Samstag, 26. März 2011

Geschichte statt Predigt, Matth. 12, 38 -42

Predigt Sonntag, d. 20. März 2011
Neulich traf ich meinen Pfarrer im Supermarkt. Eigentlich kam das noch nie vor. Da er zur Synode musste und am folgenden Samstag Alphakurswochenende hatte, bat er mich die Predigt am folgenden Sonntag zu halten. Eine Woche Vorbereitungszeit ist für mich als Lektor sehr knapp. So ist mir auch nur eine Geschichte zum Text eingefallen:
Schlomo, richtig heißt er Salomo, seufzte. Gerade hat Tante Esther verkündet, dass Onkel Ahab zum Abendessen kommt. Schlomo lebt nun schon ein paar Jahre bei Onkel Matthias und Tante Esther. Schlomos Vater war Onkel Matthias Bruder. Onkel Matthias und Tante Esther hatten keine Kinder, da war es eine Selbstverständlichkeit, dass sie den Jungen aufnahmen, als seine Eltern bei einem Überfall auf der Straße zwischen Jericho und Jerusalem ums Leben gekommen waren.

Onkel Ahab war Schriftgelehrter und Tante Esthers Bruder. Es war kein Geheimnis, dass er nicht viel von Schlomo, sprich Salomo, hielt. Eines Tages hatte der Onkel zu Tante Esther gesagt: „ Der Junge hat zwar alle Tassen im Schrank, aber nicht richtig sortiert.“ Das hatte Schlomo sehr geärgert. Onkel Matthias flüsterte ihm später unter vier Augen zu: „Lieber heimlich schlau als unheimlich doof.“ An diese Worte musste Schlomo immer wieder denken. Manchmal, wenn Onkel Matthias etwas erklären wollte, schnitt Ahab ihm das Wort ab und nahm die Erklärung in die Hand, ähm in den Mund. Dabei erklärte er im Grunde nichts anderes als Onkel Matthias, er fing nur an einer anderen Ecke an. Ahabs Variante war natürlich viel besser, angeblich. Eines Abends fragte Onkel Matthias was Schlomo mit der Schekelmünze machen will, die er von seinen Eltern geerbt hat. Onkel Ahab brauste darauf hin auf und wies Matthias zurecht. Er machte ihm Vorwürfe, dass er den Jungen verleiten wolle das Erbe seiner Eltern zu verschleudern. Dann hielt Ahab Schlomo einen halbstündigen Vortrag darüber, dass man sorgsam mit dem Erbe seiner Väter umzugehen hat. Das war ein völlig versauter Abend. Später begriff Schlomo, dass Matthias zwar gefragt hat, was er mit der Münze machen wollte, doch nur weil er ihm helfen wollte zu begreifen, wie wertvoll dieses Andenken ist.
Ach ja, der Schekel, der gehört noch zu einer anderen Geschichte. Aber darüber haben weder Tante Esther noch Onkel Matthias jemals ein Wort gegenüber Ahab verloren. Es war vielleicht ein Jahr her. Damals erkrankte Nathanael, Schlomos bester Freund, an Aussatz. Das war eine schreckliche Krankheit. Zuerst hat das niemand wahr haben wollen, doch dann ging es nicht mehr zu verheimlichen. Nathanael war unrein und musste aus der Stadt. In einem Tal vor der Stadt hausten die Unreinen und man durfte sich nur bis auf Rufweite nähern. Es war weit bis ins Tal und so konnte weder Nathanaels Familie noch Schlomo ihn öfter besuchen. Eines Tages nahm Schlomo die Schekelmünze, er hatte sonst kein Geld, und kaufte Sachen und Nahrungsmittel um sie seinem Freund zu bringen. Komisch, gerade an diesem Abend fragte Onkel Matthias wieder einmal nach der Münze. Die Münze hatte an der Seite eine besondere Kerbe. Hätte er sich eine andere Münze geborgt, um sie vorweisen zu können, dann hätte der Onkel den Betrug trotzdem entdeckt. Darum beichtete der Junge Onkel und Tante was er mit der Münze gemacht hatte. Nun erwartete er ein riesiges Donnerwetter. Zitternd saß er am Tisch und rechnete mit einer Tracht Prügel. Der Onkel stand auf und Schlomo musste sich vor ihm hinknien. „ Der Herr hat Freude an Barmherzigkeit und nicht am Opfer“, sagte Onkel Matthias, dann legte er ihm die Hände auf und segnete ihn. Schlomo wusste nicht wie ihm geschah. Tante Esther nahm ihn in den Arm und strich ihm über den Kopf. „Du bist ein guter Junge, möge der HERR dir diese Tat vergelten.“ Eine Woche danach, am Abend, klopfte es an der Tür. Schlomo öffnete und Nathanael stand davor. „Du spinnst wohl, heimlich in die Stadt zu kommen, wenn du erwischt wirst steinigen sie dich.“ „Keine Angst, ich bin gesund“, sagte Nathanael. „Hier, meine Finger, sie sind wieder geheilt, keine Flecken, kein Aussatz.“ „Aber das geht doch gar nicht“, rief Schlomo. „Siehst du doch“, sagte Nathanael, „war Jesus. Du weißt schon, der Wanderrabbi. Wir waren zu zehnt und sind losgelaufen als wir hörten, dass er kommt. Als wir bei ihm ankamen, hat er uns zu den Priestern geschickt, um uns begutachten zu lassen. Und ob du´s glaubst oder nicht, unterwegs wurden wir gesund. Als ich zu Hause war, habe ich versucht Deinen Schekel wieder zu bekommen. Der Händler hatte ihn noch nicht ausgegeben. Hier ist er.“ Seit diesem Tag war Nathanael ein Jesusfan. Kein Wort, keine Tat von Jesus, die Nathanael nicht kannte. Natürlich bekam Schlomo jede neue Geschichte sofort zu hören. Das war aufragend und spannend. Ein anderer erzählte auch immer wieder von Jesus, das war Onkel Ahab. Doch bei ihm klang das völlig anders. Seit Jesus in der Stadt war, war Ahab noch verbissener und verkniffener als früher. Alles was Jesus tat wurde mit Grimm und Groll kommentiert. „Dieser Jesus macht den Glauben unserer Väter zunichte“, das waren Ahabs Lieblingsworte. Dabei hob er den Zeigefinger und stach damit in die Luft. Schlomo konnte das überhaupt nicht finden. Mit den ganzen Regeln und Vorschriften der Schriftgelehrten kam er sowieso nicht zurecht. Zum Beispiel wollte ihm nicht in den Kopf, dass es einen Unterschied gibt, wenn man am Sabbat auf den Fels oder auf den Sand spuckt. Auf den Sand spucken war Arbeit, auf den Felsen nicht. Schlomo hatte es ausprobiert, natürlich nicht am Sabbat. Er spuckte auf Felsen und er spuckte auf Sand. Beides war nicht anstrengend. Naja, beim dritten Mal strengte beides an, weil er keine Spucke mehr zusammen bekam. Von diesem Versuch hatte er Ahab natürlich nichts erzählt.
Heute Abend war also Onkel Ahab wieder zu Gast und er würde wieder diese Atmosphäre mitbringen, die einen frieren macht. Kaum saß der Onkel am Tisch, da ging es auch schon los. „Stellt euch vor, heute haben unsere Leute diesen Jesus aufgefordert ein Zeichen zu tun.“
„Ein Zeichen, was für ein Zeichen?“, fragte Onkel Matthias.
„Na eben ein Zeichen damit wir sehen ob er ein Mann Gottes ist.“
Dass ich nicht lache, dachte sich Schlomo. Neulich haben sie einen Mann mit einer gelähmten Hand am Sabbat in die Synagoge geschleppt und darauf gewartet was Jesus macht. Man, hat der Ahab sich darüber aufgeregt, dass Jesus den am Sabbat geheilt hat. Wenn ich geheilt worden wäre, bräuchte ich kein Zeichen mehr. Was wollen die denn noch?
„Und“, fragte Onkel Matthias, „ was hat Jesus gemacht?“
„Er hat uns gefragt mit welchem Zeichen er sich denn vor uns ausweisen soll. Wir waren uns nicht gleich einig, da hat er gesagt, dass er morgen das Zeichen tun wird, das wir von ihm verlangen.“
„Und welches Zeichen wollt ihr?“, fragte Onkel Matthias.
„Erst mal eine Nacht drüber schlafen.“
„Was für ein Zeichen könnte das denn sein?“, bohrte Schlomo noch mal nach.
„Zeichen, Zeichen“, sagte Onkel Ahab ärgerlich, „natürlich irgendein Zeichen aus der Schrift.“
„Wie wäre es denn wenn dieser Rabbi“, den Namen Jesus traute sich Schlomo nicht in dem Mund zu nehmen, „einen Aussätzigen heilt, wie damals der Prophet den Hauptmann Naamann?“ Schlomos Vorschlag war etwas hinterlistig. Von Aussatz schien Jesus schließlich was zu verstehen.
„Aussatz, Aussatz“, schrie Ahab und sprang auf, dann fuchtelte er mit dem Zeigefinger vor Schlomos Nase herum. „Wie hieß denn der Prophet war es Elia oder Elischa? Und der hat zu allem Überfluss noch einen Heiden geheilt.“ Beim Wort „Heide“ sah Ahab aus als ob er auf dem Boden spucken müsste.
Ging wohl schief, dachte sich Schlomo. Stimmt ja, Rabbi Ahab denkt doch, dass Gott sich irrt wenn er einem Heiden etwas Gutes tut.
„ Was wollt ihr eigentlich“, fragte Matthias, „soll Jesus einen Stab über den Jordan halten, dass er sich teilt?“ Durch diese Frage wurde Ahabs Aufmerksamkeit zwar von Schlomo abgelenkt, doch er begann sich noch mehr aufzuregen.
„Alles Taschenspielertricks. Dieser Nazarener ist und bleibt ein Betrüger, egal ob ein Dornbusch brennt, sich eine Schlange in einen Stock verwandelt oder ein feuriger Wagen erscheint. Niemals ist der der Messias. Das kann gar nicht sein.“
Was nicht sein darf, dass nicht sein kann, dachte sich Schlomo, doch er sprach es nicht aus. Ihr wisst schon, lieber heimlich schlau als unheimlich doof. Trotzdem konnte er die Frage nach dem Zeichen nicht ruhen lassen.
„ Ich glaube es gäbe da ein Zeichen. Ihr kennt doch die Geschichte, die Mose und danach auch Elia passiert ist. Sie waren auf einem Berg und der HERR stellte sie in einen Felsspalt oder eine Höhle. Und dann gab es Erdbeben, Sturm, Feuer aber ER war nicht drin. Und dann kam ein säuseln, wie ein Lüftchen und der HERR ging vorüber. Wenn dieser Jesus es nun schafft, dass der Hauch Gottes mein Herz so streift wie ein warmer Wind meine Haut, dann ist das doch das Zeichen.“ Onkel Ahab sah aus als ob er schon wieder explodieren wollte, doch er sagte nichts mehr und brach auf. „Es ist schon spät. Morgen Abend komme ich und berichte Euch was los war, dann werden wir ja sehen“. Die ständigen Besuche von Ahab nervten, schien es doch als ob er damit das Denken der Familie beherrschen wollte.
Schon wieder Abend und schon wieder Ahab. Schlomo wäre am liebsten bei Nathanael geblieben. Vor allem war dessen Version der Jesus Geschichten nicht hasserfüllt und viel interessanter. Der Rabbi Jesus soll sogar manchmal mit seinen Jüngern lachen. Beim Rabbi Ahab käme das nie vor. Wenn der lachen muss, dann geht der doch in den Keller. Na gut, dieser Abend geht auch vorüber.
„Hab ich doch gesagt, der Nazarener ist ein Betrüger. Er konnte sich mit keinem Zeichen ausweisen.“ Kunststück, dachte sich Schlomo, ihr wart euch ja auch nicht einig was er machen sollte. Ist eben gut wenn man Nathanael zum Freunde hat.
„ Er hat nur was von Jona gefaselt. Und dann, das ist nicht zu glauben, dann hat er gesagt, die Heiden von Ninive und die Königin von Saba wären im Gericht besser dran als wir. Und dann behauptete er noch sie würden uns verklagen. Die Heiden?!“ Das letzte Wort sprach Ahab so verächtlich aus wie er konnte und schüttelte den Kopf. Damit schien das Thema beendet und jeder war froh, dass nicht mehr über Jesus gesprochen wurde. Nathanaels Version aber war anders. Der behauptete, dass Jesus ein Zeichen geben will, nämlich, dass er sterben wird, begraben und dann von den Toten zurückkehren. Irgendwie schien es zu sein, dass Ahab Jesus auch so verstanden hatte, denn als Jesus gekreuzigt und begraben wurde, war Ahab bei denen, die Pilatus aufforderten eine Wache vor das Grab zu stellen. Aber dann, als alle Welt davon sprach, dass Jesus wirklich aus dem Totenreich zurück ist, hat er trotzdem nicht geglaubt.
„Wisst ihr“, sagte Nathanael später einmal als er mit Onkel Matthias und Schlomo zusammensaß, „ Jesus hatte doch einmal die Geschichte vom Lazarus erzählt, der gestorben war: Ein Reicher war in der Hölle und bat Vater Abraham darum, dass er Lazarus, der in Abrahams Schoß saß, zu seinen Brüdern schickt um sie zu warnen. Vater Abraham hat das nicht gemacht sondern gesagt: Glauben sie Mose und den Propheten nicht, dann glauben sie auch nicht wenn jemand von den Toten aufstünde.“
„Aber Onkel Ahab glaubt doch an Mose und die Propheten“, wandte sich Schlomo an Onkel Matthias.
„Das schon“, erwiderte dieser, „aber Onkel Ahab hat immer Recht.“
Nach einer Weile sah er Schlomo nachdenklich an. „ Ich muss immer wieder daran denken was du damals gesagt hast.“
„Was meinst du denn?“
„Damals als du die Geschichte von Mose und Elia erwähnt hast. Wenn der Jesus es nun schafft, dass der Hauch Gottes mein Herz so streift wie ein warmer Wind meine Haut, dann ist das doch das Zeichen. Das waren deine Worte. Natürlich ist es das größte Zeichen was es geben kann und der beste Beweis, dass Jesus der versprochene Retter ist, dass er den Tod überwunden hat. Aber mir scheint es genau so wichtig zu sein, dass er mein und dein Herz berührt.“
„Ähm“, mischte Nathanael sich ein, „ das geht aber nur wenn man sein Herz berühren lässt.“
Wer oder was ist Jesus eigentlich für dich?
Amen

Übrigens, im Gottesdienst waren Kinder, glaube die waren froh, dass es "nur" eine Geschichte gab.

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