei dem man versteckte Computerpfade aufstöbern lernt“, der dicke Robert, den alle den schwarzen Ritter nennen, meldete sich zu Wort. Schwarzer Ritter heißt er wegen seiner Vorliebe für Computerspiele, in denen es um Ritter geht. „Na, da warst du sicher enttäuscht. Wieso bist du dann wiedergekommen?“ fragte Leo. „Meine Eltern haben gesagt, ich soll zu euch, damit ich nicht zu Hause versaure.“
„Und du, Karsten? Wieso bist du zur der ersten Pfadistunde gekommen?“, Leo sah Karsten an, der den ganzen Abend noch nichts gesagt hatte.  „Ich wollte mal sehen.“
„Und er sieht heute noch“, Adrian gab sein Schweigen auf.
„Was wollen wir jetzt machen?“, Roberto dachte daran, die Pfadfinder ins Bett zu schicken.
„Wir singen noch ein paar Lieder“, sagte Karsten.
„Ooch, wir haben doch schon alle durch“ protestierte Adrian. „Da fangen wir eben von vorne an.“ Roberto traute seinen Ohren kaum. Karsten, der sonst so gut wie gar nichts sagt, der, der genau so schlecht wie die anderen sang, dem lag so viel am gemeinsamen Singen. „Gut, wir singen noch mal: `Wir lagen vor Madagaskar, und dann folgt die Abendandacht.“
Das Lied klang kläglich wie immer. Roberto spielte Gitarre. Miriam und Kerstin sangen halbwegs richtig, die Jungen brummelten vor sich hin, und Franjo, der gehörgeschädigt ist, krächzte irgendetwas dazu.
„In unseren Andachten werden wir uns mit Joseph beschäftigen.“
„Den kenn ich, ich musste den mal zu Weihnachten spielen, weil die Jungen zu faul dazu waren“, Kerstin sah Adrian triumphierend an.“
„Ach, unser Girlscout wieder. Die Jungs sind nur zu vernünftig, um solchen Kinderkram mitzumachen.“
Ehe: „Adrian Steinbrecher, ich hasse dich“ erklingen konnte, schaltete sich Roberto ein.
„Der Joseph, um den es geht, lebte etwa 1300 Jahre vor Jesus. Er war der elfte von zwölf Brüdern. Die Brüder nannten ihn Träumer, weil er immer wieder Träume hatte. Damals dachte man, solche Träume sind von Gott und würden die Zukunft vorhersagen. Joseph war der Lieblingssohn seines Vaters, die Mutter war schon tot. Die anderen Brüder hatten ganz normale Gewänder an, Joseph bekam einen ganz besonderes Gewandt. Die Zwölf gehörten zu der Nomadenfamilie von Jakob. Die Brüder zogen mit der Herde durch das Land. Joseph kam zu ihnen, horchte sie aus  und erzählte das Gehörte dem Vater weiter.“
„Da war er ja eine Petze.“ Man hörte deutlich, Adrian begann den Helden der Geschichte zu verachten.
„Eines Tages hatte er den Traum, dass er eine Ähre war und dass sich elf Ähren vor ihm verneigten. Die Brüder merkten was der Traum bedeutete, Gott will, dass Joseph ihr Chef werden sollte. Darüber waren sie gewaltig sauer. Als er dann noch einen Traum hatte, der auch noch aussagte, dass sogar sein Vater ihn als Chef anerkennen würde, begannen sie ihn zu hassen. Eigentlich wollten sie ihn ermorden, doch der Große Bruder schreckte davor zurück und überredete die anderen, ihn in eine Zisterne zu werfen.“
„Was ist eine Zisterne?“ „Ach, unser Girlscout wieder, ein riesiges zugedecktes Loch, um Regenwasser zu sammeln und aufzuheben“, sagte Adrian.
„Und dann?“, fragte Leo.
„Dann haben ihn seine Brüder oder andere, die ihn entdeckten, verkauft.“
„ Da hätte der Joseph  Gottes Willen, oder das, was er dafür hielt lieber für sich behalten sollen“, meinte der schwarze Ritter, „ich kenn da ein Computerspiel…“
„Oooch, fang nicht damit an“, sagte Adrian „ich kenn die Geschichte aus der Christenlehre. Die geht noch gut aus, und Joseph wird noch Chef.“
„Ja“, sagte Roberto, „ die Geschichte nimmt noch einen guten Ausgang. Hier wird davon erzählt, dass es eine göttliche Aufgab gab, die nur Joseph erledigen konnte. Sogar Josephs Fehler haben Gott dabei geholfen, dass sein Wille geschieht.“
„Na, dann ist doch alles gut. Es kommt eben immer alles, wie es kommen muss“, Leo erhob seinen Zeigefinger.
„Glaub ich nicht“, erwiderte Roberto, „ wir werden später sehen, dass Joseph immer nach Gottes Willen gesucht hat und ihn  ausführen wollte. Das hat ihm geholfen, seinen Weg zu finden. Gott kann sogar aus den Dummheiten, die wir machen,  immer noch etwas Gutes werden lassen, das wollte ich euch heute Abend mit der Josephsgeschichte sagen.“
„Na, wenn das so ist…“, Adrian grinste.
„Untersteht euch“, Roberto hob den Zeigefinger. „So war das nicht gemeint.“ 



Franjo und das Friedenslicht II
Ein einziges Wort, wenn es nur ins Herz dringt - dann wird das Herz verwandelt.
Phil Bosmans

„Es war ein langer Tag, jetzt aber ab in die Zelte.“ Roberto war froh, dass er sich hinlegen konnte. Der Tag war aber auch wirklich anstrengend. Um ein möglichst langes Wochenende miteinander zu verbringen, hatten sich die Pfadfinder verabredet, schon am Freitagnachmittag aufzubrechen. Am Treffpunkt wartete Roberto mit dem Auto. Er musste das Gepäck zum Wald bringen, in dem sie übernachten. Die Jungen, sowie Kerstin und Miriam würden mit dem Zug nachkommen und ein paar Kilometer bis zum Auto laufen. Vom Auto waren es dann noch zwei Kilometer bis zur Lichtung, in der die Zelte aufgebaut werden sollten. Jeder der Pfadfinder hatte einen Teil des Pfadfinderzeltes, eine Kothenplane, bekommen. Diese Plane mussten sie zu Hause aufbewahren und zum Zeltlager mitbringen. Robertos Absicht war es, so den Pfadis zu zeigen, dass jeder wichtig ist. Wenn jemand aus der Gruppe seinen Teil nicht beiträgt, würden buchstäblich alle im Rege sitzen. Da Kerstin und die Jungen  nicht im gleichen  Zelt schlafen wollten, hatte Roberto Planen für eine Kothe und eine Kröte, der kleineren Schwester der Kothe, ausgegeben. Als alle am Treffpunkt angekommen waren und Roberto nach den Planen fragte, stellte sich heraus, dass der schwarze Ritter seine Plane vergessen  hatte.
Adrian nahm ihn sich zur Brust: „Du denkst wohl, ich will in dieser Nacht frieren oder  Mäuse im Gesicht haben, nur weil du es nicht für nötig hältst, deine Pflicht zu tun?“
„Ich dachte, Roberto wird schon noch eine Plane mehr mit haben“, sagte Robert kleinlaut.
„ Wir brauchen deine Plane. Jetzt gehst du nach Hause und holst sie. Aber beeil dich, sonst verpassen wir den Zug. Flink, flink.“
Robert wollte zwar noch widersprechen, aber er sah, dass mit Adrian nicht zu spaßen war.
„Das kommt davon, dass du deine Pflichten nicht ernst nimmst“, Adrian klang wie Roberts Eltern.
Zum Glück waren alle zeitig genug am Treffpunkt, um, trotz dieses Zwischenfalls, pünktlich zum Zug zu kommen.
Als sie, nach langer Wanderung am Auto ankamen, war Robert schon völlig fertig.
„Wann sind wir denn endlich am Ziel“, maulte er. „ Reiß dich zusammen“, raunzte Adrian ihn an. Alle, auch Miriam und Kerstin, packten ihre Rucksäcke, und weiter ging’s.
„Kräftig, kräftig, unser Grilscout“, Adrian konnte es nicht lassen, Kerstin zu necken.
„Denkst du denn, wir Frauen sind aus Zucker?“, fragte Kerstin.
„Na ja, aus Zucker nicht, aber dass du deinen Rucksack trägst, ohne zu zicken?“
„Adrian Steinbrecher, ich hasse dich“, Adrian hatte es wieder mal geschafft.
„Das hast du kostenlos“, war seine Antwort.
Das Zusammenknüpfen der Zeltbahnen dauerte eine Weile, doch Roberto war erstaunt darüber, dass sich die Jungpfadfinder so geschickt anstellten. Als die Stangen für das Zelt aufgerichtet waren und die Zeltplanen daran befestigt, brach Robert zusammen. Er jammerte über seine Beine. Große Tränen kullerten über sein Gesicht. Miriam nahm sich seiner an.
„Na, mit solchen Strümpfen geht man auch nicht auf Wanderschaft.  Mit solchen Nylonsocken holt man sich natürlich Blasen. Hast du denn keine Baumwollstrümpfe?“
„ Ich weiß doch nicht, wie Baumwollstrümpfe aussehen, und meine Mutter hatte keine Zeit, welche rauszulegen.“
Die Blasen, die Robert sich gelaufen hatte, waren ganz schön groß. Er konnte sich jetzt setzen, während die anderen Holz für das Lagerfeuer sammelten, die Feuerstelle vorschriftsmäßig einrichteten und das Feuer entzündeten. Miriams Pflege ließ er sich gern gefallen.
„Na, du erinnerst mich an meinen Mann, wenn er verletzt ist“, lachte Miriam. Sie konnte den kleinen Dicken gut leiden. Als die Blasen versorgt waren, bekam Robert ein paar Baumwollstrümpfe aus Robertos Vorrat.
Nachdem der Küchendienst eingeteilt war, zeigte Roberto den Pfadfindern, wie man am offenen Feuer und mit Zuhilfenahme eines Gaskochers eine Mahlzeit zubereitet.
„Das solltest du öfters machen, ich wusste gar nicht, dass du solche Qualitäten besitzt“, Miriam lachte laut und schien es zu genießen, ihren Mann kochen zu sehen.
Als sie gemeinsam im Frauenzelt lagen, gegen den Ausdruck Mädchenzelt hatte Kerstin Protest eingelegt, ging Miriam der Tag noch einmal durch den Kopf.
„Kannst du auch nicht schlafen?“, fragte Kerstin.
„Nein“
„Wollen wir noch mal rausgehen und uns unterhalten?“
„Von mir aus.“
Draußen war es dunkel. Die Geräusche des Waldes waren zu hören, und aus der Kothe drang Schnarchen.
„Weißt du, als Roberto fragte, warum ich zu den Pfadfindern wollte, habe ich davon erzählt, dass ich mich in der Stadt verlaufen hatte.“
Eigentlich wollte Miriam den Nachthimmel genießen und hatte keine Lust zu tiefschürfenden Gesprächen, doch etwas in Kerstins Stimme sagte ihr, dass sie zuhören sollte.
„Mein Bruder hat Mukoviszidose.“ 
„Was hat er?“
„Das ist eine Krankheit, die von einem Gendefekt kommt. Dabei geht vieles in seinem Körper durcheinander, besonders schlimm ist, dass seine Lunge verschleimt und er keine Luft bekommt.“
„Das ist ja schrecklich“, meinte Miriam, „ da müsst ihr ihn sicher aufwändig pflegen.“
„Genau das ist ja das Problem, alles dreht sich um Roland, niemand hat mal Zeit für mich. Kerstin mach dies, Kerstin mach das, immer muss ich mich um ihn kümmern. Meine Eltern müssen beide arbeiten gehen, da bin ich oft nachmittags mit ihm allein zu Hause. Wenn er dann wieder Lungenentzündung hat, muss ich Schleim bei ihm absaugen oder Sauerstoff geben. Manchmal schaffe ich kaum meine Hausaufgaben. Wenn ich mal ein Problem habe, habe ich niemanden, den ich fragen kann. Einmal hat sich Mutti Zeit genommen, mir zuzuhören. Sie saß neben mir auf dem Sofa. Ich erzählte, bis ich merkte, dass sie eingeschlafen war. Manchmal hasse ich meinen Bruder. Alle kümmern sich um ihn, aber bei mir merken sie nur, wenn ich etwas nicht geschafft habe oder eine Zensur zu schlecht ist.“
„Hasst du ihn so, wie du zu Adrian sagst: ich hasse dich?“
„Ach, mit Adrian, das ist doch nur Quatsch. Meinen Bruder könnte ich manchmal umbringen. Nur, dann kann ich mich deswegen selber nicht mehr leiden. Er ist doch mein Bruder.“
Miriam hörte aufmerksam zu. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Spontan nahm sie Kerstin in die Arme. Kerstin weinte. Als sie sich beruhigt hatte, erzählte sie weiter.
„Vor ein paar Wochen hatte Mutti mir versprochen, einen Nachmittag nur für mich freizuhalten. Aber gerade an unserem Nachmittag bekam Roland wieder Probleme. Wir fuhren gemeinsam in die Stadt, doch nur zur Klinik. Als wir Roland abgeliefert hatten, stand ich im Flur herum. Ich war so sauer, dass ich in die Stadt gelaufen bin. Ich lief und lief. Sollten sie doch sehen, wie sie ohne mich klarkommen. Es kümmert sich doch sowieso keiner um mich. Irgendwann war ich in einem Stadtteil, den ich nicht kannte. Natürlich hätte ich zurückgefunden, aber ich war so sauer, dass ich wollte, dass sie mich suchen. Mit der Zeit verrauchte die Wut, und ich habe mich geschämt. Meinem Vati hatte ich dann die Geschichte erzählt, dass ich mich verlaufen habe.“
„Ich kann verstehen, dass du verletzt bist, weil sich alles um deinen Bruder dreht. Da musst du kein schlechtes Gewissen haben.“
„Das ist ja nicht alles. Als mein Bruder dann wieder zu Hause war, war ich allein mit ihm. Er bekam immer schlechter Luft und konnte sich selber nicht helfen. Ich hätte Schleim absaugen müssen und Sauerstoff geben. Ich war aber so voll Wut, dass ich den Walkman laut gestellt habe, um sein Röcheln nicht zu hören. Ich wollte, dass er stirbt. Ich wollte endlich meine Ruhe und meine Eltern auch mal für mich.“, Kerstin schluchzte erneut.
„Und was ist dann aus ihm geworden, ist er gestorben?“
„ Nach einer Weile ist mir ein Heft vom Tisch gefallen, und als ich mich bückte, fiel mein Blick auf Roland. Er war schon blau im Gesicht. Ich bin dann gleich aufgesprungen und habe versucht, Schleim abzusaugen, doch er war bewusstlos. Dann habe ich das Sauerstoffgerät geholt und ihm irgendwie versucht Sauerstoff zu geben und den Notarzt gerufen. Zum Glück kam der und hat ihn mit Mühe wieder belebt. Er nahm ihn mit ins Krankenhaus. Ich wollte dass Roland stirbt. Bin ich jetzt eine Mörderin?“
Miriam brauchte einige Zeit, ehe sie antworten konnte.
„ Dein Bruder lebt doch, da war es kein Mord. Wichtiger ist es aber, wie du dich fühlst“, meinte sie dann.
„Ich sehe immer wieder das Bild vor mir, wie er blau angelaufen da liegt, und dann weiß ich, dass ich ihn eigentlich umgebracht habe. Meistens kann ich nicht einschlafen und wache mitten in der Nacht auf und sehe ihn dann blau angelaufen vor mir. Ich fühle mich wie eine, die ihren Bruder umgebracht hat. Was soll ich denn machen?“
Miriam schwieg lange. „ Mir fällt da ein Bibelvers ein: Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, so soll sie doch schneeweiß werden...“
„Und was bedeutet das? Mord ist Sünde, das weiß ich, und blutrot verstehe ich aber den Rest?“
„ Wenn wir etwas Böses getan haben oder etwas Böses gewollt, dann klebt das an uns. So wie du das Bild von deinem Bruder nicht loswirst, so werden wir das Böse nicht los. Wenn wir dann keine Chance zum Neuanfang bekommen ist, dann unser ganzes Leben verdorben.“
„Aber wie kann man denn von Neuem anfangen?“
„Wenn du willst schließen, wir die Augen und denken daran, dass Gott jetzt bei uns ist. Du erzählst  Gott alles, was du mir erzählt hast. Dann erinnern wir Gott an diesen Bibelvers und bitten, dass er dir die Schuld verzeiht.“
„Ist das alles?“
„ So ein Neuanfang bedeutet, dass man dann das wieder gutmacht, was man wieder gutmachen kann. Ich denke, dass du nichts wiedergutzumachen hast.“
Kerstin und Miriam schlossen die Augen: Miriam begann mit dem Gebet, da Kerstin nicht so recht wusste, wie sie anfangen sollte. Dann erzählte Kerstin Gott alles, was sie auf dem Herzen hatte.  Zum Schluss erinnerte Miriam Kerstin an diesen Bibelspruch und sagte, dass Gott ihr vergeben hat. Nachdem sie beide Amen gesagt hatten, erlebte Kerstin eine ungekannte Freude. Zuerst war es so als ob die schwere Last, die sie bislang mit sich herumschleppte, langsam leichter wurde und verschwand. Dann spürte sie, wie es ihr immer leichter ums Herz wurde, bis sie ein freudiges Kribbeln in sich spürte, das zuletzt bis in Finger- und Zehenspitzen fuhr.
Kerstin umarmte Miriam. Sie hätte die ganze Welt umarmen können.
Nach einer Weile verstummte das Schnarchen im Zelt der Jungen.
„ Wir müssen aber auch schlafen, sonst sind wir morgen platt“, sagte Miriam. „Wie wäre es wenn du ab und zu  uns kommst, da machen wir einen Kerstinnachmittag. Oder ich passe mal auf deinen Bruder auf, und du hast Zeit, mit deiner Mutter zusammen zu sein?“
„Darüber reden wir morgen“, sagte Kerstin, „ich bin jetzt noch so froh, so eine Freude habe ich noch nie erlebt.“
„Es ist nicht alltäglich, dass Gott uns im Innersten berührt. Manchmal begegnet er uns und lässt solch eine Freude zurück, manchmal ist es auch anders. So wie er will.“
„Dass man Gott so erfahren kann, hätte ich nicht erwartet“, sagte Kerstin.
„Gute Nacht, Kerstin“, sagte Miriam, „wenn wir nicht ausgeschlafen sind, tanzen uns die Kerle morgen auf dem Kopf herum.“
So gut wie in dieser Nacht hatte Kerstin lange nicht geschlafen.



Franjo und das Friedenslicht III
 Man kann den Leuten in einer Viertelstunde weit mehr predigen, als sie in zehn Jahren tun werden.
Martin Luther

Roberto kroch aus der Kothe. Er fröstelte ein wenig. Reif lag auf der Lichtung, und vom Lagerfeuer glomm noch ein wenig Glut. Auch den anderen Pfadfindern war es kalt geworden, so kamen sie alle hinter Roberto aus dem Zelt.
„Guten Morgen“, sagte Roberto laut, doch es kam kaum eine Antwort.
„Adrian, wie heißt eigentlich dein Lehrer?“
„Was für ein Lehrer?“
„Na, der in der Schule.“
„Meinst du meinen Klassenlehrer?“
„Meinetwegen auch der.“
„Herr Seifert, warum fragst du?“
„Sag ihm mal schönen Gruß, er hat versagt.“
„Wieso versagt?“
„Er hat euch noch nicht einmal das Grüßen beigebracht.“
„Hä“, Adrian sah Roberto komisch an.
„Das Elementarste scheint ihr nicht zu können.“
„Was?“, Adrian wusste immer noch nicht, was Roberto wollte.
„Am Morgen sagt man Guten Morgen, tagsüber Guten Tag und abends Guten Abend.“
„Ja und?“
„Na, ihr scheint das alle noch nicht gelernt zu haben.“
„Man kann’s ja auch übertreiben“, sagte Leo.
„Glaube ich nicht. Wer ordentlich grüßt, kommt besser durch die Welt“, war Robertos Antwort.
„Was ist denn am `Guten Morgen´ so besonderes?“ wollte jetzt Robert wissen.
„ Ist doch ganz einfach. Wenn du irgendwo hinkommst und ordentlich grüßt, wissen alle, dass du da bist.“
„Und das ist wichtig?“, Adrian wollte das mit dem Grüßen nicht in den Sinn.
„Natürlich, manchmal, besonders wenn man irgendwo neu ist… , man ist unsicher oder man weiß nicht, wen man antrifft, dann ist es schon mal sehr hilfreich, wenn man mit einem selbstbewussten Gruß das Eis bricht.“
„Meinst du“, fragte Robert.
„Das hilft, den ersten Anfang zu machen. Außerdem signalisierst du den Leuten, dass du nicht arrogant bist.“
„Wieso“, fragte Adrian.
„ Wer nicht grüßt oder freundlich dankt, wird oftmals als überheblich empfunden. Ordentlich grüßen ist die halbe Miete. Kommen Ältere, dann grüßen die Jüngeren zuerst. Man bemüht sich dabei, freundlich zu sein, aber nicht zu übertrieben.“
„Man, du machst da eine Wissenschaft draus“, sagte Leo.
„Knigge lässt grüßen“, antwortete Roberto, „ grüßen kostet nichts, aber manchmal bringt es mehr, als ihr euch vorstellen könnt.“
Kerstin und Miriam krochen aus ihrer Kröte.
„Guten Morgen“, sagten die beiden.
„Guten Morgen“, kam es im Chor zurück.
„ Na, Roberto hat euch wohl was fürs Leben beigebracht“; lachte Miriam.
„ Ich weiß nicht, vielleicht machen wir heut Abend in der Kothe Feuer, es war doch recht frisch“, dachte Roberto laut nach.
„Roberto“, Adrian konnte das nicht glauben, “ du willst wohl das Zelt abfackeln?“
„ Keine Angst, Oben können wir die Planen so zurückklappen, dass der Rauch abzieht. Wir machen auch nur ein kleines Feuer und keinen Scheiterhaufen.“
„Ich weiß nicht“, sagte Miriam, „ wenn die Jungen dann heimkommen, riechen sie doch wie Räucheraal.“
„Riechen sie doch jetzt schon, aber mal sehen. Waschen, Holz sammeln und Feuer machen sonst gibt es kein Frühstück.“
„Ich mache heute Tag der Sau“, sagte Robert. Er hatte keine Lust, sich zu waschen.
„Gut, dann machst du Feuer. Unter der Plane liegt trockenes Gras. Das legst du auf die  Glutreste und bläst ein wenig in die Glut. Dann brennt das Gras an. Dann legst du kleine Holzstückchen drauf, und wenn die brennen, größere. Ehe das Holz aufgebraucht ist, kommen wir mit neuem. Mach aber die Augen zu, wenn du in die Glut bläst, sonst bekommst du vielleicht einen Funken rein.“
Die Pfadfinder wuschen sich, während Robert versuchte Feuer zu machen.
„Au, Au“, rief er auf einmal laut.
Roberto rannte zu ihm und sah sich den Schaden an.
„Ich habe Glut ins Auge bekommen.“
Es war nicht so. Auf dem Augenlid war ein rotes Pünktchen zu sehen, aber Robert war jetzt schrecklich krank. Er brachte sogar eine Träne hervor.
„Komm, ich habe ein gutes Mittel gegen Verbrennungen“, sagte Adrian. „Leg dich hin, ich bin gleich wieder da.“
Robert legte sich hin und schloss die Augen. Er ließ sich bereitwillig bemuttern.  Nach einer kleinen Weile kniete Adrian sich neben Robert, spitzte den Mund und ließ einen Tropfen Spucke auf Roberts Auge tropfen.
„Iiih, du Schwein“, rief Kerstin, „spuckst Robert ins Auge.“
„Was, Spucke“, schrie Robert, sprang auf und lief zum Waschplatz, um sich gründlich zu waschen. Spucke im Gesicht konnte er überhaupt nicht leiden, denn seine Mutter hatte früher öfter ins Taschentuch gespuckt, um ihm das Gesicht abzuputzen.
„So viel zum Tag der Sau“, lachte Adrian.
„Robert, setz Wasser auf, damit es heiß ist, wenn wir wiederkommen“, rief Roberto und ging mit den Pfadfindern zum Holzholen. 
Als alle mit Holz auf dem Arm wiederkamen, freuten sie sich aufs Frühstück.
„Das Wasser ist aber noch nicht heiß“, sagte Robert entschuldigend.
Roberto sah in den ‚Kessel. „Man, das kann ja auch nicht heiß sein, wenn du zwanzig Liter in den Kessel schüttest. Wir wollten doch nicht baden.“ Roberto schüttete das meiste Wasser wieder in den Wasserbehälter.
„Und nun?“, fragte Adrian.
„Jetzt erzählt uns Roberto, wie es mit Joseph weiterging“, sagte Leo.
Alle setzten sich ans Feuer und Roberto überbrückte die Zeit.
„Joseph wurde nach Ägypten verschleppt und an einen Herrn Potifar verkauft. Potifar war so etwas wie Minister des Pharao und sein Security Chef. In der Bibel steht: Und der Herr war mit Joseph, so dass er ein Mann wurde, dem alles glückte.“
„Und das hat Gott gemacht“, fragte Leo skeptisch.
„ Stell dir vor, du bist aus einer Nomadenfamilie, die mit ihrer Herde durch das Land zieht. Dann kommst du in so eine hochkomplizierte Gesellschaft wie die in Ägypten. Das ist ein Kulturschock. Außerdem bist du nun kein freier Mann mehr, sondern als Sklave auf Gedeih und Verderb deinem Herrn ausgeliefert.“
„Ich hätte als Sklave passiven Widerstand geleistet. Da fällt eben mal eine Tasse herunter oder ein Teller, Wasser läuft über oder, oder, oder“, meint Leo
„Genau das hat Joseph nicht gemacht. Verständlich wäre es gewesen, genau so verständlich hätte ich es gefunden, wenn er von Selbstmitleid verzehrt worden wäre. Vielleicht war er zuerst nicht im Haus, sondern auf dem Feld. Jedenfalls hat er alles, was er man ihm auftrug, ordentlich gemacht. So etwas nennt man zielorientiert arbeiten. Eben nicht hacken, und das Unkraut noch drin lassen oder kehren und den Dreck liegen lassen. Wenn ich mir überlege, was ich mit meiner Arbeit erreichen will und auf mein Ziel hinarbeite, ist das etwas anderes, als wenn ich lustlos meinen Auftrag ausführe. Das haben sicher auch die anderen Sklaven und Josephs Vorgesetzte bemerkt.  Die Arbeit ging ihm von der Hand, was er machte, hatte Hand und Fuß, man konnte ihm verantwortungsvollere Jobs geben, und wenn man ihm etwas erklärte, fiel es auf fruchtbaren Boden. Das hat den Vorgesetzten Josephs Freude gemacht, und sie haben ihm mehr erklärt, als sie mussten. Mit Joseph zusammen zu arbeiten machte Spaß, und irgendwann wurde Potifar auf ihn aufmerksam. Wahrscheinlich hat Joseph nicht hinterm Rücken über seinen Chef gelästert, sondern er versuchte aus seiner persönlichen Situation das Beste zu machen. Er war loyal.“
„Und was hat das mit Gott zu tun?“, fragte Leo.
„Joseph hat nach den Prinzipien gelebt, die für gläubige Menschen gelten. Er hat sich nicht dem Selbstmitleid hingegeben, sondern Gott vertraut, dass aus seinem Leben noch etwas werden kann. Er war ein Mensch, dem man vertrauen kann. Er war fleißig, und er war ehrlich.“
„Na, der Ehrliche ist immer dem Dumme“, meinte Leo.
„In diesem Fall nicht. Joseph wurde nach einigen Jahren der Oberste im Hause von Potifar. Mit siebzehn Jahren wurde er verkauft. Schätze mal, dass er Anfang oder Mitte zwanzig war, als er zum Obersten Verwalter wurde. Das war sicher genau so anspruchsvoll, wie heutzutage ein mittleres Unternehmen zu leiten. Sein Herr hat Joseph alles in die Hand gegeben und  sich um nichts mehr gekümmert. Außerdem ist das nicht immer so, dass der Ehrliche immer der Dumme ist. Viele Menschen merken, ob sie dir vertrauen können, und das kann auf Dauer sehr hilfreich sein.“
„Trotzdem, sagtest du nicht, dass ihm alles glückte weil Gott mit ihm war? Was hat denn Gott damit zu tun?“
„Na erstens wirken die Prinzipien, die für Gläubige gelten sollten zu einem gewissen Grad von allein. Dann hat Joseph verantwortlich gelebt. Wer sich bewusst ist, dass er sein Leben vor Gott verantworten muss, lebt bewusster. Dann war er fleißig. In anderem Zusammenhang sagte Gott in der Bibel: `Ich will dich segnen in allem, was du tun wirst. ´ Wenn du nichts tust kann er dich nicht segnen, wenn du viel machst, umso mehr.“
„Logisch“, sagte Leo
„Ja und dann kommt dazu, dass Gott Joseph Intelligenz gab.“
„Na, da denkt doch jeder, dass er dabei nicht zu kurz gekommen ist“, schaltete Adrian sich ein.
„Außerdem ist es so, dass wir, trotz aller Bemühungen, immer wieder an Punkte kommen wo wir Glück, oder eben Gottes Segen brauchen, wenn unsere Arbeit gelingen soll. Manchmal hilft uns jemand, den wir vor Tagen noch nicht kannten, oder jemand  gibt uns einen Tipp, ohne den es nicht weitergeht. Das alles zusammen macht den Satz aus: Und der Herr war mit Joseph, so dass er ein Mann wurde, dem alles glückte.“
„Wasser kocht“, rief Robert.
„Frühstück“, rief Kerstin.
„Aber ich will nachher endlich wissen, wie es mit Josef weiterging“, rief Leo.     


Franjo und das Friedenslicht IV
Der Kluge bemerkt alles, der Dumme macht über alles eine Bemerkung.
Arno Backhaus

„Es geht doch nichts über Frühstück am Lagerfeuer in freier Natur“, sagte Roberto. Eigentlich wollte er Bohnen mit Speck  anbieten, doch das hatte Miriam abgebogen. So gab es ein fast normales Frühstück. Robert hatte um den Mund einen Nutellaring, und alle lachten darüber.
Die Pfadfinder fanden es gemütlich, vor allem, weil sie langsam wieder warm wurden. Nur mit dem Abwasch gab es ein kleines Problem. Als Adrian sagte: „Das ist doch Frauensache“, um die lästige Pflicht abzuschieben bekam er von Miriam einen strengen Blick zugeworfen. Er beschloss dann, dass es doch nicht nur Frauensache ist.
„So, jetzt will ich aber endlich wissen, wie das mit Joseph weitergeht“, sagte Leo.
„Ach, die alte Geschichte“, meinte Adrian, „die kenn ich schon zur Genüge.“ 
„Na, dann kannst du sie ja weitererzählen“, meinte Miriam.
„Na, ja, also, irgendwie“.
„Wie jetzt“, fragte Roberto.
„Na, der Joseph wird dann stellvertretender Pharao und eigentlich der, der die Arbeit macht.“
„Ist das alles?“, fragte Miriam.
„Eigentlich nicht, aber das kann Roberto besser erklären“, versuchte Adrian aus der Predullie zu kommen.
„Na also“, sagte Roberto „fangen wir mal an.
Joseph war nun der Oberste Verwalter von Minister Potifars Haushalt. Das war sicher eine sehr verantwortliche Aufgabe, und sein Herr schien mit Josephs Arbeit sehr zufrieden zu sein.
Die Bibel sagte, dass alles, was Herr Potifar besaß, unter Josephs Obhut war. Seit der Zeit, dass er Verwalter war segnete Gott alles was sein Herr besaß, um seinetwillen. Natürlich hat das der Minister bemerkt. Außerdem war Joseph hübsch von Gestalt und Angesicht. Das hat Frau Potifar bemerkt. Sie sagte` Lege dich zu mir´. Joseph wollte nicht, und sie bedrängte ihn Tag für Tag.“
„Ich könnte mich auch noch ein bisschen hinlegen. Komisch, dass der nicht gewollt hat“, bemerkte Robert.
„Roobert“, sagte Adrian, „die wollte Sex. So sind die Frauen nun einmal.“ Er grinste breit.
„Ach, und du weißt, wie Frauen so sind, woher denn?“, fragte Miriam und sah ihn böse an.
Adrian bekam einen roten Kopf.
„Sie wollte wirklich Sex, doch Joseph weigerte sich standhaft. Erstens wollte er das Vertrauen, das Potifar in ihn gesetzt hatte, nicht enttäuschen, und zweitens sagte er zur Frau Potifar, dass das Ehebruch und somit Sünde gegen Gott ist.“
„Ich wäre nicht so blöd gewesen und hätte mich nicht zweimal bitten lassen“, sagte Leo. Er grinste breit.
Roberto blieb die Luft weg. Weniger wegen Leos und Adrians Bemerkungen, mehr darum, weil er seine Frau kannte. Sie konnte eindeutige Bemerkungen und zweideutiges Grinsen dieser Art überhaupt nicht leiden.
„ Wisst ihr, Jungs, ihr sprecht über Sachen, von denen ihr überhaupt keine Ahnung habt. Wer nicht weiß, wovon er spricht, der sollte besser das Maul halten. Sex ohne Liebe, und eine  tragfähige vertrauensvolle Beziehung ist nicht besser als billiges Fastfood. Vertrauen ist das Schlüsselwort. Ihr denkt wohl, weil ihr irgendwas über Sex aufgeschnappt habt, hättet ihr Ahnung davon, was Sex ist? Glaubt mir, ihr habt keine Ahnung“, Miriam hatte sich in Rage geredet.
„ Lasst euch nur nichts von irgendwelchen Leuten weismachen. Liebe muss wachsen. Vertrauen muss wachsen, man muss gemeinsam Probleme bewältigen und zusammen sein wollen, obwohl man sich dann mit seinen Fehlern kennt, dann könnt ihr an Sex denken, aber nicht vorher. Einige Zeit vor unserer Hochzeit waren wir gemeinsam auf einem Eheseminar. Ein älteres Pfarrehepaar hat es gehalten. Dabei ging es auch um Sex, aber beileibe nicht nur darum. Wisst ihr, was dieser Pfarrer zu uns sagte:  Nach dreißig Jahren Ehe ist das Zusammensein, auch das intime jetzt viel schöner als früher. Meine Frau und ich fragen uns aber auch immer wieder: Ist mein Partner wirklich der wichtigste Mensch in meinem Leben? Wichtiger als die Kinder, die Enkel, die Arbeit oder das Hobby.
 Sex ist eine gute Gabe Gottes, doch wie mit allen Gaben kann man damit gut umgehen, sie achtlos behandeln, sie verächtlich machen oder sie sogar missbrauchen..“
Leo und Adrian sagten keinen Mux.
„ Als wir heirateten, haben wir den Pfarrer gebeten, die Trauung zu übernehmen. Während der Traupredigt sagte er zu uns: Wenn das Gras auf der anderen Seite des Zaunes grüner erscheint, dann musst du bei dir düngen und wässern. Das heißt: Es kann schon passieren, dass ein anderer Mensch interessanter erscheint als dein Partner oder deine Partnerin. Dann ist es aber höchste Zeit, dass du dich um deine Beziehung kümmerst. Guten Sex gibt es nur, wenn man sich umeinander müht. Und ich sage es noch mal: Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen. Stell dir vor, Leo du bist mit deiner Freundin zusammen, und nach einiger Zeit tauscht sie sich mit deinem Nachfolger über deine Qualitäten oder deine Unfähigkeit aus. Oder du bist mit deiner Freundin zusammen, Adrian, und sie erzählt dann ihren Freundinnen, dass du einen viel zu Kleinen hast. Ehe man mit einem Menschen sexuell zusammenkommt, muss Vertrauen gewachsen sein.“
„Genau, auch die Geschichte von Joseph spricht vom Vertrauen“, Roberto hatte keine Lust, mit den Pfadfindern über Sex zu reden und wollte auch nicht, dass Miriam das Thema weiter vertiefte. „Joseph wollte das Vertrauen seines Herrn nicht enttäuschen und auch das Vertrauen des Herrn, unseres Gottes, nicht. Er hat Potifar nicht betrogen, sondern blieb ehrlich. Man weiß nicht, wie es Joseph ergangen wäre wenn er schwach geworden und Frau Potifar nach einiger Zeit seiner überdrüssig geworden wäre. Jetzt jedenfalls hatte sie ihn am Gewand gezogen, und er floh. Dabei riss aus, und sie hatte sein Gewand in der Hand. Da Joseph nackt aus ihrem Schlafzimmer floh, musste sie sich etwas ausdenken, dass sie nicht kompromittiert war. Sie rief die Dienerschaft zusammen und hetzte sie gegen Joseph auf. Sie betonte besonders, dass Joseph ein Ausländer war. Als Vorsteher im Hause hatte er auch manchem schon die Kufen gelenkt. Das hat denen natürlich nicht gefallen. Und so hatten die auch noch eine Rechnung mit Joseph offen. Als Herr Potifar nach Hause kam, war Stimmung. Sie wiederholte die Anschuldigungen gegenüber ihrem Mann, mit denen sie vorher schon die Sklaven aufgehetzt hatte.“
„Der Ehrliche ist immer der Dumme“, warf Leo ein, froh, dass Roberto wieder das Heft in der Hand hatte.
„Wenn man Gott außen vor lässt, hast du Recht. In diesem Fall denke ich, war das ein wenig anders. In der Bibel steht da, dass Potifar nach der Rede seiner Frau zornig war und er Joseph ins Gefängnis werfen ließ. Ich frage mich aber, auf wen er wirklich zornig war. Er kannte seine Frau, vielleicht traute er ihr zu, dass sie ein Auge auf den knackigen Verwalter aus Judäa geworfen hatte. Jedenfalls erscheint mir eine Haftstrafe für einen Sklaven für solch ein Vergehen, immerhin behauptete sie, dass es versuchte Vergewaltigung war, viel zu milde. Potifar hätte ihn sicher umbringen lassen können. Und wenn nicht offiziell, dann war er ja noch der Oberste Sicherheitsmann des Pharao... Joseph aber kam nur ins Gefängnis. Mir scheint das eher so, dass der Minister des Pharao sein Gesicht nicht verlieren wollte und er schon gespannt hatte, dass sie ihn hinterging. Wenn das Gerücht umging, dass der Sicherheitschef des Pharao seine eigene Frau nicht beschützen kann, dann wäre er ja das Gespött in ganz Ägypten gewesen. Kaum war Joseph im Gefängnis, konnten ihn alle dort gut leiden, und er wurde derjenige, der das ganze Gefängnis organisierte, und der Gefängnisdirektor kümmerte sich um nichts mehr.“
„ Außerdem war das alles Gottes Plan, sonst wäre er nicht Stellvertreter des Pharao geworden, der sich dann auch wieder um nichts kümmerte“, sagte Adrian, tunlichst bemüht, dass das Thema Sex nicht noch mal von Miriam angeschnitten wurde.
„So, Jungs und Mädchen, jetzt stürzen wir uns ins Pfadfinderleben“, sagte Roberto. Die Jungs hatten nichts dagegen, und Kerstin nahm sich vor, später noch mal mit Miriam von Frau zu Frau zu reden.


Franjo und das Friedenslicht V

Frage: Weißt Du eigentlich, wie der Bauchnabel in deinen Bauch gekommen ist?
Antwort: Als Gott alle Menschen gemacht hatte, mussten sie sich noch einmal aufstellen.
Der ganze Himmel war voll mit unzählig vielen Menschen.
Große und kleine, dicke und dünne.
Jeder war ganz anders und einmalig.
Und dann ist Gott von Mensch zu Mensch gegangen. Er hat sie angesehen, ganz lange, und hat gesehen, dass sie alle wunderschön waren. Richtige Meisterwerke.
Und dann hat Gott jedem mit dem Finger auf den Bauch getippt und hat gesagt:
„Und dich hab ich lieb. Und dich hab ich lieb. Und dich hab ich lieb...“
Witz

„So, ihr Scouts, jetzt errichten wir den Bannermast und machen das Banner dran fest.“
Roberto hatte den Pfadfindern schon in den letzten Treffen erklärt, was sie zu tun hatten. Alle waren mit Fleiß dabei. Auch Leo war mit von der Partie und keinem kam in den Sinn, dass alle ihn noch vor ein paar Wochen Poldi, den Tollpatsch, genannt hatten. Leo, eigentlich Leopold Sedlaczek, hatte im Kindergarten ein paar Probleme mit der Feinmotorik. So war er beim Basteln nicht besonders geschickt. Schlimmer war, dass er lange Zeit Schwierigkeiten damit hatte die Schuhe zuzubinden. Leos Mutter wollte seine Probleme nicht wahrhaben und die Kindergärtnerinnen ärgerten sich darüber, dass er immer Schuhe mit Schnürsenkeln hatte, die sie zubinden mussten. Außerdem fiel bei ihm öfter eine Tasse um oder ein Teller ging zu Bruch. Eines Tages sagte eine Kindergärtnerin: „Ach unser Poldi, der Tollpatsch.“
Das hörten einige Kinder, die Leo diesen Namen auch sofort verpassten. In der Schule behielt er dieses Image und wurde es nicht mehr los. Es ging so weit, dass er sich regelrecht Mühe gab, keinen Fehler zu machen. Dabei verkrampfte er sich innerlich so, dass das nächste Malheur wieder vorprogrammiert war.
Als die Pfadfinder ihre erste gemeinsame Stunde hatten, waren Kerstin, Adrian, Robert Karsten und natürlich Roberto mit von der Partie. Da zum Pfadfinderleben auch Bewegung in der Natur gehörte, waren sie sich einig, dass sie im zweiten Teil der Stunde auf den Fußballplatz, der nur Zweihundert Meter vom Pfarr- und Gemeindehaus entfernt liegt, gehen. Robert war nicht ganz damit einverstanden. Er meldete ich dann als Torwart an, weil er sich dabei nicht so viel zu bewegen brauchte. Der Fußballplatz war von großen Bäumen umstanden. Rundherum war eine Eisenstange als Geländer angebracht und dort, wo in richtigen Stadien eine Tribüne war, war ein flaches Holzpodest. Auf dem Platz lungerten ein paar Jugendliche im Alter der Pfadfinder rum Die ältesten waren Andreas und Thomas. Sie waren schon fast sechzehn Jahre alt. Beide waren von kräftiger Statur. Da sie bisher immer die Kings vom Fußballplatz waren, erhofften sich die Pfadis, dass sie, mit Roberto an ihrer Seite, den beiden endlich mal das Fürchten lehren konnten.  Andreas und Thomas suchten sich aus den restlichen Jugendlichen ihre Mitspieler aus und die Pfadfinder auch. Leopold blieb als einziger auf dem Holzpodest stehen, und keiner schien sich für ihn zu interessieren. Das Spiel begann, Andreas und Thomas konzentrierten sich hauptsächlich auf Roberto. Kaum waren ein paar Minuten gespielt, hatten seine Schienbeine schon blaue Flecken. Besonders schmerzhaft war es, wenn die beiden scheinbar auf den Ball zurannten, der in Robertos Besitz war, aber nur um ihn dabei, mit ganzer Wucht, in die Zange zu nehmen. Beide krachten in vollem Lauf, jeder von einer Seite, auf Roberto. Nach einer viertel Stunde humpelte er nur noch übers Feld. Eigentlich war er ein guter Spieler. Die beiden Holzhacker hatten ihn aber so zerlegt, dass er nicht mehr konnte. In der zweiten Viertel Stunde verloren dann die Pfadis haushoch. Als die vereinbarte halbe Stunde vorüber war, krochen alle vom Feld. Eine Woche später wollten die Pfadfinder trotzdem wieder auf den Fußballplatz. Sie forderten Revanche. An diesem Tag achtete Roberto mehr auf seine Gesundheit und weniger auf den Sieg. Die Niederlage war noch verheerender.
Als sie geschlagen, mit hängenden Schultern, abzogen, gesellte Poldi sich zu ihnen. „Kann ich bei euch mitmachen?“
„Wieso“, fragte Roberto, der sich nicht vorstellen konnte, dass Verlierer attraktiv sein könnten.
„Na, ihr verliert doch immer, und mich will sonst keiner haben.“
Autsch, das hatte wehgetan. Roberto fiel es schon immer schwer zu verlieren, besonders beim Fußball, und dann das. Am liebsten hätte er Leopold angeschrien, so sauer war er, und ihn weggeschickt. Er holte schon Luft, da fiel ihm ein, dass Gott doch eigentlich alle Menschen, auch den Tollpatsch, liebt. Roberto sah Poldi an und sagte: „Komm.“ Poldi schloss sich den Pfadfindern an, die gesenkten Hauptes ins Gemeindehaus gingen. Gemeinsam humpelten sie zur Andacht. Als sie dachte, dass Leopold es nicht hörte zog Kerstin Roberto am Ärmel. „Soll der wirklich bei uns mitmachen? Das ist doch Poldi, der Tollpatsch, der ist voll peinlich.“
Am nächsten Tag fragte ein Kollege: „Na, Herr Fischer, haben wir wieder Fußball gespielt“. Normalerweise hätte Roberto gelacht und gefragt: „Sie auch“, doch er war immer noch sauer über die Niederlage gegen die Holzhacker, und schwieg.
Am Abend traf er die Putzfrau der Kirchgemeinde, Frau Winter, auf der Straße. Der wollte er eigentlich nicht begegnen, denn die Situation zwischen ihr und den Pfadfindern war ein wenig angespannt. Sie sprach ihn ungewöhnlich freundlich an. „Ach das ist aber schön, dass sie den kleinen Sedlaczek in ihre Gruppe aufgenommen haben. Da haben sie aber ein gutes Werk getan.“
„Wer ist der kleine Sedlaczek?“ „Na der Leopold“, war Frau Winters Antwort. Woher die das schon wieder wusste?
„Ach, Frau Winter, das Pfadfindermotto lautet doch: Jeden Tag eine gute Tat. Für den Tag, an dem Pfadfinderstunde ist, brauche ich mir nichts mehr einfallen zu lassen.“
Als Roberto die Sache mit Miriam besprach, meinte sie, dass man etwas tun müsse. Poldi hat wenig Selbstvertrauen und das programmiert das Versagen vor. „Glaub an ihn, dann kann er auch an sich glauben“, waren ihre Worte. Sie war der Meinung, dass man zuerst Leopolds Namen ändern müsse. „Nomen est Omen, wie wir Lateiner sagen“, lachte sie. „Im Ernst, wenn du ihn Poldi nennst dann bleibt er weiterhin ein Tollpatsch. Nenn ihn doch Leo, vielleicht ändert sich, mit der Zeit, die Einstellung der anderen zu ihm. Behandle ihn, als wäre er kein Tollpatsch, dann kann es sein, dass sich das verliert.“
In der nächsten Stunde stieß dann auch noch der gehörlose Franjo zu den Pfadis. Übrigens, auch eine gute Tat von Frau Winter. Mit Franjos Hilfe verbesserten sich die Fußballergebnisse. Selbst Leos Leistung erfuhr eine Steigerung. Besonders beeindruckte er Roberto damit, dass er nicht aufgab, sondern immer weiterkämpfte. Er stoppte zwar immer noch vor dem Ball ab, bevor er schoss, und die Treffsicherheit war nicht besonders hoch, doch es wurde von mal zu mal besser. Beim Fußballspiel, vor dem Zeltwochenende, ging es wieder hoch her auf dem Spielfeld. Auch Leo, der normalerweise als Verteidiger spielte, wurde vom Angriffsfieber gepackt. Er ging nach vorn. Thomas, der im Tor stand lachte über den dilettantischen Angriff. Leo rannte immer weiter. Roberto hatte Angst, dass er über den Ball fiel, doch er schaffte es bis vors Tor, holte aus, und traf den Ball gerade so. Poldi erwischte ihn von der Seite und fälschte ihn dermaßen ab, dass Thomas keine Chance hatte das Tor zu verhindern. Dass dieser Kullerball, gerade von Poldi, in sein Tor gelangen konnte wurmte Thomas gewaltig und er fing an zu sticheln. „ Ach, Poldi, du Verlierer, das war doch der einzige Ball, den du jemals im Leben ins Tor gekriegt hast. Versuchs doch noch mal, wenn du dich traust.“ Er warf Leo den Ball vor die Brust. „Dumm hat Glück. Denkst du, du schaffst noch einen Treffer?“
Leo nahm den Ball und ging seelenruhig zum Elfmeterpunkt. Dort angekommen sah er Thomas an und sagte: „ Jetzt bekommst du einen rein, dass dir Hören und Sehen vergeht.“
Roberto dachte, dass ihm das Herz stehen blieb. Poldi tat ihm leid. Der, der kaum so viel Kraft hatte, den Ball bis ins Tor zu befördern, wollte jetzt den besten Torwart des Ortes besiegen. Roberto hatte sich immer vorgenommen nie für Fußballergebnisse zu beten. Es kam vor, dass ihn früher in seiner Mannschaft jemand darum bat, für den Sieg zu beten. Er antwortete dann immer: „Wenn in der gegnerischen Mannschaft auch einer um den Sieg betet, dann weiß Gott nicht, zu wem er halten soll“. Jetzt erwischte er sich dabei, das er betete: „Herr Gott hilf, dass Leo den Ball ins Tor trifft.“ Roberto hatte Angst davor, dass Poldi wieder eine Niederlage erwischte und niemals zu Leo werden würde.
Poldi legte sich den Ball zurecht. Plötzlich klatschte Adrian im Takt in die Hände. Alle Pfadis liefen zum Podest und stampften im Rhythmus mit den Füßen darauf herum. „Leo, Leo, Leo“, riefen sie. Der Fußballplatz hallte von ihrem Rufen und Stampfen wider. Der Schütze ließ sich nicht davon beeindrucken, auch nicht von Thomas hämischem Grinsen. Poldi holte Anlauf und stoppte, das erste Mal in seinem Leben, nicht kurz vorm Ball ab. Er erwischte ihn in vollem Lauf. Zwar war das kein besonderer Schuss, doch für Poldi bemerkenswert. Thomas sah den Schuss kommen, nahm die Arme vor die Brust, und lief langsam in Richtung Ball. Das Grinsen war noch immer in seinem Gesicht. Kurz bevor er in die Flugbahn des Balls gelangte, stolperte er, nahm die Hände reflexartig nach unten, und bekam den Schuss voll ins Gesicht. Und dann rollte der Ball ins Tor. Es bedurfte einiger Zeit, ehe er benommen aufstehen konnte. Ihm war wirklich Hören und Sehen vergangen. Die Halbe Stunde war vorbei, und Leo der Held des Tages. Die Pfadis boxten immer wieder mit der Hand nach oben in die Luft und jubelten. Ganz euphorisch kam Adrian auf Roberto zu und sagte zu ihm: „wir sind ab heute nicht mehr die Pfadis, wir sind jetzt die Finders “. Er dachte, dies sei irgendwie eine englische Ableitung von Pfadfinder.
Als sie im Gemeindehaus ankamen, gelang es Roberto sie zu überzeugen, dass sie sich lieber Scouts nennen. Die Pfadfinder wurden immer Boyscouts genannt“, war sein Argument. Alle waren einverstanden, außer Kerstin. „ich bin aber kein Boy“, sagte sie.
„Na, dann bist du unser Girlscout“, lachte Adrian.
Poldi gab es für die Pfadfinder ab diesem Tag nicht mehr, nur noch Leo.



Franjo und das Friedenslicht VI

Jeder Mensch ist ein einmaliger Mensch und tatsächlich, für sich gesehen, das größte Kunstwerk aller Zeiten." (Thomas Bernhard)

„ Pfadfinder verschmähen Nägel und Schrauben, wenn sie ihr Lager aufbauen.“
„Du mit deinen Knoten“, sagte Adrian, „Palstek, Kreuzknoten, Webleinenstek, Achterknoten, Doppelter Schotstek, Stopperstek, Roringstek, Zimmermannsschlag, Prusikschlinge und wie das ganze Zeug heißt.“
„Tja, wer Zelt und Lagerküche aufbauen will, muss eben Knoten können“, erwiderte Roberto, „dafür haben wir ja auch lange genug geübt.“
„Trotzdem, die Knüppelei nervt langsam.“
„Sieh dir doch mal Franjo an, hat der jemals widersprochen“, fragte Roberto und grinste.
„Kunststück, der kann ja auch nicht reden.“
Franjo ist stark hörbehindert und ein begeisterter Pfadfinder. Seine Begeisterung für die Pfadfinderei wird höchstens noch von der Liebe zum Fußball übertroffen.  Als kleiner Junge schon war er von allem was einem Ball ähnelte hingerissen. Auf den Fußballplatz wollten ihn die größeren Kinder nicht haben, sie hielten ihn wegen seiner Hörbehinderung für blöd. Da er kaum etwas hörte, konnte er auch nicht sehr verständlich reden. Kein Wunder, denn für ihn war es fast unmöglich die Tonhöhe und die Artikulation selber zu kontrollieren. Nachdem man ihn ein paar Mal vertrieben hatte, ging er nicht mehr auf den Fußballplatz, obwohl er sich danach sehnte mit den anderen zusammen zu kicken. Er lief mit dem Ball durch den Ort. Bürgersteig rauf und runter, über Gräben und Wege, immer hatte man das Gefühl, dass der Fußball mit einem Gummiband an seinem Bein befestigt war.
Als Roberto Leo in die Pfadfindergruppe aufgenommen hatte, fasste Frau Winter sich ein Herz und sprach den Pfadfinderleiter an.
„Ach, Herr Fischer, sie haben doch den kleinen Sedlaczek aufgenommen, wäre es dann nicht möglich noch jemanden aufzunehmen?“
„Wen sollten wir denn noch aufnehmen“, fragte Roberto, dem nichts Gutes schwante.
„Ach, der kleine Franjo ist immer so allein, dem könnte die Gesellschaft hier in der Gemeinde bestimmt gut tun. Sicher ist ihnen der auch schon mal aufgefallen. Es ist der Junge, den man immer mit dem Fußball sieht.“
„Der, den kenne ich vom Sehen. Aber den werde ich nicht fragen.“
„Wieso denn nicht“, Frau Winter war sichtlich verärgert.
„ Der kann ja nicht mal grüßen.  Nachdem wir hier hergezogen waren, ist mir den Junge aufgefallen. Er hat bestimmt Talent zum Fußballspielen aber jedes Mal wenn ich ihn grüßte, nahm er überhaupt keine Notiz von mir. Ich habe ihn angesprochen doch der hat ja nicht mal hergesehen.“
„Aber das geht doch gar nicht, er ist doch taub.“
Roberto war etwas verlegen. Auf diese Idee war er nicht gekommen.
„Früher, als Franjo noch ein Säugling war, habe ich bei seinen Eltern sauber gemacht. Er hat oft geschrieen und niemand, auch nicht der Hausarzt, hat gemerkt, dass er Entzündungen  im Mittelohr hatte.  Als er krabbeln konnte, ist mir mal ein Malheur passiert. Mir fielen einige Teller in der Küche herunter und zersprangen. Franjo war auch in der Küche, doch er nahm keine Notiz davon. Als ich das merkte, habe ich es seiner Mutter gesagt. Die ging mit ihm zum Ohrenarzt, und der stellte fest, dass die Hörfähigkeit durch mehrere Entzündungen stark eingeschränkt ist. Ich habe den Jungen wirklich lieb. Als die Diagnose feststand, haben Franjos Eltern mir gekündigt und den Kontakt abgebrochen,  als ob ich etwas für seine Behinderung kann. Sehen sie, ich habe weder Kinder noch Enkel, da hatte ich immer gehofft, dass ich mich an ihm freuen kann. Haben sie doch bitte ein Einsehen und nehmen den Jungen auf.“ Frau Winter war überhaupt nicht mehr die harsche Person, für die Roberto sie immer gehalten hatte. Er versprach mit den Pfadfindern zu reden und Franjo zu fragen, ob er eine halbe Stunde später zur Pfadfinderstunde dazukommen würde.
Bei den Pfadis gab es heiße Diskussionen. Sie konnten sich nicht vorstellen wie man sich mit einem Jungen, der fast nichts hören kann, verständigt.
Leo, der eigentlich total neu war, war am meisten dagegen. „Wenn wir Fußball spielen und ich rufe abgeben, dann kann er mich ja gar nicht hören. Denkst du denn, er spielt mir dann den Ball zu?“
„Hat denn schon mal jemand den Ball zu dir geschossen, weil du Abgeben gerufen hast?“, fragte Adrian.
„Eigentlich nicht.“
„Na also, ich bin dafür, dass wir ihn aufnehmen“, Kerstin war die erste, die das sagte, „ Wenn wir nicht probieren ob wir mit ihm klar kommen, dann werden wir es auch nicht wissen.“
Franjo klopfte an. Er kam wie auf Stichwort. Alle waren erst einmal etwas unsicher. Niemand, selbst Roberto, wusste was er sagen sollte.
„Du gehen auch auf eine Schule“, versuchte Robert ein Gespräch anzufangen.
„Mann, meinst du, dass er dich besser versteht, wenn du Idiotendeutsch mit ihm sprichst?“, raunzte Adrian Robert an.
Kerstin hatte den besten Einfall. Sie zeigte auf sich und sagte dann deutlich, indem sie Franjo ansah: „ Kerstin“. Jeder stellte sich so vor und zuletzt auch Franjo. Er kann die Tonhöhe nicht kontrollieren und manches ist undeutlich, doch alle verstanden seinen Namen. Es dauerte eine Weile bis man miteinander zurecht kam. Besonders Kerstin legte große Findigkeit an den Tag um mit Franjo zu kommunizieren. Ehe man sich versah war die Zeit heran, da es aufs Fußballfeld ging. Leo und Adrian schlossen eine Wette ab wie hoch die Niederlage dieses Mal wird. Franjo gehörte auch zur Pfadfindermannschaft. Er war so froh endlich  auf den Fußballplatz zu dürfen. Andreas und Thomas machten sich natürlich über die Truppe lustig, besonders über den Neuzugang. Roberto dachte daran, dass Jesus mal gesagt hatte:“ Selig sind die um meines Namens willen Leid tragen“, aber der Bibelspruch tröstete ihn überhaupt nicht. Auf diese Tat der Nächstenliebe hätte er gern verzichtet. Doch dann dachte er, dass es sich als Christ nicht gehört, Behinderte auszuschließen.
„ Franjo ist Taub“, ich bitte euch darauf Rücksicht zu nehmen“, sagte er.
„Kann die Taube auch fliegen“, fragte Andreas und grinste.
Es kam aber anders als es alle gedacht hatten. Franjo war nicht nur ein Ballkünstler, sondern auch noch ein exzellenter Spielmacher. Selbst Leo bekam den Ball von ihm ohne, dass er „hier, hier“ rufen musste. Das, was der Quirlige Kleine nicht hören konnte, sah er. Er sah auch dass Andreas, der mittlerweile sauer wurde, weil er überhaupt nicht zum Zuge kam, einen derben Schuss voll auf ihn abfeuerte. Franjo ließ sich fallen und zog dabei die Beine in Richtung Ball. „Tor, Tor“ schrieen die Pfadfinder auf. Der erste Treffer an diesem Tag. „Das war sicher der erste Fallrückzieher, den dieser Fußballplatz bisher gesehen hat“, mutmaßte Roberto. Andreas und Thomas wollten das nicht auf sich sitzen lassen. Beine stellen wirkte nicht, Franjo sprang darüber. Dann attackierten sie Franjo so, wie sie immer Roberto außer Gefecht gesetzt hatten.  Der Kleine war aber viel schneller als Roberto und hatte die Beine schon weg als die beiden zutreten wollten. Das hatte zur Folge, dass sie diesmal blaue Flecken an den Schienbeinen davontrugen. 
„Diese kleine Taube muss heute noch fliegen.“ Als Andreas diesen Satz sagte, wusste Thomas, dass jetzt die Quetschaktion dran war. Franjo lief aufs Tor zu und die beiden wollten, mit ihm, natürlich völlig unbeabsichtigt, zusammenprallen. Roberto sah was die Beiden vor hatten. Er blieb wie gelähmt stehen. Eigentlich wollte er „Franjo, bleib stehen“ rufen, doch dann fiel ihm ein, dass der das nicht hören kann. Schon sah er Franjo im Krankenwagen mit gebrochenen Knochen zur Klinik fahren. „Herr Jesus, hilf“, entfuhr ihm ein Stoßgebet. Mehr konnte er nicht sagen. Franjo rannte mit dem Ball zum Tor und Unaufhaltsam kamen Andreas und Thomas näher. Schon waren sie seitlich hinter ihm. Gleich werden sie ihn einquetschen, dachte Roberto noch, doch da stoppte Franjo und lies sich fallen. Seine beiden Kontrahenten prallten mit voller Wucht gegeneinander. Während der Kleine aufpasste, von ihrem Sturz nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden, gingen die Großen zu Boden. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stand Andreas wieder auf. Er hatte sich die Schulter ausgekugelt. Damit war das Spiel beendet. Zum ersten Mal hatten die Pfadfinder gesiegt.
„Na hab ich es euch nicht gleich gesagt, Franjo ist das Beste was uns passieren konnte“, jubelte Leopold.
„Eh, ich hatte das aber völlig anders in Erinnerung“, sagte Adrian laut.
„Naja, aber gedacht ich hab mir das immer schon gedacht“ erwiderte Leo.
Komisch, dachte Roberto, während alle sich mühten die Lagereinrichtung zu bauen, heute fragt keiner mehr danach ob Fanjo hören kann oder nicht. Jeder hat seinen eigenen Weg gefunden mit ihm zu reden. Besonders Kerstin, die sich mit Gebärdensprache beschäftigt, kann sich gut mit ihm unterhalten. Und alle erzählen ihm ihre großen und kleinen Probleme. Wahrscheinlich, weil sich niemand vorstellen kann, dass er etwas weitererzählt.
Jesus hat die Tauben geheilt. Das können wir nicht, so Robertos Fazit, aber wir können mit Franjo umgehen als ob er einer von uns wäre.
Wäre???



Franjo und das Friedenslicht VII

Die Menschen muss man nehmen wie sie sind, nicht wie sie sein sollen.
Franz Schubert

Endlich war es so weit. Nach dem Mittagessen begann die Schatzsuche. Roberto hatte schon in der vergangenen Woche das Geländespiel vorbereitet. Drei Gruppen zu je zwei Scouts sollten an unterschiedlichen Orten losgehen. Nach Robertos Vorstellung sollten die drei Gruppen von ihren Startpunkten aus zu einer Kreuzung gehen. Von dort aus gab es nur noch einen Weg für alle um zum Schatz zu gelangen.. Zuerst hatte er Wegzeichen gelegt. Äste oder Steine, die einen Pfeil ergeben oder Zeichen, die in den Boden geritzt werden, sollten die Pfadfinder zu der Kreuzung führen. Bei der Kreuzung  wurde von ihm ein verstecktes Zeichen angebracht, dass schwer zu finden war. Er hatte lange überlegt, wie die Fährte aussehen soll. Sollte er Grasbüschel verknoten und mit dem Ende den Weg weisen oder eine falsche Frucht an einen Baum hängen oder doch lieber Pflöcke einschlagen die unterschiedlich groß sind?
Adrian und Leo bildeten eine Gruppe genau so wie Franjo und Karsten. Kerstin war sauer, dass sie mit Robert gehen musste. Roberto brachte die ersten zwei Gruppen zu ihren Startpunkten und Miriam nahm Karsten und Franjo mit zum Auto, zu deren Start. Unterwegs fragte sie Karsten wie es kommtt, dass er so gerne singt.
„Ach, eigentlich singe ich gar nicht so gerne. Meine Mutter hat früher immer zu Hause gesungen. Wenn du und Kerstin singen fühle ich mich so wie damals als Mutti noch gesund war. Jetzt hat sie Depressionen. Da singt sie nicht mehr. Sie liegt den ganzen Tag auf dem Sofa und sieht fern. Wenn es klingelt, dann rennt sie ins Schlafzimmer und schließt sich vor Angst ein.“
„Aber wer macht denn dann den Haushalt bei euch, dein Vater?“
„Das geht nicht, er ist in der Woche auf Montage. Er bekommt keine Arbeit in der Nähe.  Ich mache alles, und am Wochenende machen wir gemeinsam, was liegen geblieben ist.“
„Ist denn deine Mutter in ärztlicher Behandlung?“
„Ja, aber das hat nichts geholfen.“
„ Es gibt doch Spezialkliniken.“
„Sie lag auf der psychiatrischen Abteilung im Kreiskrankenhaus, aber als sie entlassen wurde, war es genau so wie vorher.“
Miriam war erschrocken. Sie wusste von Roberto, dass Karsten nie viel gesagt hatte, doch das sich so etwas dahinter verbarg, hätte sie nie gedacht.
Zum verabredeten Zeitpunkt starteten die Gruppen. Adrian und Leo spurteten los. Sie sahen Robertos Pfeile und Hinweise. Schnell waren sie an der Kreuzung. Mitten auf der Kreuzung lagen zwei verdorrte Äste. Ob das das Zeichen war?
„Wohin“, fragte Adrian. Leo zeigte in die vermutete Richtung. Beide wussten, dass die Pfadfinder irgendwann einem gemeinsamen Weg folgen werden. Leo sah Adrian an und lächelte. „Denkst du, was ich denke?“ „Sicher, doch“, sagte Adrian und grinst zurück. Jeder nahm einen Ast und sie legten die Äste so, dass die in eine falsche Richtung zeigten.  „Schnell weg“, sagte Adrian, „sonst erwischt uns noch jemand.“
Kerstin war immer noch sauer. Robert humpelte hinter ihr her und maulte. Er wäre doch lieber zu Hause geblieben. Ihm taten die Beine weh. Kerstin hatte dann klar und unmissverständlich zu ihm gesagt, dass sie das Spiel gewinnen will. Zur Not würde sie Robert allein im Wald lassen. Dazu hatte er auch keinen Bock. Nach Kerstins Standpauke lief er zwar schneller, aber immer noch lustlos.  Als die beiden an der Kreuzung ankamen sah er die Äste und trat voller Wut davor. Sie flogen ins Gebüsch. Kerstin achtete nicht darauf, sonst hätte er die nächste Abreibung bekommen. Gemeinsam suchten sie nach dem versteckten Zeichen, doch sie fanden es nicht. Robert ließ sich dann an den Wegrand fallen und blies Trübsal. Ach, zu Hause hätte ich jetzt Labyrinth spielen können oder das Spiel in dem man das Monster besiegt, das jeder Zeit kommen kann, um mich zu fressen. Als sein Blick nach oben ging, sah er, dass an einem Ast zweierlei Blätter hingen.
„Kerstin“
„Hilf mir lieber suchen.“
„Keerstin“
„Du sollst nicht immer rumjammern.“
„Kerstin, komm mal, ich sehe was.“
Kerstin kam und sah das Zeichen, das Robert gefunden hatte. „Robert, du bist ja genial.“
Robert hatte plötzlich keine schlechte Laune mehr und Kerstin hatte einen Einfall.
„Weißt du das ist genau so wie in einem Computerspiel, nur in echt. Wir spielen so etwas wie Labyrinth. Nur wer die Zeichen erkennt kommt ins nächste Level“
Robert raffte sich auf und begann, gemeinsam mit Kerstin, das Abenteuer Schatzsuche. Manchmal zuckte er zusammen wenn irgendwo ein Ast knackte und nahm Ausschau nach dem anrückenden Monster. Mit der Zeit begann das Spiel Spaß zu machen und die Blasen taten lange nicht mehr so weh, wie vorher.
Karsten und Franjo wollten loslaufen, während Miriam noch schnell mit dem Auto in den Supermarkt fahren wollte. Roberto hatte so unglücklich in einer Pfütze geparkt, dass ein Vorderrad durchdrehte und das Auto nicht von der Stelle kam. Karsten und Franjo wollten helfen und schoben. Leider führte das auch nicht zum Erfolg. Miriam stieg aus und Franjo, der leichteste von allen, sollte lenken und Gas geben. Nun brauchte es einige Zeit bis sie ihm erklärt hatte, was er machen sollte. Franjo brauchte etwas Zeit ehe er verstand, was Miriam wollte. Endlich war das Auto startklar und die Jungen liefen so schnell sie konnten um doch noch den Schatz zu finden. Als sie an der Kreuzung ankamen, waren Kerstin und Robert schon lange weg. Sie suchten und suchten, doch Robertos verstecktes Zeichen fanden sie nicht. Karsten und Franjo einigten sich darauf dass jeder einen Weg lief und an der nächsten Kreuzung oder Einmündung suchte ob er dort etwas fände. Beide rannten los. Karsten war an einer Einmündung angelangt und suchte genau ob er einen Hinweis finden könne, als ihn plötzlich Franjo am Ärmel zog. Er hatte den Weg gefunden. Beide rannten weiter, so schnell sie konnten.
Adrian und Leo liefen und liefen. Irgendwie hatte Roberto schwere Zeichen eingesetzt. Mal, ein angeknickter Ast, mal nur eine Kuhle, es war richtig schwierig. Keiner dachte daran, dass sie sich vielleicht verlaufen hatten. Und wenn ja, hätte es keiner der Beiden zugegeben.
Kerstin und Robert kamen gut voran. Seit Robert begriffen hatte, dass das Geländespiel wirklich ein Spiel ist, und keine Last, entdeckte er Robertos Zeichen viel leichter. Trotzdem war er auf der Hut ob nicht doch irgendwo ein Monster auftauchte. Plötzlich…,  Robert zuckte zusammen. Es knackte hinter ihnen. Er überlegte wo er die Axt oder die Bomben hatte, da fiel ihm ein, dass sie im realen Leben waren. Hinter ihnen tauchten Karsten und Franjo auf. Sie begrüßten sich so herzlich, als ob sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen hatten. Zu Aller Erstaunen fanden sie jetzt Robertos Zeichen „graben“. Nach ein paar Spatenstichen kam die Kiste zum Vorschein. Franjo und Kerstin nahmen die Schatzkiste an den Henkeln und Karsten half Robert, dem die Füße mittlerweile wirklich weh taten.
Miriam war unterdessen wieder im Lager. Roberto war gerade dabei die Feuerstelle in der Kothe vorzubereiten. „Weißt du Schatz, es gibt sieben Arten ein Feuer aufzubauen. Je nach Zweck.“
„Roberto, das kannst du alles deinen Pfadfindern erzählen. Wenn wir besser bei Kasse sind, fahren wir ans Meer oder in die Berge, aber wir schlafen im Hotehel.“
„Danke, dass du mitgefahren bist. Ich weiß ja, dass das Leben in der Natur nicht unbedingt dein Ding ist.“  „Naja, ich hab´s nur für dich getan.“
„Ich weiß“, Roberto gab Miriam einen Kuss.
„Hoho“, rief Kerstin. Die Vier Schatzsucher betraten die Lichtung.
„Wo sind denn die anderen“?
„Keine Ahnung“, sagte Kerstin, „die bekommen auch nichts ab.“
Die Schatzfinder setzten sich ans Feuer und Roberto hatte jemanden, dem er erklären konnte, auf welch unterschiedliche Weise man ein Feuer anlegen kann.
Nach einer halben Stunde war von den beiden Fehlenden immer noch kein Zeichen zu sehen. Roberto machte sich Sorgen.
„Wir machen uns auf und suchen die beiden. Wer kommt mit?“
Karsten, Franjo und Kerstin kamen mit, während Robert seine wunden Füße pflegte. Gemeinsam gingen sie den Weg bis zur Stelle an der der Schatz war. Niemand war zu finden. Alle pfiffen und riefen. Nicht alle. Franjo konnte nicht pfeifen. Da er nicht hören kann, weiß er auch nicht, wie er man pfeift. Franjo rief nach Adrian und Leo, auch wenn sich das komisch anhörte.
„Vielleicht haben die beiden den Schatz übersehen und sind weitergegangen“, sagte Roberto. Da der Weg sich hinter der Schatzstelle gabelte, einigte man sich darauf, dass die drei Pfadfinder den linken Weg gemeinsam nahmen und Roberto den rechten.
„Wenn es dämmert, haltet ihr euch Richtung Straße. Auf der Straße lauft ihr zum Auto und dann zum Lager.“ Nach diesen Anweisungen liefen alle los.
Adrian und Leo dämmerte es inzwischen, dass sie sich verlaufen hatten. Auch sie hatten die Idee sich in Richtung Straße zu orientieren. „So eine Schande“, schimpfte Adrian, „Pfadfinder, die sich verlaufen.“
Nachdem die drei eine Weile gesucht hatten, sah Kerstin auf die Uhr und schlug vor zur Straße zu gehen. Als sie an der Straße ankamen, sahen sie in der Dämmerung zwei Gestalten.
„Auch verlaufen“, fragte Adrian und grinste. Karsten wollte etwas sagen, bekam aber Kerstins Ellenbogen in die Rippen. Kerstin nickte, Franjo verstand nicht um was es ging. Wortlos gingen sie ins Lager. Roberto war kurz vor den anderen eingetroffen und machte sich schon große Sorgen. Er war erleichtert als die Fünf eintrafen.
„Sag mal Adrian, wo seid ihr denn lang gegangen.“
„Na wir sind bis zur Kreuzung gegangen wo die Stöcke lagen.“
„Was für Stöcke“, fragte Kerstin. 
„Na die, die wir in die falsche Richtung gelegt haben“, rutschte es Leo raus.
„Da waren keine Stöcke“, sagte Kerstin. Robert erinnerte sich daran, dass er mit zwei Stöcken vor Wut Fußball gespielt hatte, behielt das aber für sich.
 „Wieso habt ihr denn die Stöcke umgelegt?“ Kerstin presste die Augenlider zusammen und sah die beiden durch  die Schlitze an. „Ich denke, wir teilen den Schatz unter uns vier auf und ihr macht zur Strafe Küchendienst.“
Die beiden Angesprochenen widersprachen nicht. Sie fügten sich in ihr Schicksal. Roberto war froh, dass alles so abgegangen war und Miriam sagte: „Wer andern eine Grube gräbt fällt selbst hinein.“












Franjo und das Friedenslicht VIII

In jeder Minute, die man mit Ärger verbringt, versäumt man sechzig glückliche Sekunden.
William Somerset Maugham

 „Wie viel Nudeln brauchen wir eigentlich?“, fragte Leo.
„Na, komm, ich zeig es dir.“ Miriam half den beiden zum Küchendienst verdonnerten, dass das Abendbrot nicht noch zum Desaster wurde.
Inzwischen machten es sich die anderen am Lagerfeuer bequem. Die Scouts saßen im Kreis um das Feuer und hinter ihnen standen Fackeln, die alles beleuchteten. Der Gulaschkessel hing über der Glut und auf dem Gaskocher wurden die Nudeln in essbaren Zustand versetzt.
„Du, Roberto“, sagte Leo, ich kann auch beim Rühren zuhören, „du kannst ruhig erzählen, wie es mit Joseph weiterging.“
„Ich höre auch zu und Franjo hat ja seinen Zettel mit der Geschichte“, rief Kerstin, die mit Franjo beim Fackelschein Mühle spielte. Roberto hatte ihm in großen Buchstaben den Bibeltext ausgedruckt, dass er dem Gespräch über Joseph auch bei schlechtem Licht folgen konnte.  „ Wir hören auf mit Spielen auf.“
„Na gut“, meinte Roberto, der nichts anderes vorhatte.
„“Joseph war der oberste Gefangene. Ich weiß nicht, wie viele Jahre er im Knast verbrachte. Eines Tages wurden zwei hohe Beamte des Pharaos in Untersuchungshaft  gesteckt. Das eine war der Mundschenk, also der, der dafür verantwortlich war, dass genügend Getränke, und immer die richtigen guten Tropfen, für den Pharao bereitstanden. Der andere war der oberste Bäcker. Beide hatten sich irgendetwas zu Schulden kommen lassen. Der Gefängnisdirektor gab ihnen Joseph zur Bedienung, denn die Gefangenen waren von hohem Rang. Sie lagen schon einige Zeit im Gefängnis als sie eines Nachts, jeder, einen Traum hatten. Am Morgen waren beide bedrückt und Joseph fragte sie, was sie hätten. Nacheinander erzählten sie von ihren Träumen.“
„Na, an Josephs Stelle hätte ich aber die Sache überhört.  Er ist ja selber in die Misere geraten weil er geträumt hatte. Und jetzt kommen die beiden und fangen mit der gleichen Scheiße an.“
„Rühr deine Nudeln, dass sie nicht anbrennen“, sagte Robert, „und lass Roberto weiter erzählen.“
 „ Joseph ist eben nicht wie du, Leo, er hat sich nicht verbittern lassen sondern sah nach vorn. Er fragte den Mundschenk was sein Traum war. Dann sagte er, dass der Oberste über die Getränke in drei Tagen in Amt und Würden sein würde. Mit der Bitte, dass er ihn nicht vergessen und beim Pharao ein gutes Wort einlegen sollte wandte er sich zum Bäcker. Der erzählte auch seinen Traum. Dazu erklärte Joseph, dass der oberste Bäcker in drei Tagen erhängt würde.“
„Is ja nicht wahr“, meinte Kerstin, „voll krass, wenn dir jemand vorhersagt dass du in drei Tagen aufgehängt wirst.“
„ Es war krass,  dass die Vorhersagen eintrafen“, sagte Roberto. „Der Mundschenk vergaß Joseph und erzählte dem Pharao nichts von ihm.  Nach zwei Jahren hatte dann der Pharao zwei Träume. Er sah sieben schöne fette Kühe aus dem Wasser steigen und am Nil weiden. Eigentlich waren es Wasserbüffel. Danach stiegen aus dem Nil sieben magere Wasserbüffelkühe und fraßen die fetten auf.
Der Pharao wachte beunruhigt auf, merkte, dass es ein Traum war und schlief  wieder ein. Er träumte erneut. Dieses Mal sah er sieben Ähren aus einem Halm wachsen, die waren voll und dick. Dann sah er sieben versengte, magere Ähren, die die dicken verschlangen. Wieder erwachte er und merkte, dass es ein Traum war. Am nächsten Tag rief er seine Traumdeuter und alle seine Weisen zusammen um zu hören was diese Träume bedeuteten. Alle rätselten herum, doch niemand hatte eine Antwort. In dieser Konfusion fiel dem Mundschenken ein, dass ihm zwei Jahre zuvor von Joseph ein Traum richtig gedeutet worden war. Er berichtete dem Pharao davon, der Joseph holen ließ. Er konnte die Träume deuten und sagte sieben außerordentlich gute Jahre mit reichen Ernten voraus, die dann von sieben schrecklichen Jahren mit Missernten gefolgt werden. Er brachte den Vorschlag vor, dass sich der Pharao jemanden suchen sollte, der Kornhäuser einrichten lassen sollte in denen man die Ernten der guten Jahre sammelt, um die schlechten zu überstehen. Dem Pharao fiel nichts Besseres ein als Joseph zum Obersten Mann in Ägypten, gleich unter ihm selber, zu machen. Er gab ihm eine Frau und  außerdem bekam er einen Dienstwagen.“
„Einen Dienstwagen, was ist den da Besonderes dran“, fragte Leo.
„ Sind die Nudeln endlich weich? Denk daran, dass sie nicht matschig werden. Vorher abgießen und ein wenig Butter untermischen“, sagte Miriam.
„Ja, so ein Dienstwagen war zu Josephs Zeiten eine besondere Ehre. Es war ein zweispänniger Streitwagen, eigentlich der Zweitwagen des Pharaos, in dem man stehend fuhr. Kam Joseph vorbei rief man: Der ist des Landes Vater! Das war schon eine Ehre, die niemand sonst als der Pharao bekam.“
„Man der hat es ja dann doch ganz schön weit gebracht“, meinte Leo.
„ Er hat sich eben nicht aufgegeben. Ich weiß nicht, ob ich so durchgehalten hätte“, sagte Kerstin.
„Was ist denn schon dabei“, fragte Adrian, „ er konnte doch gar nicht anders.“
„ Ach was“, warf Robert ein, „ man hat immer mehrere Möglichkeiten, das ist wie bei einem Computerspiel.“
„Du schon wieder“, fuhr ihn Adrian an.
„Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende“, Leo erhob den Kochlöffel wie einen Zeigestock.
„Und die Brüder“, Franjo, der der Geschichte ganz gut folgen konnte, erhob seine Stimme.
Da dieser Satz, durch Franjos ungewöhnlicher Art zu reden, aus dem Gespräch fiel, war die Frage für alle unüberhörbar.
„Ach, der hat die ein paar Mal an der Nase herumgeführt und dann hat er sie nach Ägypten geholt.“ Adrian war stolz, dass er den anderen ein wenig überlegen zu sein schien.
„ Ich glaube nicht, dass er die Brüder an der Nase herumgeführt hat“, sagte Roberto.
„Wieso denn nicht, erst hat er sie eingeladen und dann so getan, als wolle er sie ins Gefängnis stecken. Wenn das nicht Verarsche ist?“ Adrian regte sich ein klein wenig auf.
„Ich bleibe dabei, er hat sie nicht verarscht. Stell dir mal vor, von dem Verkauf bis zum Amtsantritt sind 13 Jahre vergangen. Dann mindestens sechs Jahre, in denen es viel Getreide gab und mindestens ein Hungerjahr, also 20 Jahre. Erst dann kamen die Brüder.“
Franjo nickte. Die Scouts hatten sich schon so daran gewöhnt, dass sie alle Handbewegungen machten wenn sie mit Franjo sprachen. Manchmal bewegten sie ihre Hände auch wenn sie sich untereinander unterhielten. Miriam sagte mal zu Roberto, dass er sie zu richtigen kleinen Italienern erzieht.
„Derr muss doch wissen, was sie heute denken.“ Franjos Einwurf war für alle nachvollziehbar.
„Genau, Joseph wollte wissen, ob seine Brüder immer noch fähig sind einen der Ihren zu verkaufen. Außerdem wollte er Brüder haben, und keine Schleimer, die sich nur beim zweitmächtigsten Mann von Ägypten anbiederten. Als die Brüder das erste Mal bei ihm waren, hat er sie mit Getreide nach Hause geschickt. Bei diesem Besuch war Josephs einziger richtiger Bruder nicht dabei.“
„Wieso richtiger Bruder? Bruder ist doch Bruder“, sagte Kerstin.
„ Maannn“, erwiderte Adrian, „die anderen waren Halbbrüder.“
„Halbe Brüder, wo gibt’s denn so was“, fragte Robert, der sich gerade ausmalte, wie das aussah.
„Joseph und Benjamin hatten nicht nur den gleichen Vater, sondern auch die gleiche Mutter. Die anderen hatten andere Mütter. Da Josephs Mutter die Lieblingsfrau des Vaters war, waren die beiden Söhne auch die Lieblingskinder.“
„Brüder hin, Brüder her, erzähl doch endlich mal wie die Geschichte weiterging“, drängte Kerstin.
„Maan, du kennst die doch aus der Christenlehre, und wenn nicht, dann lies doch in Franjos Bibeltext nach.“ Adrian sah Kerstin herausfordernd an.
„Adrian Steinbrecher ich hasse dich.“
„Kerstin Blümler, das hatten wir heute noch nicht.“
„Wenn ihr mit dem Austausch von Nettigkeiten fertig seid, kann ich ja weiter machen. Als das Korn zur Neige ging, zogen die Brüder ohne Benjamin nach Ägypten, um was zu Essen zu holen. Dort lud Joseph sie an seinen Tisch ein um sie nach allen Regeln der Kunst auszufragen. Die Brüder hatten nichts gemerkt, sich natürlich gewundert, dass so ein hoher Mann alles von ihnen wissen wollte.  Vor allem fragte er, als ob er irgendwie Ahnung von der Familie hätte. Nachdem er den Brüdern das Versprechen abgenommen hatte, das nächste Mal mit Benjamin zu kommen, ließ er sie ziehen. Sicherlich hatten die Brüder nicht vor noch einmal nach Ägypten zu reisen, doch letztendlich hatte sie der Hunger hingetrieben. Sie mussten Benjamin mit auf die Reise nehmen und versprachen ihrem Vater, alles zu tun, dass ihm nichts passierte. In Ägypten waren sie wieder bei Joseph zu Gast, der es kaum schaffte seine Rührung zu verbergen. Trotzdem ließ er seinen goldenen Becher in Benjamins Getreidesack legen. An der Grenze wurden die Brüder gefangen genommen. Wieder bei Joseph angekommen wollte der Benjamin ins Gefängnis stecken. Die Brüder hielten dieses Mal zusammen, einer wollte sogar  die Strafe für Benjamin absitzen. Da erkannte Joseph, dass sie anders geworden waren. Er gab sich ihnen zu erkennen. Dabei musste er so sehr weinen, dass es die Diener, die er vorher aus dem Raum geschickt hatte, draußen hörten.“
„Jetzt ist alles in Ordnung“, sagte Franjo.
„Essen ist fertig“, riefen Adrian und Leo im Chor.
„Denkt aber nicht dass ihr um den Abwasch herumkommt“, rief Kerstin.
„ Ich dich auch“, bemerkte Adrian.


 

Franjo und das Friedenslicht IX
Das Entscheidende ist nicht das, was ich einem Menschen sage, sondern das, was ich ihm bin.
Wilhard Becker

„Heute Abend könnten wir mal zusammentragen, welche Pfadfinder euch bekannt sind.“
Die Pfadfinder hatten sich um das Lagerfeuer in der Kothe gesetzt und  schon einige Lieder gesungen.
„Christliche oder unchristliche Pfadfinder“, fragte Robert.
„Ich würde diese Frage so nicht formulieren“, sagte Roberto. „Die Ideale der Pfadfinder sind eigentlich die gleichen wie die christlichen, wobei die christlichen Pfadfinder an Gott glauben, und in Verantwortung vor ihm leben wollen. Es gibt Pfadfindergruppen, die sich mehr an die Christlichen Gemeinden halten und andere, die nicht daran angebunden sind. Außerdem gibt es auch katholische Pfadfinder, die sich stärker an die katholische Kirche halten, und im Bund St. Georg zusammengeschlossen sind. Mir geht es aber heute um Pfadfinder allgemein. Von wem wisst ihr, dass er Pfadfinder ist oder war?“
„Tick, Trick und Track“, kam es von Robert wie aus der Pistole geschossen.
„Wer“, fragte Roberto.
„Na Tick, Trick und Track“, antwortete er als müsste jeder die drei kennen.
„Kann mir mal jemand sagen wer Tick, Trick und Track ist“, Roberto sah in die Runde.
„Maan, du kennst Tick, Trick und Track nicht“, Adrian schüttelte den Kopf.
„Na die Neffen von Donald Duck. Sie sind Pfadfinder beim Fähnlein Fieselschweif und haben immer das Schlaue Buch bei sich, das die Antworten zu fast allen gestellten und ungestellten Fragen enthält.“
„Woher soll ich denn das wissen“, versuchte Roberto sich zu rechtfertigen.
„Ich kenn die auch“, machte Franjo deutlich. Manchmal las er Comics. Nur mit Trickfilmen konnte er nichts anfangen, da er weder Worte noch Hintergrundmusik hören konnte und ihm so die Spannung der Filme entging.
„Ich kenn die nicht“, sagte Roberto, ein klein wenig ärgerlich, „und jetzt könnten wir mal richtige Pfadfinder zusammentragen.“
„Also“, Kerstin holte tief Luft, „Königin Elisabeth von England, Königin Beatrix von Belgien, Fürstin Marie von und zu Liechtenstein, Prinzessin Margret von England, Königin Margarethe die II. Königin von Dänemark, „
„Ach, hör doch endlich mit deinen Königinnen auf “, sagte Adrian, „ du kannst  ja nach England fahren  und dann sagen: Majestät, will auch mal Königin werden, Pfadfinderin bin ich schon.“
Kerstin überhörte Adrians Frechheit,  holte tief Luft und sagte. „und Tick, Trick und Track.“
Karsten war an der Reihe: „ der 43. Präsident der USA George W. Bush jr., der 42..Bill Clinton, , der 32. Frank Delore Rooswelt, der 26. Theodore Rooswelt, der letzte russische Zarewitsch Alexej Nicolaus Romanow und Tick, Trick und Track.“
Adrian fielen auch gleich verschiedene Showmaster ein: „ Stefan Raab, Thomas Gottschalk, Harald Schmidt, Ottfried Fischer, Frank Elsner und ehe ich’s vergesse Tick, Trick und Track.“
„Leo, jetzt du?“, Adrian rempelte Leo an.
„Natürlich, Mark Spitz, der berühmte Schwimmer, Werner Pohl, der Direktor der spanischen Hofreitschule, Regina Helmich, die Boxerin, David Beckham, der Fußballer und so weit ich mal gehört habe  Tick, Trick und Track.“
Franjo war an der Reihe und alle waren gespannt was er sagen würde. „ Der ehemalige Bundespräsident Köhler und Tick, Trick und Track.“
Als letzter war Robert dran. Er machte es spannend. Zuerst reckte er seine Arme aus, dann tat er so als ob er sich erinnern müsste. „Ääh, Heinz Zemanek.“
„Wer soll den das sein“, fragten die Scouts im Chor.
„Kennt ihr den denn nicht? Das war doch ein Computerpionier, außerdem Bill Gates. Der ist so berühmt, da kommen die anderen gar nicht mit, außer vielleicht Tick, Trick und Track.“
„Wenn ihr noch einmal Tick, Trick und Track erwähnt, schicke ich euch sofort in die Falle.“, kündigte Roberto halb im Scherz, halb im Ernst an. Alle lachten. Aber auch ohne die drei Pfadfinder aus dem Comic wurde es noch ein schöner Abend am Lagerfeuer.
„Weißt du, Roberto, die ganze Beterei gehr mir langsam auf den Wecker.“ Leo störte sich am Tischgebet, das Roberto vorm Frühstück sprechen wollte. „Vor jeder Mahlzeit beten. Früh, mittags und abends. Betest du denn auch noch, wenn du aufs Klo gehst?“
„Was stört dich denn daran?“
„Meinst du Gott interessiert sich dafür, dass du jedes Mal Danke sagst, egal was auf dem Tisch steht?“
„Na ja, als ihr gestern gekocht habt, war ich schon ganz froh darüber, dass wir vorm Essen gebetet haben.“, sagte Kerstin.
„Wieso?“
„In der Bibel steht doch irgendwas darüber, dass es uns nicht schadet, wenn wir was Schlechtes essen. Ihr habt zwar nicht schlecht gekocht, aber sicher ist sicher, besser, wenn man Gott daran erinnert“, Kerstin grinste.
„Kerstin“, sagte Adrian, „das kriegste wieder.“
„Nun mal Spaß beiseite“, Roberto schaltete sich ein. „Als wir die Josephsgeschichte besprochen haben, dachte ich daran wie es ist, wenn man nichts zu Essen hat. Sieben Jahre in Saus und Braus, und dann sieben Jahre nichts Richtiges zu beißen. Am Ende haben die Menschen sich selbst in die Leibeigenschaft verkauft, nur für ein wenig Brot. Ich danke Gott für mein Essen. Damit tue ich mir wahrscheinlicht einen größeren Gefallen als Gott.  Jedes Mal, wenn ich bete, erinnere ich mich daran, dass es mir gut geht, auch wenn es mir manchmal nicht schmeckt.“ Miriam räusperte sich. „Schatz, so war es nicht gemeint, ich habe an die Kantine gedacht. Wenn ich bete, dann mache ich keine große Show drum. Manchmal muss ich mir bewusst machen, dass ich nicht nur etwas daherplappere, sondern wirklich mit den Gedanken dabei bin. Mir tut es auch gut wenn ich mit Freunden zusammen bin, wenn wir das Essen gemeinsam mit einem Gebet beginnen und nicht jeder loslegt, wann er gerade will.“
„Trotzdem“, sagte Leo, „man kann’s auch übertreiben.“
„Kann sein, dass du Recht hast. Vielleicht versuchst du es mit dem Tischgebet und betest monatelang rum, ohne recht zu wissen, was du machst. Eines Tages siehst du im Fernsehen fast verhungerte Kinder in Afrika oder Menschen, die von Kriegen oder Naturkatastrophen heimgesucht werden. Auf einmal begreifst du, wie kostbar es ist, wenn man jeden Tag satt wird. Ich glaube, dass die nächsten Kriege in unserem Jahrhundert wegen Öl und wegen Wasser geführt werden. Ohne Energie und ohne Wasser gibt es Hunger, Durst und anderes Elend. Kann ja sein, dass du dich, immer wenn du betest fragst, was du machen kannst, damit der Hunger in der Welt eingedämmt wird. Vielleicht wirst du daraufhin Agraringenieur, der forscht wie man in Halbwüsten essbares wachsen lassen kann. Da hätte sich das Tischgebet doch schon  gelohnt oder?“
„Oder du wirst Maschinenbauer und baust bessere Pumpen, die das Wasser fördern.“, fügte Adrian hinzu.
„Oder du konstruierst Meerwasserentsalzungsanlagen“, kam von Karsten.
„ Oder du wirst Politiker, der sich darum kümmert, dass alles besser verteilt wird“, kam von Kerstin.
„Du bekämpfst den Hunger.“, Franjo machte eine Faust und zeigte damit auf Leo.
„Oder du wirst General und wir erschießen alle, die uns was wegnehmen wollen.“
„Rooobert“, Kerstin fasste ihn behutsam am Arm und sprach zu ihm wie mit einem Kind „wir wollen doch friedlich bleiben.“
„ Jedenfalls kann so ein kleines verachtetes Tischgebet Erstaunliches auslösen.“ Roberto faltete die Hände und die Pfadfinder mit ihm. Er dankte Gott nicht nur für das Essen, sondern
auch für das gemeinsame Wochenende. Alle sagten laut, Amen, dazu.

 
Franjo und das Friedenslicht X
Die Liebe, die Du vermisst, reklamiere sie nicht, lebe sie!
Chris P. Tian
Roberto freute sich schon auf die nächste Pfadfinderstunde. Das Wochenende war prima verlaufen, sicher würden die Pfadfinder heute auch wieder viel Spaß haben. Er war sehr erstaunt, als er feststellen musste, dass anscheinend zwischen Adrian und Leo, die sich so prima verstanden hatten,  dicke Luft herrschte. Nachdem die Pfadfinder einige Lieder gesungen hatten sprach Roberto sie darauf an.
„Was ist denn mit euch los? Seit wann herrscht denn Funkstille zwischen euch?“
Adrian sah nach rechts und Leo nach links.
„Redet überhaupt jemand mit mir?“
Franjo gab Adrian einen Knuff und zeigte auf dessen Mund. Adrian schüttelte den Kopf. Da er zwischen den beiden saß, bekam jetzt Leo einen Knuff. Der wiederum schien auf dieses Zeichen gewartet zu haben.
„Ja, bei den Pfadfindern, da bin ich dein Freund, da geht es nur Leo hinten und Leo vorn, aber in der Schule da bin ich Poldi, mit dem man besser nichts zu tun hat“, Leo sah , um Franjo herum, zu Adrian.
„Du weißt, dass das nicht wahr ist“, sagte Adrian und sah seinerseits auch um Franjo herum zu Leo.
„Könnte mir endlich einer von euch beiden sagen, was hier los ist“, rief Roberto.
„Naja“, sagte Adrian kleinlaut, „wir wurden heute in der Schule umgesetzt. Leo wollte sich neben mich setzen, aber ich wollte nicht.“
„Sag ich doch“, beeilte sich Leo zu sagen, „hier bist du mein Freund, und in der Schule kannst du mich nicht leiden. Das ist so als würdest du Sonntag in die Kirche gehen und Montag sagen: Es gibt keinen Gott.“
„Das ist überhaupt nicht wahr. Ich wollte mich neben Torsten setzen, weil er in Mathe besser ist als ich.“
„Ach, und ich bin doof?“
„Quatsch, aber du kannst mir auch nicht helfen, wenn ich nicht weiterweiß.“
„Na, vielleicht könnten wir dann zusammen die Antwort suchen?“
„Aber wenn Torsten schon die Lösung hat?“
„ Aber wenn ihr die Lösung gemeinsam sucht, habt ihr mehr davon als wenn du die Lösung vorgesagt bekommst. Mach dir´s schwer, dann hast du´s leicht“, gab Roberto zu bedenken. Zu Leo gewandt sagte Adrian: „Mensch, gut, ich rede morgen mit Staupitz (dem Lehrer), aber wehe, wenn du mir nicht bei Mathe helfen kannst.“
Franjo hatte zwar nicht ganz mitbekommen worum es ging, doch er spürte, dass sich die zwei wieder vertragen wollten. So nahm er die Hände der beiden und fügte sie vor sich zusammen.
„Ach, wenn es doch immer so leicht wäre sich zu vertragen“, seufzte Kerstin.
„Ist es nicht“, sagte Roberto. „Aber erstens wollten die beiden und zweitens gibt es keine Alternative dazu, sich zu verzeihen.“
„Wieso“, fragte Leo.
„Der, der nicht verzeihen kann, tut sich selber immer am meisten weh“, war Robertos Antwort. „Jesus sagte mal, dass wir sieben mal siebzig Mal verzeihen sollen.“
Kerstin rechnete schnell:„Na, da müsste ja man Buch führen.“
„Eben, so war’s gemeint, besser immer verzeihen als ständig zu rechnen“, Roberto dachte damit das Thema beenden zu können.
„So einfach ist das nicht“, ereiferte sich Leo, „ wenn der Klügere immer nachgibt, regieren die Dummen.“
„Zugegeben, Unrecht muss angesprochen werden und, so möglich, verändert. Wenn man sich gegenseitig verletzt hat, kann man nicht immer zur Tagesordnung zurückkehren und tun als ob nichts geschehen wäre. Um Entschuldigung bitten und wieder gut machen, was geht. Wenn man nur labert wird man unglaubwürdig. Hat man sich gegenseitig verletzt, kann das noch lange Zeit nachwirken, selbst wenn man sich scheinbar versöhnt hat.“
„Wie meinst du das schon wieder“, fragte Leo.
„Du kannst dich doch an die Jakobsgeschichte erinnern“, fragte Roberto.
„Natürlich“.
„Als Josephs Vater gestorben war, bekamen die Brüder Fracksausen. Nach der Beerdigung haben sie jemanden mit einer Botschaft zu Joseph geschickt. Dein Vater hat gesagt, dass du uns verzeihen sollst. Nach so langer Zeit in Ägypten, ließen sie Joseph ausrichten, dass es ihnen Leid tut. `Vergib deinen Brüdern, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes, deines Vaters!“.
„Und was hat das, bitteschön, schon wieder mit Gott zu Tun“, stöhnte Leo.
„Es hat eben alles mit Gott zu tun“, schmunzelte Roberto.
„Na, vielleicht will Gott ja, dass wir miteinander versöhnt leben“, überlegte Kerstin.
„Ich glaube sogar, dass es drei Bereiche gibt in denen wir immer wieder Versöhnung brauchen. Das Betrifft unser Verhältnis zu Gott, das Verhältnis zu den Menschen, mit denen wir zu tun haben, und auch das Verhältnis zu uns selber.“
„Roberto, ich habe mir selber nichts zu verzeihen“, sagte Leo.
„Du glücklicher“, antwortete Roberto, „ es gibt viele Menschen, die sagen: Das und das kann ich mir nicht verzeihen, oder sie schlagen sich mit Fehlern aus der Vergangenheit rum.“
„Und was bitteschön sollen wir Gott verzeihen“, Leo hat immer noch Probleme mit der Existenz Gottes.
„ Auch hier gibt es zwei Seiten. Manche Menschen tragen großen Groll auf Gott in sich. Es kann sein, dass sie Zornig darüber sind, wie ihr Schicksal verlaufen ist. Es kann auch sein, dass sie mit ihrer Familie, ihrem Aussehen oder ihren Lebensumständen unzufrieden sind und Gott deswegen hassen. Andrerseits hat Gott Vorstellungen davon, wie wir unser Leben führen sollen. Der ist auch sauer wenn wir ihn nicht respektieren und gegen seine Regeln verstoßen. Gottes Zorn ist auch keine Kleinigkeit. Hier braucht´s eben auchVersöhnung.“ 
„Mit den Menschen um uns rum, das kann ich schon verstehen. Wenn man nicht immer wieder aufeinander zugeht fliegen bald überall die Fetzen“, sagte Kerstin, „Trotzdem möchte ich mal wissen was du machst wenn du dich mit jemanden gestritten hast?“
Roberto kratzte sich am Hinterkopf: „Das ist ganz unterschiedlich. Ich bemühe mich so schnell wie möglich mit dem anderen…“ „Und der anderen“, fügte Kerstin ein. „Und auch mit der“, Roberto nickte, „ ins Reine zu kommen. Manchmal mache ich das mit einem kleinen Geschenk oder Blumen“. „Sicher bei Miriam“, Leo grinste. „Grins nicht“, sagte Roberto in Richtung Leo, „ wenn wir früher, als Pfadfinder, über die Stränge geschlagen haben, rief einer: Scharmoffensive und wir versuchten unseren Mist damit gutzumachen, dass wir besonders nett waren.“
„Was hat denn Joseph gemacht als ihn die Brüder um Verzeihung gebeten haben?“ Leo war es, der das fragte. „Joseph brach in Tränen aus, als ihm die Botschaft der Brüder gebracht wurde.“
„Wieso?“
„Na, er hatte ihnen schon längst vergeben.“
Franjo, der nur Bruchstücke der Unterhaltung mitbekommen hatte hob den Finger, machte dann ein Handzeichen, das aussah, als streichelte die rechte Hand den linken Handrücken und
 sagte in seiner eigentümlichen Art in die Runde:
„Vergeben und Verzeihen.“



Franjo und das Friedenslicht XI
Verzeihen ist der Schönste Sieg.
Deutsches Sprichwort

Eine Person in der Kirchgemeinde beobachtete die Pfadfinder immer mit Argusaugen, Frau Winter. In der Kirchgemeinde gab es zwei Putzfrauen, Frau Winter und Frau Sommer. Man könnte meinen, dass sie ihre Aufgabenbereiche nach ihren Namen ausgesucht hätten. Während Frau Sommer die Kirche putzte, somit hauptsächlich in der warmen Jahreszeit zu tun hatte, war Frau Winter für das Gemeindehaus zuständig in dem sich in der kalten Jahreszeit fast alles abspielte. Beide Frauen waren etwa gleich alt und konnten sich nicht besonders gut leiden. Frau Sommer nahm es, gelinde gesagt, nicht so genau. Frau Winters Kommentar: „Die Sommern kennt nur runde Ecken.“ Stattdessen war Frau Winter die Gründlichkeit in Person. Während Frau Sommer sich gern mal auf ein Plauschchen abhalten ließ, war Frau Winter während ihrer Arbeit nicht so gesprächig. Eines hatten sie gemeinsam, sie wussten alles. Frau Steinbrecher, Adrians Mutter, hatte kein gutes Verhältnis zu Frau Winter. Bei der Putzfrau schien es ein elftes Gebot zu geben: Du sollst das Gemeindehaus mit alten klappernden Blecheimern putzen.  Vom Beachten dieses Gebotes war sie nicht abzubringen. Da Frau Steinbrecher als Krankenschwester im Schichtdienst stand, war sie mehr als einmal sehr verärgert über das Geklapper, dass in der Pfarrwohnung zu hören war. Pfarrer Steinbrecher dagegen, war sehr froh darüber, dass er eine Putzfrau wie Frau Winter hatte. „Die Gemeinde findet leichter einen guten Pfarrer als eine gute Putzfrau“, waren seine Worte. Besonders schätzte er ihr Entgegenkommen. Da es bekannt war, wie gründlich sie putzte, hatte Frau Winter schon viele Angebote bekommen. Man bot ihr das doppelte Gehalt, doch sie blieb der Kirchgemeinde, beim halben Geld, treu.  „Ich mach das doch für den Herrn Jesus“, hatte sie zum Pfarrer gesagt. Das waren keine leeren Worte, denn bei ihrer kargen Rente hätte sie das Geld wirklich brauchen können. Außerdem hatte sie ein  großes Herz für die Gemeinde. Als die Pfadfindergruppe im Entstehen war, sah sie das mit gemischten Gefühlen. Wenn das wieder so eine Gruppe war, die viel Dreck rein brachte, bei der aber nichts für die Gemeinde heraussprang, wollte sie nicht länger widerspruchslos allen Schmutz wegmachen. Von Anfang an beobachtete sie die Pfadfinder, ob sie mit dreckigen Schuhen ins Gemeindehaus kamen oder nicht. Deshalb richtete sie es immer so ein, dass sie in der Gemeindeküche etwas vorzubereiten hatte, wenn die Pfadfinderstunde begann. Als Franjo, ihr heimlicher Liebling, zu den Pfadfindern fand entspannte sich das Verhältnis zu Roberto und den Scouts ein wenig doch sie blieben in Beobachtung.
Es war ein kalter, vernieselter Oktobertag. Roberto war schlecht gelaunt. Bei diesem Wetter war er froh, dass die Gruppe keinen Fußball spielen wollte. Die Pfadfinder trafen sich immer vor der Stunde an der Bushaltestelle und warteten auf Roberto, der dort vorbei kam. „Heute bleiben wir im Gemeinderaum. Wir könnten uns ja mal darüber unterhalten, wie man Konflikte friedlich löst.“ Das Interesse der Scouts schien nicht besonders groß zu sein. An der Tür zum Pfarrgelände erschien, rein zufällig, Frau Winter mit einem Blick auf die Schuhe der Pfadfinder. Gemeinsam ging es zum Pfarrhaus. Als sie die Tür öffneten dachten sie, es trifft sie der Schlag. Ein Kirchgemeinderat wollte in der letzten Woche einen Kleiderhaken im Flur anbringen, traf aber versehentlich eine Elektroleitung beim Bohren. Um Geld der Kirchgemeinde zu sparen, erklärten sich ein Elektriker und ein Maurer der Gemeinde bereit die alten Elektrokabel im Flur, im Ehrenamt, zu erneuern. Warum auch immer, die beiden hatten sich nicht besonders in Acht genommen. Die Tür zum Gemeinderaum war auch noch aufgeblieben, und die Beiden hatten  keine Zeit, den Dreck wegzumachen. Niemand wusste von dieser Aktion, so waren die Pfadfinder und Frau Winter völlig überrascht. Frau Winter begann zu zetern: „Mit der Alten kann man es ja machen, die räumt den Dreck schon weg. Ist ja schön, wenn man so ein dummes Dreckputtel hat. Nur drauf auf die Alte.“ Roberto und die Pfadfinder verzogen sich klammheimlich nach draußen und ließen Frau Winter im Pfarrhaus stehen. Auf dem Dorfplatz, vor dem Pfarrhaus, bauten sie sich einen Parcours auf und übten mit dem Fußball Dribbeln. Man gab sich dem Spiel hin. Da  es aufgehört hatte zu nieseln begann es sogar Spaß zu machen. Roberto zeigte seine Künste links, rechts, links und dann Schuss. Er zielte auf das Holztor am Pfarrgelände. Es gab einen richtigen Schlag.
„Wenn ihr nicht augenblicklich aufhört, hole ich die Polizei.“, Frau Winter war außer sich.
„Ach, das brauchen sie nicht, wir sind schon genügend.“ Kaum hatte er diese freche Bemerkung gemacht, tat es Roberto auch schon wieder leid. Er sah durch die Tür und bemerkte wie Frau Winter ein Taschentuch aus der Kittelschürze holte und damit über ihre Augen wischte. Roberto blickte zu den Pfadfinder und rief: „Scharmoffensive.“
Die Pfadfinder stürmen ins Pfarrgelände. „Kommen sie, Frau Winter, wir helfen ihnen“, sagte  Kerstin freundlich. Jetzt begann sie zu kommandieren und teilte die Jungs ein. „Leo und  Adrian, ihr packt den Putz in Eimer und schafft ihn raus. Karsten und Franjo, schnappt euch die Besen Roberto, du schraubst die Lampen ab und du Robert wischt Staub.“
„Aber ich weiß doch nicht wie das geht“, kam kläglich von Robert. „Komm ich zeig dir´s“  Kerstin nahm ihn mütterlich unter ihre Arme, obwohl er nur ein reichliches Jahr jünger war als sie. Es war ein Gewusel im Pfarrhaus, Frau Winter konnte es nicht fassen. Alle waren beschäftigt und Flur, Gemeinderaum und Gemeindeküche waren schon fast sauber als Adrian auffiel, dass Frau Winter fehlte. „Typisch“, sagte er, dem die Abneigung seiner Mutter gegen Frau Winter nicht verborgen geblieben war, „wir schuften und die verdrückt sich.“ Kaum hatte er das gesagt, kam Frau Winter mit zwei Behältern in den Händen durch die Tür des Pfarrhauses. Sie brachte Vanilleeis und im anderen Behälter Himbeeren. Nachdem die Räume wieder klinisch rein waren gab es Vanilleeis mit Himbeeren. Mit diesem Festmahl haben Frau Winter und die Pfadfinder Frieden geschlossen. Was keiner wusste: Himbeeren sind Frau Winters Lieblingsfrüchte. Sie kaufte sich aber niemals welche, sondern nahm nur die, die in ihrem Garten wuchsen. Ihren Jahresvorrat fror sie ein, um sich an besonderen Momenten mit Himbeeren zu belohnen. Diesen Jahresvorrat stellte sie jetzt bereitwillig den Pfadfindern zur Verfügung.  „Herr Fischer, ich war ja sehr skeptisch, ob sie die Pfadfinder wirklich christlich erziehen oder nur so einen Larifari machen“, sagte Frau Winter zu Roberto, als die Scouts schon weg waren. „Aber ich glaube, sie machen das schon.“
Als Roberto die Geschichte zu Hause Miriam erzählte, fragte die: „Wolltest du nicht über friedliche Konfliktlösung reden?“.
Seit dieser Zeit ließ Frau Winter nichts mehr über die Pfadfinder kommen. 


Franjo und das Friedenslicht XII
„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“
Jesus Christus                                                                                     Matthäus 25, 40
„Roberto, kochst du mir einen Tee“, Miriam sah ihren Mann an. Seit sie in ihrem Haus wohnten, hatten sie es sich zur Gewohnheit gemacht im Herbst/ Winter samstags Nachmittag Dämmerstunde zu halten. Sie schoben ihre gepolsterten Stühle mit den Armlehnen so nebeneinander, dass sie durch das Verandafenster zum gegenüberliegenden Wald sehen konnten. Auf dem, vor ihnen stehenden, Tisch brannte eine Kerze.  Nur zwischen den Baumkronen und dem oberen Ende des Fensters sah man den Himmel. Langsam wurde es Dunkel. Bei klarem Wetter begannen, mit der Zeit, ein paar Sterne zu leuchten. Im Zimmer wurde es immer gemütlicher. Roberto sammelte gern Kräuter und Beeren, um daraus Tee zu machen.
„Was für einen Tee?“
„Roberto Speziale, mit Honig gesüßt.“
Als beide beim Dämmerlicht saßen, sagten sie eine Zeit lang gar nichts. Jeder hing seinen Gedanken nach. Miriam erinnerte sich an ihre ersten Begegnungen. Die Eigenschaft Robertos, die sie am meisten beeindruckte, war seine Art, die Dinge in Ruhe anzugehen. Er wiederum liebte ihre Spontaneität. Gegensätze ziehen sich eben an. Später war es manchmal gar nicht einfach, diese Gegensätze auszuhalten. Roberto kam nicht aus der Soße und Miriam war ihm zu sprunghaft. Nach einigem Hin und Her fanden sie einen Weg, um miteinander klar zu kommen. Eigentlich ergänzten sie sich inzwischen ganz prima. Seit vier Jahren wünschten sie sich ein Kind. Sie hatten  oft darüber geredet, schon daran gedacht einen Arzt einzuschalten, aber Roberto konnte sich nicht dazu entschließen.
„Na, dieses Weihnachten wird es nun nichts mehr mit einem Christkind“, Miriam versuchte ihrer Stimme einen beiläufigen Klang zu geben.
„Ein Christkind i.A. könnte es aber noch werden.“
„Wie i.A.?“
„Na, in Arbeit.“
„Da müssten wir uns aber anstrengen.“, Miriam lächelte ihn an.
„Na, wenn du mich darum bittest, könnte ich es ja mal versuchen“, Roberto blickte verschmitzt zurück.
„Ach, ich weiß nicht, wenn du dich da mal nicht überanstrengst.“ In Miriams Augen funkelte der Schalk.
„Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
Plötzlich klingelte es. Beide sahen sich fragend an. Vor der Haustür stand Karstens Vater.
„Entschuldigen sie die Störung“, er wusste nicht, wie er das Gespräch beginnen sollte.
„Ach kommen sie doch erst einmal herein“, sagte Miriam freundlich lächelnd.
„Wollen sie einen Tee, mein Mann hat gerade welchen gemacht.“
Miriam lud ihn ein, am Tisch Platz zu nehmen: „Was führt sie denn zu uns“?
 Roberto, der kein besonders freundliches Gesicht machte, bekam einen kleinen Tritt unter dem Tisch.
„Sehen, sie“, Karstens Vater rang nach Worten,  „als sie mit den Pfadfindern zum Zeltwochenende waren, hat ihnen mein Sohn von meiner Frau erzählt. Sie ist schon seit zwei Jahren krank. Auch das Krankenhaus konnte ihr nicht helfen. Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich mich viel mehr um Karsten kümmern, aber ich bekomme in der Nähe keine Arbeit. Von Sonntagabend bis Freitagabend bin ich nicht da und er muss den Haushalt alleine führen. Wenn ich dann zu Hause bin,  muss ich das nötigste besorgen und schon ist das Wochenende rum. Sie können sich nicht vorstellen, wie mies ich mich fühle.“
Karstens Vater sah unglücklich aus“
„Und was können wir für sie tun?“, fragte Miriam.
„ Ich habe mit unserem Hausarzt gesprochen und er hat einen Platz in einer Spezialklinik besorgt, wie sie das vorgeschlagen hatten. Ich weiß nun aber nicht, wo Karsten unter der Woche bleiben soll.“
Roberto wollte fragen: „Wie ging es denn bis jetzt“, doch Miriam antwortete spontan: „Natürlich kann er während der Woche bei uns bleiben, so lange wie seine Mutter im Krankenhaus ist.“ Roberto wollte etwas sagen, doch da bekam er seinen zweiten Tritt unter dem Tisch.
„Ach, da bin ich ihnen aber dankbar.“ Karstens Vater erhob sich. Wir sprechen morgen noch mal ausführlich drüber, jetzt muss ich zu meiner Frau. Vielen Dank, vielen, vielen Dank.“
„Was war denn das“, fragte Roberto verärgert als  der Gast fort war.
„Die Familie braucht Hilfe, und wir helfen.“
„Du hättest mich ja wenigstens mal fragen können.“
„Und was hättest du dann gesagt?“
„Weiß nicht.“
„Aber die zwei brauchen die Antwort nicht in drei Tagen. Natürlich weiß ich, dass das für dich viel zu schnell geht, natürlich erinnere ich mich dran, dass du, selbst als ich bei dir eingezogen bin, Schwierigkeiten damit hattest, dass ein anderer Mensch in deiner Nähe ist. Aber inzwischen bist du sauer, wenn ich ein paar Tage nicht da bin.“
„Das gibt dir trotzdem nicht das Recht, so über meinen Kopf hinweg zu entscheiden.“
„ Schau, Jesus hat doch gesagt: Wer eines dieser Kinder aufnimmt, nimmt mich auf.“
„ Schatz“, dieses „Schatz“ Robertos klang ein wenig aggressiv,  „ Erstens hast du dieses Zitat aus dem Zusammenhang gerissen und zweitens kann ich es überhaupt nicht ausstehen, wenn man Bibelstellen dazu benutzt um die eigenen Taten zu rechtfertigen oder um andere damit in eine beliebige Richtung zu drängen. Bibelstellen sind Wegweiser, gehen muss man freiwillig.“
„Na komm, es gibt doch genug Stellen in denen Jesus uns aufruft zu helfen.“
„Das ist mir egal.“
„Ich weiß nicht ,was du hast.“
„Was ich habe? Was ich habe, das will ich dir sagen. Stell dir vor Karsten kommt auf dumme Gedanken und knackt in der Zeit, in der er bei uns ist, ein Auto und fährt es zu Schrott, oder er freundet sich mit einem Mädchen an und sie wird schwanger. Das ist dann Verletzung der Aufsichtspflicht.“
„Oder er beschafft sich ein Gewehr und erschießt seinen Lehrer.“, Miriam sah ihren Mann lange an. „kann es sein, dass du Angst hast.“
„Ja, ich habe Angst, Angst davor, dass jemand in unserem Haus ist, Angst davor, dass jemand dabei ist wenn ich mit dir reden will, eben Angst davor, dass sich ein Fremder einnistet.“
„Ach komm, wir packen das schon.“ Miriam streichelte ihm über den Kopf. „Wenn Jesus sagt: `wer eines dieser Kinder aufnimmt, nimmt mich auf´, dann verspricht er doch bei uns zu sein. Klar, Karsten ist ein völlig fremder Mensch für uns. Natürlich brauchen wir Gottvertrauen wenn wir uns um andere kümmern, weil so viel schief gehen kann. Wir müssen sogar mit Undank rechnen wenn wir helfen. Sollte uns das abhalten nach Jesu Wort zu handeln? Freiwillig! Wo er uns doch seine Nähe verspricht?“
Roberto brummelte etwas vor sich hin. „Außerdem können wir da schon einmal üben, wie das ist, wenn wir eine dritte Person im Haus haben.“
„Ich hätte aber neun Monate Zeit mich auf eine dritte Person, die ich meine, vorzubereiten.“
„Kann schon sein aber mit Karsten gibt’s wahrscheinlich keine schlaflosen Nächte.“
„Hoffentlich hast du Recht.“
Roberto regte sich langsam ab. „Sag mal, hält uns ein Dauergast eigentlich davon ab, etwas für die Zukunft unserer Familie zu tun?“  „Heute bestimmt nicht“, antwortete Miriam und zwinkerte mit einem Auge.
 

Franjo und das Friedenslicht XIII
Kein Streit würde lange dauern, wenn das Recht oder das Unrecht nicht auf beiden Seiten wäre.
François de La Rochefoucauld
 „ Ich hab dir´s ja gleich gesagt.“, Roberto war sehr aufgebracht.  Er hatte sich zwar damit abgefunden für einige Wochen einen Dauergast zu haben, doch mit Karstens Musik kam er überhaupt nicht zurecht. „ Du hast ja gesagt und jetzt haben wir den Salat.“
Seit Montag drang laute Musik aus Karstens Zimmer und Roberto bekam die Krise.
„Du weißt genau, dass ich erst einmal meine Ruhe brauche, wenn ich nach Hause komme. Ich bin schon froh, wenn ich keine Überstunden machen muss, um das Projekt noch vor Weihnachten ordentlich abzuschließen. Ich muss von früh bis abends Gas geben und bin fertig wenn ich heim komme. Früher bin ich gern nach Hause gekommen, aber wenn unser jugendlicher Terrorist mich weiter so beschallt, dann raste ich noch aus.“
„Was heißt hier, du rastest noch aus? Du bist doch schon ausgerastet.“
Sonntagabend war Karsten in Miriams und Robertos Gästezimmer eingezogen. Natürlich war man sich erst einmal fremd und unsicher. Karsten war sehr zurückhaltend und Miriam meinte, dass man ihm erst einmal Zeit lassen sollte, sich einzugewöhnen. Karsten hatte seine Stereoanlage mitgebracht und seine Musik. Ab Montag dröhnte dann laute Musik durch das Haus. Am ersten Abend hatte Roberto sich das noch gefallen lassen. Er stand in der Firma sehr unter Druck. Das Projekt, das er betreute war sehr anspruchsvoll. Ständig wollte jemand etwas wissen, Probleme mit den Auftraggebern, all das führte dazu, dass er am Abend fix und fertig war. Nach zwanzig Minuten Ruhe ging es ja wieder, doch diese zwanzig Minuten brauchte er unbedingt. Als der musikalische Terror auch am Dienstag nicht nachließ, begann Roberto zu kochen. Am Mittwoch eskalierte die Situation. Roberto ging wutentbrannt in Karstens Zimmer und wollte dem langhaarigen Bombenleger zeigen, wer hier der Herr im Haus ist.
„So lange du die Beine unter meinen Tisch steckst, bleibt die Musik aus.“ Karsten hatte zwar die Musik ausgemacht, doch heute am Donnersteg war sie wieder in voller Lautstärke zu hören, wenn nicht sogar noch lauter. Karsten fühlte sich unverstanden, außerdem wollte er sich unter keinen Umständen unter Druck setzen lassen. Sollten sie ihn doch rausschmeißen.  Bisher kam er alleine ganz gut zu recht, da würde er eben wieder ausziehen. Er war von Roberto bitter enttäuscht. Bei den Pfadfindern hatte er immer so auf Jugendversteher gemacht, und hier zu Hause war er so ein Tyrann.
„Komm, wir gehen ein paar Schritte“, Miriam wusste, dass Roberto bei dieser Musik keinen klaren Kopf bekommen würde.
„Das fehlte noch, dass ich mich aus meinem eigenen Haus vertreiben lasse.“
„ Ich brauche frische Luft und ich würde mich freuen wenn du mitkommst.“ Miriam würde alle diplomatischen Register ziehen müssen, um die Situation zu retten. Sie zog sich an und Roberto folgte ihr widerwillig. „Ach, was soll’s, bei der Musik, bei der man denkt jemand schmeißt ständig Geschirr in die Küche, kann ich sowieso keinen klaren Gedanken fassen.“
Miriam verkniff sich jegliche Bemerkung. Beide gingen wortlos nach draußen. Im Dämmerlicht liefen sie durchs Dorf, die Straßenlaternen gingen an. Roberto sagte immer noch nichts. Miriam kannte ihren Mann inzwischen so gut, dass sie auch nichts sagte und geduldig darauf wartete, dass er zu sprechen anfing. Vorher wäre alles Reden sinnlos. Es dauerte exakt zwanzig Minuten.
„ Ich weiß nicht was ich noch machen soll.“ Roberto war jetzt versöhnlicher.
„Mit Karsten reden.“
„Hat doch schon mal nicht geklappt.“
„Da warst du ja auch in Brast. Wenn du sauer bist, sagst du Sachen, die dir hinterher leid tun.“
„Soll ich hingehen und sagen: Ja, Karsten, war alles richtig, mach nur so laut du kannst, ist ja egal wie ich meine Arbeit schaffe, wenn ich durchdrehe und mein Chef mich rausschmeißt dann hören wir uns gemeinsam das Zeug an, das du dir reinziehst?“
„Roberto, habe ich dir schon gesagt, dass du einen Hang zum theatralischen hast?“
„Ja.“
„Versuch dich doch mal in Karstens Situation zu versetzen.“
„Bin ich etwa schon so alt?“
„Das hat doch damit nichts zu tun. Er war so lange Zeit mit seiner Mutter allein. Karsten ist viel erwachsener als die Teenies in seinem Alter. Meinst du es ist leicht  den ganzen Haushalt zu besorgen, mit einer kranken Mutter zusammen zu leben und für sie da zu sein? Er ist jetzt 13 und die ganze Sache geht schon fast zwei Jahre. Und nun auf Knall und Fall ist er in einer völlig anderen Situation. Er war bisher der Herr im Haus und nun…“
„Tut mir ja auch leid“ Roberto begriff worauf Miriam anspielte.  „Meinst du, wir finden einen Kompromiss?“
„Ich glaube es geht hier nicht nur um einen Kompromiss“, Miriam blieb stehen und sah ihrem Mann ins Gesicht, „wir müssen lernen miteinander zu leben, nicht nebeneinander. Denkst du noch an die Bibelstelle mit dem Kind?“
„Wer eines dieser Kinder aufnimmt, nimmt mich auf?“
„Genau die. Du sagst, du bist Christ. Du behauptest, dass du Jesus in dein Leben aufnimmst. Beschäftigst dich mit dem, was er gesagt und getan hat, fragst dich, was er an deiner Stelle tun würde, redest mit ihm…“
„Ja und?“
„Wenn wir Karsten, sei es auch nur für ein paar Wochen, aufnehmen, dann müssen wir unser Leben mit ihm teilen wie wir unser Leben mit Jesus teilen.“
„So habe ich das noch nicht gesehen. Ich weiß aber nicht ob ich das will.“
„Wir müssen ihn doch nicht in unser Schlafzimmer lassen, aber Anteil geben, an dem, was uns bewegt und vor allem auch für ihn da zu sein. Ich glaube, dass es ihm schwer fallen wird sich zu öffnen und das auszusprechen, was ihn belastet oder was ihn froh macht. Eigentlich war er Jahre lang allein.“
Roberto schwieg. Dieses Mal war es kein Trotz sondern Nachdenklichkeit.
Die beiden machten sich auf den Heimweg.
„Du, mir kommt da noch so ein Gedanke. Vielleicht braucht er die Musik wirklich“, sagte Miriam in die Stille hinein.
„Den Lärm, wozu denn?“
„ Am Montag ist er bei uns eingezogen, alles ist fremd, eigentlich hat er bei uns nichts was ihn an sein Zuhause erinnert. Vielleicht sollte er irgendein Möbelstück holen. Unser Leben verläuft anders als sein bisheriges. Da ist die schreckliche Musik vielleicht das Einzige, was ihm geblieben ist. Kann doch sein, dass er beim Hören von dem Zeugs das Gefühl hat: Die Musik, das bin ich.  Wir hatten bisher nicht darüber gesprochen, ob sein Vater Kostgeld abgibt. Mir ist das egal. Wir bekommen ihn auch ohne satt...“
„ In dem Alter hauen die Jungs schon ganz schön rein, aber deswegen mach ich mich doch auch nicht verrückt“, pflichtete Roberto Miriam bei.
„ Kann aber sein, dass er sich verrückt macht.“
„Wieso?“
„Er hat bisher, wenn auch nicht finanziell, für sich selber gesorgt. Was ist, wenn er sich jetzt als Almosenempfänger vorkommt?“
„ Meinst du?“
„Ich hole ihn nachher zum Abendbrot runter. Wir werden versuchen, einfach Zeit füreinander zu haben.“
„ Und wenn er mauert und nichts sagt?“
„Geduld, Karsten hat noch nie viel gesagt. Lass mich mal machen, ich werde einfach vorsichtig fragen. Außerdem könntest du ihm sagen, dass dir dieser blöde Satz leid tut.“
„Welcher?“
 „Der mit den Beinen unterm Tisch. Erkläre ihm lieber deine Situation und bitte um Verständnis. Sprich ihn auf das Kostgeld an, bitte ihn um Mithilfe im Haushalt und frage ob er dich im nächsten Jahr beim Garagenbau unterstützt.“
„Na, hoffentlich klappt das.  Ich hatte schon richtig Angst vor der nächsten Pfadfinderstunde. Zu Hause brodelt es und bei den Scouts „Heile Welt“, so was will ich nicht.“
Kurz vor der Haustür sagte Roberto zu seiner Frau: „Ich weiß jetzt, warum du keine Kompromisse magst. Das Verhandeln, dass jeder zu seinem Recht kommt, ist eben nur die zweitbeste Lösung. Aufeinander zugehen, versuchen sich zu verstehen und füreinander da sein ist besser.“


Franjo und das Friedenslicht XIV
Man kann ohne Liebe Holz hacken, man kann aber nicht ohne Liebe mit Menschen umgehen.
Leo Tolstoi

Roberto war froh, dass er inzwischen mit Karsten klar kam. Auch, wenn es nicht die große Liebe war, ihr Verhältnis war entwicklungsfähig. Miriams Vorschlag, Karsten verschiedene Pflichten zu übertragen, kam gut bei ihm an. Die Pflichten gaben ihm das Gefühl dazu zu gehören. Karsten hörte seine Musik, so lange Roberto auf Arbeit war, wobei Miriam den Geräuschpegel bestimmte. Der war zwar höher als Roberto ihn ertragen hätte, aber doch etwas niedriger als vorher. Sie hatte Angst, Karsten könnte Hörschäden davon tragen. Da sie an Franjos Probleme erinnerte, hatte Karsten das auch akzeptiert.
Dieses Problem war gelöst, da tat sich schon wieder ein neues auf. Franjos Mutter stellte ihren Sohn vor die Wahl: entweder Pfadfinder oder Fußball. Sie hatte Angst, dass er zu oft unterwegs war und seine schulischen Leistungen darunter litten. Andreas und Thomas bewunderten Franjos Fußballkünste seit seinem ersten Erscheinen auf dem Sportplatz. Nachdem er sie das Fürchten gelehrt hatte, gab es nur ein Ziel für sie: Franjo muss in ihre Mannschaft. Drei mal pro Woche luden sie ihn zum Fußballtraining ein. Franjos Traum schien sich erfüllt zu haben. Nun sollte er entscheiden was ihm wichtiger war. Franjo stand vor einer schwierigen Wahl.  Niemand wusste wie er sich entscheiden würde. Er wusste es selbst nicht.
Als er die Sache den Pfadfindern während ihrer Stunde erklärte, waren alle wie vom Donner gerührt. Nach anfänglicher Lähmung standen die Scouts auf und redeten auf ihn ein. Franjo war von den Freunden umringt, die fast alle einen Kopf größer waren als er. Natürlich verstand er kein Wort. Außerdem war er so aufgeregt, dass er nichts aus ihren Gesten ablesen konnte. Auf einmal stellte sich Karsten vor ihn, legte die Hände auf seine Schultern und sah ihm ins Gesicht. Karsten hatte Tränen in den Augen. „Franjo, wir brauchen dich doch.“ Franjo verstand zwar Karstens Worte nicht, aber trotzdem wusste der Bescheid. Er sah Karstens Tränen, er erinnerte sich daran, dass fast jeder schon mit Franjo gesprochen und sein Herz bei ihm ausgeschüttet hatte. Auch Franjos Augen wurden feucht. Die Pfadfinder  wurden still, man konnte eine Stecknadel fallen hören. Er sah jedem ins Gesicht. Karsten, Kerstin, Adrian, Leo und sogar Robert, der sonst nicht so viel mit Franjo zu tun hatte, schauten erwartungsvoll zu ihm. Da kam Roberto auf Franjo zu und hielt ihm die Hand hin. Karsten ging zur Seite. Franjo schlug in Robertos ausgestreckte Hand ein. Alle Pfadfinder legten ihre Hände auf Franjos und Robertos Hand. „Einer für alle, alle für einen“, rief Robert. „Man, das waren doch die drei Musketiere“, sagte Adrian und schluckte, um seine Rührung zu verbergen. „Na, wir sind doch die sechs Pfadfinder“, sagte darauf Leo, der auch schluckte, um seinerseits nicht uncool zu erscheinen.
Franjo erklärte Andreas und Thomas, dass er sich für die Pfadfinder entschieden hatte. Warum musste es nur sein, dass er sich einerseits für etwas entschied, das er mochte und damit gleichzeitig gegen etwas anderes, was ihm auch ans Herz gewachsen war? Trotzdem er nun wusste, dass er gute Freunde gewonnen hatte, fiel es ihm schwer das Fußballtraining abzusagen. Er tröstete sich damit, dass die Scouts fast nach jedem Treffen zum Fußballplatz gehen.
Thomas und Andreas wollten sich aber nicht so einfach geschlagen geben. Irgendwie wollten sie Franjo dazu bringen die Pfadfinder zu verlassen. Pünktlich zum nächsten Treffen der Pfadfinder kamen die beiden und setzten sich zu den Scouts. Beide saßen am Tisch. Die blanke Ablehnung stand in ihren Gesichtern geschrieben. Wie versteinert, mit verschränkten Armen und verächtlichem Blick, vergiftete ihre Anwesenheit die Atmosphäre. Roberto hatte sich vorgenommen mit den Pfadfindern die Handzeichen, mit denen man das Alphabet für Gehörlose darstellt, zu üben. Außerdem sollte Franjo noch einige Handbewegungen zeigen, um sich besser verständigen zu können. Diese Mauer des Schweigens war für Roberto so schrecklich, das er ein paar Mal fast die Fassung verlor. Die Scouts gaben sich besonders viel Mühe mitzumachen und sie lachten künstlich, wenn Roberto versuchte einen Witz zu reißen. Besonders schwer war es für Franjo. Er wusste natürlich, dass die beiden seinetwegen gekommen waren und ihn bewegen wollten, die Pfadfinder in den Wind zu schießen. Er sollte wieder auf den Fußballplatz kommen. Die Pfadfinderei war ihnen  egal. Die Stunde war schrecklich. Die Beiden blieben bis zum Schlussgebet. Roberto hatte Angst vor dem, was nun kommen würde. Doch danach gingen die beiden. Kaum waren sie draußen, begann es unter den Pfadfindern zu brodeln. Wären die zwei nicht älter als sie, und außerdem so kräftig, hätte Leo vorgeschlagen jeden einzeln zu verprügeln. „Die spinnen wohl, die gehören überhaupt nicht hier her“, Leo regte sich auf. „Wenn ich könnte, wie ich wollte…“, Adrian lief rot im Gesicht an. „Die Blödmänner“, rief Kerstin verärgert. Karsten ging zu Franjo und legte den Arm um seine Schulter. Franjo verlor die Fassung, lehnte sich an Karstens Schulter und schluchzte laut. Keinem wäre es in den Sinn gekommen, darüber zu lachen. „Wir gehen nie, nie wieder auf den Sportplatz.“  Normalerweise hätten die anderen Robert für diese Bemerkung ausgelacht, weil jeder wusste, dass er nichts für Fußball übrig hat. Doch dieses Mal stimmten alle zu. Selbst Franjo, dem man Roberts Worte aufschreiben musste, nickte heftig dazu.  Als sie sich etwas beruhigt hatten, einigten sich die Pfadfinder darauf, Franjo heute gemeinsam nach Hause zu bringen. Als alle weg waren, musste sich Roberto erst einmal setzen. Die Stunde saß ihm noch in den Knochen. Wie wird das denn weitergehen?
„Segnet, die euch fluchen“, hat Jesus gesagt. Fluchen die beiden jetzt auf uns? Da müsste ich sie ja segnen. Als er sicher war, dass ihn niemand sah, kniete er vor dem Altar nieder. Aber auch da fiel es ihm schwer einen klaren Gedanken zu fassen. „ Herr Jesus, ich würde den beiden am liebsten die Fresse polieren. So kann man sich doch nicht benehmen. Das ist unmöglich! Du hast gesagt: `segnet, die euch fluchen´, ich kann’s nicht. O K, o K, segne du sie, irgendwie sind sie dir ja auch ans Herz gewachsen. Natürlich liebst du sie. Mehr kann ich nicht. Amen.“


Franjo und das Friedenslicht XV
Gott ist nahe, wo Menschen einander Liebe zeigen.
J. H. Pestalozzi
„Endlich wieder Kerstinnachmittag“, Kerstin saß mit Miriam in der Küche und beide bastelten Sterne für den  Basar der Kirchgemeinde. Karsten war außer Haus und die beiden Frauen machten es sich so richtig gemütlich.
„Dafür, dass ich gar nicht zu den Pfadfindern gehöre, stecke ich ganz schön tief drin“, sagte Miriam.
„Natürlich gehörst du zu uns. Was soll ich denn ohne dich machen.“
„Die Pfadfinder sind Robertos Ding.“
„Da bist du eben Ehrenmitglied. Aber sag mal, wieso trennst du das eigentlich so genau? Macht man nicht immer alles gemeinsam wenn man sich liebt?“
„Roberto und ich waren uns immer einig, dass es viele Gemeinsamkeiten geben muss, sonst sieht es für eine Beziehung trübe aus. Aber genau so einig sind wir uns, dass jeder auch etwas Eigenes braucht. Ich bastle gern. Roberto bekomme ich nicht dazu. Deshalb muss ich das doch nicht aufgeben. Roberto sammelt mit Leidenschaft Kräuter und Früchte für Tee. Meine Leidenschaft beschränkt sich da nur aufs Trinken. Ich würde nie mitgehen oder ihn begleiten wenn er sich mit anderen Sammlern austaucht. Als Roberto eure Gruppe begann, dachte ich, ich helfe nur ein klein wenig bis ihr allein klarkommt.“
„Und jetzt?“
„Fühle ich mich manchmal wie die Mutter der Nation.“
„Bist du unglücklich darüber?“
„ Eigentlich nicht. Ich habe gern ein offenes Haus und  ich mag euch sehr. Aber wenn mir das Zelten erspart bliebe, wäre ich sehr dankbar.“
„Aber noch mal zu den Gemeinsamkeiten. Wieso ist das so wichtig etwas Eigenes in der Beziehung zu haben“, Kerstin spricht gern über Beziehung.
„Das Verhältnis zwischen Nähe und Distanz in einer Beziehung muss jedes Paar selber herausfinden. Es kann aber weder sein, dass man nur nebeneinander her lebt, noch dass man so zusammenklebt, dass gar nicht mehr als Person wahrgenommen wird, sondern nur noch als Paar. Ich jedenfalls käme mir saublöd vor wenn alle nur noch Robertos Frau in mir sehen und nicht Miriam.“
„Halt, die Schleife muss von unten nach oben geführt werden, nicht von oben nach unten. Ist wie bei den Pfadfinderknoten.“
„Bei welchem?“
„Wenn du mich nicht verpetzt sage ich dir ein Geheimnis.“
„Ehrenwort, ich sage kein Sterbenswörtchen.“
„Ich weiß nicht mehr wie der Knoten hieß.“
Die beiden lachten. Ganz schnell war ihre gemeinsame Zeit vorbei und Kerstin ging. Kaum hatte sie das Haus verlassen, klingelte es schon wieder.
„Hast du was vergessen“, rief Miriam.
Sie öffnete die Tür, doch zu ihrem Erstaunen stand Leo davor. Er sah schlimm aus. Seine Augen waren rot, die Gesichtsfarbe ganz komisch.
„Komm erst mal rein.“
Leo kam ins Haus. Miriam nahm ihn mit in die Küche.
„Willst du einen Tee?“ Leo nickte mit dem Kopf.
Miriam ließ sich Zeit bei der Zubereitung. Leo musste anscheinend erst einmal zur Ruhe kommen. Als sie sich umdrehte, hatte er die Arme auf den Tisch gelegt und sein Gesicht darinnen verborgen. Miriam stellte die Tasse auf den Tisch und nahm neben ihm Platz.
„Was ist denn los?“
„Meine Mutter ist bei uns ausgezogen.“
„Wieso?“
„Mein Vater hatte eine Freundin. Wahrscheinlich ging das schon ein paar Jahre so. Gestern hat’s Mutti gemerkt.“ 
Miriam schwieg. Leo legte den Kopf wieder auf die Arme.
„Und nun?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht. Vati bleibt in der Wohnung und ich muss ja auch.“
„Ist das so schlimm?“
„Ich kenne meinen Vater gar nicht richtig. Für mich ist es als ob ich mit einem Fremden zusammen bin.“
„Warum denn das?“
„Er hatte nie Zeit. Mutti sagt immer er müsse viel zu viel arbeiten. Dabei war er immer nur bei der da.“
„Aber vielleicht ändert sich jetzt etwas.“
„Ich glaube, er hasst mich.“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Gestern Abend, als ich im Bett lag haben sie sich gestritten. Komisch, dass die Erwachsenen denken, wir bekommen nichts mit. Heute, als ich aus der Schule kam, war Mutti fort und mein Vater hat auf mich gewartet. Er hat mir dann alles erzählt.“
„Und du?“
„Ich hab ihm das gesagt, was du im Pfadfinderlager zu uns gesagt hast.“
„Was habe ich denn damals gesagt?“
„Sex ohne Liebe, und eine  tragfähige, vertrauensvolle Beziehung, ist nicht besser als billiges Fastfood. Und: Wenn das Gras auf der anderen Seite des Zaunes grüner erscheint, dann musst du bei dir düngen und wässern.“
„Und dein Vater?“
„Hat mir eine geknallt.“
Jetzt erst fiel Miriam auf, dass Leos linke Wange etwas dicker war als seine rechte.
„Und dann bin ich abgehauen. Unterwegs habe ich Franjo getroffen. Der hat mich zu euch geschickt.“ Miriam war zwar froh, dass die Pfadis anscheinend so großes Vertrauen hatten, doch sie wusste auch keinen Rat. So saßen die zwei schweigend in der Küche und warteten darauf, dass der Tee abkühlte. Da klingelte es. Miriam ging zur Tür und öffnete. Draußen stand ein fremder Mann.
„Ist Leopold hier? Der Stumme hat mir gesagt, dass er bei ihnen ist.“
Miriam fand diese Bemerkung witzig, doch zum Lachen war ihr nicht zu Mute.
„Leo ist in der Küche.“
„Darf ich eintreten?“ Zögernd gab Miriam den Weg frei. Leopold saß immer noch am Tisch, den Kopf in die verschränkten Arme gelegt.
„Leopold, es tut mir leid. Komm bitte mit nach Hause.“
Leo sah fragend zu Miriam. Die nickte vorsichtig. Er stand langsam auf und ging zu seinem Vater. Der drehte sich um und ging schon los. Leopold faltete die Hände und zeigte sie Miriam. Bete für mich, sollte das heißen. Wenn das alles nicht so traurig wäre würde ich mich freuen, dachte Miriam. Leo, der Skeptiker, der gern mit den Worten beginnt: Vorausgesetzt Gott existiert…, bittet sie darum dass sie für ihn betet. Als die beiden fort waren setzte sie sich an den Küchentisch und betete: Herr Jesus,  die ganze Situation ist total verfahren. Mir tut das so leid, dass die Kinder immer ausbaden müssen, was die Erwachsenen nicht gebacken bekommen. Hilf du, dass das gut ausgeht und zeige mir was ich tun kann, Amen.“
Sie sah die Tasse mit dem Tee, der mittlerweile kalt geworden war. Wahrscheinlich werde ich doch noch die Mutter der Nation!


Franjo und das Friedenslicht XVI
Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.
Sprichwort
„Na, ich sehe doch, dass sie die Kleinen lieb haben.“
Mit diesen Worten hatte Frau Winter etwas in Roberto ausgelöst. Er dachte den ganzen Heimweg vom Pfarrhaus darüber nach. Irgendwie schien sie Recht zu haben. Als er mit der Gruppe begonnen hatte, hätte er sich nicht träumen lassen, dass er die Jugendlichen so sehr ins Herz schließen würde. Natürlich könnte er jeden der Pfadfinder mit seinen schlechten Seiten charakterisieren. Adrian mir seiner große Klappe, Kerstin, die Zicke, Karsten den Schweiger, der nie den Mund aufbekam, Leo, der Skeptiker, der nichts gelten lassen konnte Franjo, der Hörgeschädigte, der nur das verstand was er verstehen wollte und Robert der Faulpelz, der jeder körperlichen Anstrengung aus dem Weg ging. Aber er konnte auch ganz anders über sie sprechen. Adrian, der es verstand immer wieder mit einem Witz aufzuheitern, Kerstin, die mitfühlend und warmherzig sein konnte, Karsten, der viel tiefer als andere über Dinge nachdachte, Leo der nach der Wahrheit suchte und sich nicht abspeisen lies, Franjo, der Hörgeschädigte, der für die anderen ein offenes Ohr hatte und Robert, der mit seiner Gemütlichkeit beruhigend auf andere wirkte.
Egal wie Roberto die Sache bedachte, Kerstin und die Jungs waren ihm nicht egal. Gerade kam er am Bushäuschen vorbei, da hörte er Adrians Bass, nach gerade vollendetem Stimmbruch. Gleich darauf erklang Kerstins: „Ich hasse dich.“
Roberto schüttelte mit dem Kopf. Auch wenn er sich manchmal über sie ärgerte, er hatte das Gefühl, dass die Jugendgruppe trotzdem ein Geschenk Gottes an ihn war. Aber genau das verursachte auch seine Probleme. Er fühlte sich hilflos angesichts der Schwierigkeiten, die sie hatten. `Ich werde mit Miriam reden und wir beten ab heute jeden Abend für jeden einzelnen und wir werden sie und ihre Probleme Gott immer wieder vortragen bis es sich bessert´. Als ihn dieser Gedanke kam, fühlte er eine grimmige Entschlossenheit. Wenn Karsten will, kann er gern mit dazukommen.
Sonntagabend fragten Miriam und Roberto Karsten, ob er mit ihnen beten würde. Der wiederum  war froh, dass er gemeinsam mit den beiden für seine Freunde beten konnte. Zu Hause hatte Karsten noch nie gebetet. Doch als er bei Fischers einzog, dachte er schon daran, das Mal zu auszuprobieren. Da die Klinik seiner Mutter in der ersten Zeit der Therapie keinen Kontakt nach außen gestattete, fühlte er sich völlig verlassen. Damals kam ihm der Gedanke abends, vorm Schlafen gehen für seine Mutter zu beten. Er überlegte wie Roberto es machen würde.  Mit „Herr Jesus“, wie Roberto das sagte,   konnte er nichts anfangen. Die Anrede“ Himmlischer Vater“, gefiel ihm besser, auch wenn sie ein bisschen verstaubt klang. Karsten kniete sich vor seinem Bett nieder, das hatte er im Fernsehen mal so gesehen, und bat Gott darum, dass seine Mutter wieder gesund wird. Er hatte schon verschiedenes über Depressionen gelesen. Deshalb schien es ihm, dass es wohl nötig wäre, für eine Heilung seiner Mutter zu beten. Nachdem die Spannungen zwischen Roberto und Karsten halbwegs beigelegt waren, saßen sie nach dem Abendessen noch zusammen und redeten über den Tag. Karsten war sehr feinfühlig. Da er nicht stören wollte, ging er nach einer  Weile, damit die beiden ungestört miteinander beten konnten. Karsten betete dann in seinem Zimmer für seine Mutter. Er freute sich sehr darüber, dass er von seinen „Ersatzeltern“ zum gemeinsamen Gebet eingeladen wurde.
Es gab aber noch andere, die für die Pfadfinder beteten. Frau Winter wusste ja immer alle Neuigkeiten im Dorf, doch im Gegensatz zu Frau Sommer tratschte sie nicht darüber. Sie nahm sich jeden Abend eine Stunde Zeit um mit Gott über all das zu reden was im Ort geschehen war. Egal ob ein Kind geboren wurde, jemand krank war oder im Sterben lag oder ob es in den Familien Zank und Streit gab, Gott musste sich das alles anhören. Sie hatte ihre Anliegen richtig in Listen aufgenommen, aus denen sie auch alles ausstrich, was in ihren Augen erledigt war. Wenn die Liste kein Ende nahm, war sie immer traurig darüber. Für manche „Problemfälle“, wie zum Beispiel Franjo, betete sie schon seit Jahren. Doch nicht nur Frau Winter betete für die Pfadfinder. Pfarrer Steinbrecher traf sich ein Mal pro Woche mit Frau Winter zu einer halben Stunde Gebet. Meist informierte die Putzfrau den Pfarrer darüber was es Neues im Ort gab und beide brachten die Probleme der Gemeinde vor Gott. Das Gebet für die Pfadfinder nahm immer großen Raum ein.  Pfarrer Steinbrecher seinerseits besuchte jede Woche ein Mal Herrn Grosser. Herr Grosser war neunzig Jahre alt. Er lag schon Jahre lang zu Hause und die, die ihn kannten erwarteten seinen baldigen Tod. Als der Pfarrer vor zehn Jahren den Dienst antrat besuchte er Herrn Grosser. Bald kam er regelmäßig zu diesem außergewöhnlichen Mann. Herr Grosser hatte damals einen Schlaganfall erlitten und konnte nicht mehr aus dem Haus. Die Besuche des Pfarrers taten beiden gut. Sicher waren auch die Gespräche der Beiden ein Grund dafür, dass Frau Winter die Predigten des Pfarrers für unvergleichlich gut hielt. Herr Grosser erkundigte sich von Anfang an regelmäßig nach den Scouts. Immer noch kannte er zwar keinen von ihnen, doch alle waren ihm vertraut. Im Gegensatz zu Frau Winter hatte er keine Listen. Er hatte seine eigene Art zu beten. Eigentlich war er nur für Gott da und  erinnerte sich dabei an die Menschen, die ihm wichtig waren.
Trotz dieser vielen Gebete verging die Woche bis zur nächsten Stunde und Roberto war immer noch niedergeschlagen. Er wusste nicht was er mit den Pfadfindern anstellen sollte. Am Donnerstagabend saß er ratlos mit Miriam und Karsten zusammen. Auch die beiden konnten ihm nicht helfen.
„Mensch, du hast doch sonst immer so gute Ideen. Fällt dir denn überhaupt nichts ein“, fragte Miriam.
„Mein Kopf ist einfach leer. Egal was ich sagen werde, es wird nichts helfen.“
„Mann, bald ist Weihnachten“, sagte sie zu ihrem Roberto, „gibt es denn nichts Spezielles, was die Pfadfinder zu Weihnachten machen?“
Roberto schlug sich mit der flachen Hand vor den Kopf.  „Mensch, das Friedenslicht.“
Er sprang auf und lief in sein Büro. Dort verschanzte er sich den ganzen Abend.
„Habt ihr schon mal was vom Friedenslicht gehört“, fragte Roberto seine Pfadfinder. Die sahen sich ratlos an.
„Das Friedenslicht wird in jedem Jahr in Bethlehem in der Geburtsgrotte, unter der Geburtskirche entzündet. In der Grotte ist eine Nische, wie eine Art Altar darunter ist ein Stern aus Blech, mit vielen Zacken, im Boden eingelassen. In der Mitte kommt ein Flämmchen heraus. Dort entzündet eine Pfadfindergruppe das Friedenslicht. Diese Aktion wird vom Österreichischen Rundfunk und den Pfadfindern getragen. Nach dem Aussendungsgottesdienst in Wien und regionalen Sendungsgottesdiensten wird das Friedenslicht in ganz Europa verteilt. In vielen Bahnhöfen kann man es abholen. Viele Pfadfindergruppen holen das Licht ab und bringen es in die Krankenhäuser, Altersheime, zu den Bürgermeistern ihrer Orte oder verteilen es am Heiligen Abend in der Kirche. Das Licht erinnert uns an Jesus, der von sich sagte: `Ich bin das Licht der Welt´. Als Christen sollen wir den Menschen von Jesus erzählen. Ich finde es toll, die Botschaft von Jesus auch sichtbar zu machen. Es ist zwar nur eine unscheinbare Flamme, doch die kleine Flamme, die von Jesus kommt kann die Dunkelheit in unserem Leben vertreiben.“ Roberto hatte sich warm geredet. „Ihr kennt sicher die olympische Flamme. Ein Licht wird durch alle Länder verteilt und soll zu friedlichem Zusammenleben und Fairness aufrufen. Das Friedenslicht bedeutet mir mehr. Wir verteilen das Licht, das von Jesus kommt und wünschen allen Menschen, dass es hell in ihrem Leben wird.“
Gerade als Roberto gerade erklären wollte, wie die Pfadfindergruppe sich in diese Aktion einbringen könnten, da sagte Franjo: „Ich hole das Licht.“
„Wir werden das Licht doch hoffentlich gemeinsam vom Bahnhof abholen“, sagte Roberto.
„Ich hole das Licht“, wiederholte sich Franjo.
Roberto konnte nichts mit Fanjos Worten anfangen. „Ich habe mich erkundigt, am 22. Dezember wird das Friedenslicht am Bahnhof in der Kreisstadt verteilt.“
„Ich hole das Friedenslicht aus Bethlehem.“
Roberto war zuerst einmal sprachlos. Dann begann er zu argumentieren, dass man so die ganze Aktion kaputt machen würde, wenn jeder auf eigene Faust  nach Bethlehem reisen würde. Franjo ließ sich nicht beirren. Dann sagte er zu Franjo, dass der bestimmt keinen Pass haben würde. „Habe ich“, sagte Franjo.“ Dann fragte Roberto ihn, ob er genügend Geld hätte. „Ich habe hundert Euro in der Sparbüchse“, war Franjos Antwort.
„Na damit kommst du aber nur bis zum Flughafen, außerdem wirst du wohl kaum jemanden finden, der dich kurz vor Weihnachten nach Israel begleitet.“
„Dann bete ich eben.“
Roberto wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Er wollte den Pfadfindern beibringen, dass sie sich mit allen Problemen vertrauensvoll an Gott wenden können. Franjo hatte aber eine fixe Idee und schien Gott für seine Zwecke einspannen zu wollen. Das geht doch nicht.
„Franjo, man kann sich nicht irgendetwas in den Kopf setzen und von Gott verlangen, dass er unsere Träumereien wahr macht.“
Adrian schaltete sich ein. „Der alte Gamaliel  hat doch gesagt: `wenn es von Menschen ist, dann wird es untergehen, ist dieses Vorhaben von Gott, dann könnt ihr es nicht vernichten´, oder so.“
„Wer oder was ist denn Gamaliel“, fragte Roberto.
„Mein Vater hat gesagt: Ein kluger Mann aus der Bibel.“
Da Roberto in dem Augenblick nicht wusste, wer dieser obskure Gamaliel war, schwieg er lieber dazu.
„Na, ich denke wir sollten es mal versuchen“, sagte Leo.
„Was denn versuchen“, fragte Roberto.
„Wir beten und sehen mal, was dann wird.“
Roberto wurde es mulmig zu Mute, zumal er ahnte, dass Leo hier austesten wollte was an der Sache mit Gott dran war.
Die Pfadfinder waren sich einig und beteten trotz Robertos Widerstand dafür, dass es Franjo das Friedenslicht zum Weihnachtsfest aus Bethlehem holt.
Als die Pfadfinder voller Tatendrang das Gemeindehaus verließen, stand Frau Winter wieder mal im Flur.
„Kennen sie Gamaliel“, fragte Roberto ratlos.




Franjo und das Friedenslicht XVII
Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.
Joachim Ringelnatz

„Kennen sie Gamaliel“, hatte Roberto Frau Winter gefragt.
„Natürlich, sie nicht?“
„Im Moment kann ich nichts mit ihm anfangen.“
„Der steht doch in der Apostelgeschichte.“
Roberto war zwar nicht zum Scherzen aufgelegt, doch Frau Winters Antwort nervte ihn. So fragte er: „Mit beiden Beinen?“
„Ach Bruder Fischer, sie sind ja ein richtiger Witzbold“.
„Frau Winter, ich bin überhaupt nicht zum Witze machen aufgelegt. Können sie sich vorstellen, was mir eben passiert ist?  Ich habe den Pfadfindern vom Friedenslicht erzählt und Franjo hat sich jetzt in den Kopf gesetzt, nach Bethlehem zu fahren und es zu holen.“
„Was ist denn das Friedenslicht?“
Roberto erklärte ihr, was es mit dem Friedenslicht auf sich hat.
„Und was hat das mit Gamaliel zu tun?“
„Ach, halt“, sagte Frau Winter ehe Roberto antworten konnte, „ die Pfadfinder wollen, dass er das tut und sie wollen das nicht.“
Roberto hätte ihr diese Kombinationsgabe nicht zugetraut.
„Na sehen sie doch, so ein Unsinn. So etwas ist völlig aussichtslos. Um so was zu machen braucht es nicht nur ein Wunder, da müsste gleich ein ganzes Dutzend her.“
Roberto wartete auf Frau Winters Zustimmung.
„ Ach, das ist so eine Sache, man weiß ja nie, wenn ein Wunder kommt und wenn nicht.“
„Eben darum“, sagte Roberto, „ ich bin froh, dass ich meinen Scouts verklickert habe, dass man sich mit all seinen Problemen an Gott wenden kann und jetzt fangen die mit so einem Mist an. Klappt es nicht mit dem Licht, und das wird so sein, dann schließen die draus, dass Gott nicht helfen will oder kann.“
„Oder, dass es keinen Gott gibt“, ergänzte Frau Winter. „Ich weiß da auch keinen Rat“, sagte sie  zu Roberto, „am Dienstag treffe ich mich mit Pfarrer Steinbrecher hier im Gemeinderaum, kommen sie doch dazu, da können wir doch darüber beten.“
Roberto hatte überhaupt keine Lust, mit Frau Winter `darüber´ zu beten, doch er kam dann doch am Dienstag. Vielleicht hatte Pfarrer Steinbrecher einen guten Vorschlag.
Nachdem Frau Winter und der Pfarrer über verschiedene Probleme in der Gemeinde geredet hatten und dafür gebetet, sollte Roberto die Situation erklären. Er bemühte sich, die Lage so sachlich wie möglich darzustellen und erhoffte die Zustimmung der beiden.
„Gamaliel? Sie können sich gar nicht vorstellen wie es mich freut, dass sich Adrian an den erinnert. Da kann ich als Vater doch nicht alles falsch gemacht haben.“
Roberto war es im Augenblick völlig egal, was Pfarrer Steinbrecher richtig oder falsch gemacht hatte. Mit Franjo fing es an und mit Gamaliel ging es weiter. Und irgendwann will Franjo das Friedenslicht aus Bethlehem einfliegen. Da kann doch der Pfarrer nicht tatenlos zusehen und sich freuen, dass sein Sohn weiß, wer Gamaliel ist.
„Die Kinder erwarten nicht mehr und nicht weniger als ein Wunder“, sagte Roberto aufgebracht.
„Eine Serie von Wundern“, bemerkte der Pfarrer dazu,“ aber das ist ihnen heute noch nicht bewusst.“
„Doch wenn sie merken, dass es nicht so geht, wie sie denken, werden sie Gott die Schuld geben…“
„Oder sagen, dass es keinen Gott gibt“, ergänzte Frau Winter Robertos Satz. 
„Tja, wenn es ein Wunder gäbe…“ sagte Roberto.
„…dann bliebe immer noch die Vermutung das es ein Zufall war.“ Pfarrer Steinbrecher holte tief Luft.
„Und wenn die Sache schief geht…“
„… dann ist noch lange nicht erwiesen, dass die Kinder nie wieder etwas von Gott wissen wollen.“ Roberto konnte nicht glauben dass der Pfarrer solche Ansichten vertrat.
„Vertrauen sie doch auf das, was sie ihnen beigebracht haben“. Roberto fragte sich, was er den Pfadfindern überhaupt beigebracht hat.
„ Ich habe mich als junger Pfarrer auch für jedermanns Glauben verantwortlich gefühlt. Mittlerweile weiß ich, dass das nicht geht. Ich kann nur das vermitteln, was ich von Gott weiß und versuchen das vorzuleben, was ich sage, trotz meiner Fehlerhaftigkeit. In wie weit die Menschen Gott, oder Jesus, in ihr Leben einlassen, kann ich nicht bestimmen. Ich kann keinen Glauben machen und sie auch nicht, Bruder Fischer.“ Roberto zuckte bei Bruder Fischer, zusammen. Er konnte es nicht leiden so angesprochen zu werden.
„Aber ich habe doch eine Verantwortung.“
„Natürlich, trotzdem können sie nicht Gott spielen. Letztendlich ist jeder für sich selbst verantwortlich. Meinen sie nur nicht, mir fällt es leicht, das zu akzeptieren. Ich hoffe und bete jeden Tag, dass mein Sohn den Weg einschlägt, den ich für richtig halte, aber ich muss ihn gehen lassen wohin er sich entscheidet. Glauben sie mir, das kann sehr wehtun.“
Roberto spürte, dass ihm der Pfarrer Einblick in sehr persönlichen Gefühle und Gedanken gegeben hatte. Trotzdem war er enttäuscht, dass ihm hier die Unterstützung gegen Franjos Projekt nicht so entgegengebracht wurde, wie er wollte.
„Aber wie soll das jetzt weitergehen?“
„ Gamaliel sagte: Ist’s nicht von Gott, dann stirbt es von alleine und ist es von Gott, könnt ihr es nicht verhindern. Stellen sie doch eine Liste von allem auf, was Franjo für die Reise braucht und was organisiert werden muss. Vielleicht verlieren sie dann den Mut, wenn sie das Ausmaß des Vorhabens kennen. Irgendwann müssen sie ja entscheiden, was sie wollen.“ 
Am Freitag fragte Roberto die Pfadfinder danach, was Franjo alles für sein Vorhaben brauchen würde.
Pass-                                       erledigt
Geld-                                      nicht erledigt
Erwachsener/ Begleiter          nicht erledigt
Flugticket                               nicht erledigt
Hotelreservierung                   nicht erledigt
Auto im Land                        nicht erledigt
Organisation der Reise           nicht erledigt
Befreiung von der Schule      nicht erledigt
Laterne fürs Licht                  nicht erledigt
Als sie die einzelnen Punkte diskutierten, ging es hoch her. Kerstin schlug vor, Plätzchen zu backen und zu verkaufen, um die Reisekasse aufzubessern. „Wie teuer wird denn das alles“, fragte Adrian. „Na, Flug, Hotel, Auto, da muss man schon mit einem Tausender, mindestens, rechnen. Kommt auch auf die Aufenthaltsdauer an, da können schon mal locker 1600 Euro zusammenkommen. Wenn du dann noch den Begleiter rechnest…“, Roberto freute sich auf die Wirkung seiner Worte.
„Na, dann kannste aber Plätzchen backen, dass die Schwarte kracht.“
„Haste einen besseren Vorschlag, du Klugscheißer“, Kerstin fauchte Adrian an.
„Unsere ganzen alten Spielsachen bei e-bay verscherbeln.“
„Oh, e-bay ist aber überhaupt nicht berechenbar“, sagte Robert. „Zuerst würde ich mal sehen wo wir sparen können. Es ist nämlich nicht immer billiger, wenn man direkt fliegt. Über Wien oder Zürich, mit Umsteigen spart vielleicht einen Hunderter. Mal zwei sind schon zweihundert.“
„Woher weißt du denn das“, fragte Leo erstaunt.
„Internet“, lächelte Robert.
„Ich denke, du spielst nur rum“, sagte Leo.
„Sparen, sparen“, schaltete Adrian sich wieder ein. „Wenn du hier ein paar Hunderte sparst und dort ein paar Hunderte, bekommt Franjo am Ende noch etwas raus, wenn er nach Bethlehem fliegt.“
„Außerdem brauchen wir uns mit der Laterne nicht zu behängen“, sagte Karsten, „wir haben noch eine Sturmlaterne zu Hause, die kann Franjo haben.“
„Irrtum“, erwiderte Roberto, „in deiner Sturmlaterne ist eine brennbare Flüssigkeit. Denkst du die lassen Franjo mit einer brennbaren Flüssigkeit und offenem Licht ins Flugzeug? Da springt die Sicherheit doch im Dreieck.“
Darüber hatte noch niemand nachgedacht.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Pfarrer Steinbrecher trat herein. Adrian bekam einen ärgerlichen Gesichtsausdruck. Bei den Pfadfindern war der einzige Ort, an dem er Adrian war und nicht der Sohn des Pfarrers. Jetzt musste sich sein Vater hier auch noch einmischen.
„Habt ihr schon jemanden, der eine Laterne für das Friedenslicht baut?“
Die Pfadfinder schüttelten die Köpfe.
„Ich hätte jemanden, Herr Grosser will es sich nicht nehmen lassen, die Laterne zu bauen.“
„Der ist doch schon fast tot“, kam es patzig aus Adrian hervor.
„ Herr Grosser liegt schon lange im Bett und wird bald sterben. Für ihn wäre es eine große Ehre und sein letzter Wunsch, eure Laterne bauen zu können. Er hat schon vor vielen Jahren die Einzelteile für eine Laterne vorbereitet und braucht sie nur noch zusammenzubauen. Dabei muss ihm aber jemand von euch helfen.“
Die Pfadfinder saßen mit gesenkten Köpfen um den Tisch herum. Plötzlich sagte Karsten:“ Ich gehe am Montag zu ihm.“
Der Pfarrer bedankte sich und ging. Roberto hatte schon wieder das Gefühl, dass ihm der Pfarrer in den Rücken gefallen war.  Da die Pfadfinder mit den anderen Punkten auf der Liste nicht weiterkamen, vertagten sie ihre Beratung, jedoch nicht ohne noch einmal inbrünstig dafür zu beten, dass das Friedenslicht  zu Weihnachten bei ihnen scheint.