Sonntag, 31. Juli 2011

Wieso wir unser Bier retten mussten

Nach landläufiger Meinung besteht zwischen Musikern  und alkoholischen Getränken eine Symbiose. Auch in unserer Gemeinde gibt es Menschen, die denken, dass die Bläser viel Bier trinken. Sicherlich hat das seinen Grund darin, dass in unserem Notenschrank immer ein paar Bier stehn. Was die Gemeinde nicht sieht, die Biere stehen drin, weil wir so wenig trinken. Leere Flaschen sind das Zeichen von Alkoholkonsum.  Bei uns war es, kurz vor dem Urlaub, wieder mal so weit, das Bier war schon über dem Verfallsdatum. Wir konnten es aber noch trinken. Ich habe die Probe vor dem Urlaub verkürzt ,damit wir unser Bier trinken konnten ehe es schlecht wurde.
Natürlich fragt man sich, wie konnte es dazu kommen. Die Ursache liegt weit zurück.

Ende letzten Jahres hatte ich mit Frank Plewka zusammengesessen und einen Plan geschmiedet wie wir unser 40 jähriges Posaunenchorjubiläum würdig vorbereiten. Da ich meine Bläser kenne, hatten wir uns bemüht,  die unterschiedlichen Wünsche in einem anspruchsvollen Programm zusammenzufassen. Schließlich kommt fördern von fordern. Da Frank nun monatlich erscheinen wird, haben wir das Projekt „Posaunenchor auf Zeit“ ins Leben gerufen. Einerseits sollte es viele Bläser in unserer Region erreichen, andrerseits wollten wir unserer notorischen Unterbesetzung mit erfahrenen Trompetern abhelfen. Im Februar/ März stellte Frank die Stücke vor und wir haben die „Richtigen“ ausgesucht.   Im April haben wir uns in der Feuerwehr eingemietet weil unser Gemeinderaum zu klein ist, die erwarteten Massen von Bläsern aufzunehmen.  Zu dieser Probe kam dann ein Bläser  aus der Region dazu, zum Glück eine Trompete. Das schlimmste war, dass seit Februar zwei meiner „Alten“  meistens konnten. Leider wurde das ein Dauerzustand. Egal ob zu den Proben mit Frank oder ohne, Ich hatte manchmal nur eine Trompete und mindestens sieben vom tiefen Blech.  Es war zum Verzweifeln. Mir war das Frank gegenüber sehr peinlich, außerdem bekam ich Panik, denn wie soll ich das Jubiläum vorbereiten wenn dauernd jemand fehlt. Hinzu kommt, dass ich die Jungbläser  langsam in den Chor einführen wollte. Was liegt näher als jeden Jungbläser neben einen „Alten“ zu setzen und sie auf diesem Weg wachsen zu lassen. Plötzlich saß ich mit den Jungbläsern alleine, die mit den Stücken zu stark gefordert waren.  Man war das eine Sch… . Zum Glück entschloss sich mein Pfarrer dazu seine Trompete auszukramen und mitzumachen. Er war in seiner  Jugend Kruzianer und hat große musikalische Erfahrung.  Mit ihm und Diethart hatte ich zwei Alte in den Trompeten und langsam ging es wieder aufwärts. Natürlich konnte ich in dieser Situation keine Probe verkürzen, dass die Bläser mal ein gemütliches Bier zusammen trinken können. Vor uns lag, wie jedes Jahr, der Marathon Himmelfahrt, Konfirmation, Pfingstsamstag. Ich konnte mir gar nicht vorstellen wie ich das schaffen soll.
Jedes Ding hat seinen Preis. Da unser Pfarrer im Posaunenchor mitspielte, konnte ich ihm die Bitte, am Sonntag Cantate im Regionalgottesdienst in Magdala mitzuspielen, nicht abschlagen. Ich war zwar nicht besonders glücklich, da wir eigentlich noch Zeit brauchten, aber was sollte ich machen.
Zu allem Unglück wurden wir am Samstag vor dem Regionalgottesdienst überraschend zu einer Beerdigung bestellt. Eine verdiente ehrenamtliche Gemeindemitarbeiterin, Mitte vierzig,  die über zehn Jahre, gemeinsam mit drei anderen jeden Monat eine erfolgreiche Kinderveranstaltung angeboten hatte, hatte sich das Leben genommen. Ich hatte zwar gehört, dass sie Depressionen bekommen hat, doch  da ich wenig Kontakt mit ihr hatte, lief das nur am Rande für mich ab. Plötzlich war sie tot und ich höre ihr fröhliches Lachen immer noch in mir klingen. Hätten wir uns mehr kümmern müssen? Was ist eigentlich Gemeinde? Sind wir nur noch Dienstleister, die den frommen Betrieb aufrecht erhalten und  haben dabei für uns selber kaum noch Zeit? Da waren sie wieder, die Fragen, die mich immer wieder mal beschäftigen.  Für mich kam es noch dicker. Am Tage der Beerdigung hatte mein Bruder Silberhochzeit. Die Einsegnung musste ich, wegen der Aussegnung, sausen lassen. Als ich dann zur Feier kam, war ich wie erschlagen. Im Kopf hatte ich zwar alles ganz gut verkraftet, doch emotional war ich nicht in der Lage zu feiern.
Am nächsten Tag war der Regionalgottesdienst. Sicherlich war es ein schöner Gottesdienst, man hatte sich Mühe gegeben. Da die Pfarrer bis zur letzten Minute daran gefeilt haben, hatte unser Pfarrer vergessen seine Trompete mitzubringen. Während wir uns einbliesen und die Pfarrer noch am Gottesdienst arbeiteten,  gab die Frau unseres Pfarrers Gummi um die Trompete noch rechtzeitig zum Gottesdienst zu bringen. Tja, was du nicht im Kopf hast, hast du in den Autoreifen.
Ich selber war von diesem Gottesdienst überhaupt nicht überzeugt. Vermutlich habe ich zu hohe Ansprüche an einen Regionalgottesdienst.  Meiner Meinung nach reicht es eben nicht wenn man einen schönen Gottesdienst vorbereitet, womöglich mit Taufe, den man dann als Regionalgottesdienst verkauft. Wenn man ein Kind im Gottesdienst auf den Namen Friedrich tauft wird dieser Gottesdienst dadurch noch lange nicht zum Friedensgottesdienst. So gesehen sollte der Regionalgottesdienst auch so sein, dass sich die Region darin wiederfindet.  Vermutlich sind das die Probleme, die auch andere Gemeinden haben, da allerorten Regionalgemeinden installiert werden um die Gemeinden darauf vorzubereiten, dass es bald noch weniger Pfarrer geben wird.
Himmelfahrt und Konfirmation  waren dann Lichtblicke. Wir waren zahlenmäßig gut besetzt, Jürgen aus Apolda hat uns mitgeholfen, von Krise war nichts zu spüren. Man kann sich gar nicht vorstellen wie gut mir das getan hat. Langsam schöpfe ich wieder Hoffnung, dass wir unser Programm schaffen werden.
Am Pfingstsamstag waren wir traditionell in Lützeroda zum Kirchweihgottesdienst. Das kleine Kirchlein war für viel Geld vom Schwamm saniert worden und an diesem Tag war Neueinweihung. Die Kirche war voll und wir sollten spielen denn die Orgel hatte vom Geldsegen nichts abbekommen. Der Pfarrer von Lützeroda spielt in seiner Freizeit in der „Oldtime Memori  Jazz Band“ in Jena Posaune. Er hat große Bühnenerfahrung. Die kam ihm im Gottesdienst sehr zu statten. Mitten im Gottesdienst, gerade als er ein Gebet, das auf dem Programmzettel stand, angekündigt hatte, rief unser Doc  von der Empore: „können wir nicht lieber etwas beten, dass alle können“. Ich fragte mich ob alle aus  im Publikum schon mal gebetet hatten oder ein Gebet kennen. Der Pfarrer war schlagfertig und erwiderte:  „die Gebete, die wir alle können, haben wir schon gebetet, da müssen wir doch das Gebet vom Zettel nehmen.“
Nach dem Gottesdienst haben wir draußen noch ein paar Lieder gespielt. Der Ehrengast, eine Pfarrerin aus Tansania, hat uns dann erzählt, dass das Lied „Im schönsten Wiesengrunde“ in ihrer Heimat ein geistliches Lied ist. Interessant.
Als ich dann die letzte Probe verkürzte, weil unser Bier verfällt, hatte das unser Pfarrer nicht so recht geglaubt. Ich habe ihm die Flasche gezeigt auf der man deutlich erkennen konnte, dass unser Bier abgelaufen war. Jetzt weiß er, dass es stimmt wenn wir unser Bier retten müssen.

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