Sonntag, 22. April 2012

Ostern, das Fest der kleinen Wunder

Theologisch ist diese Überschrift völliger Quatsch. Der Sieg über den Tod ist das größte Wunder überhaupt.  Aber da ich kein Theologe bin, und der Blogeintrag meine Erfahrungen als Posaunenchorleiter  wiedergibt, ist das schon in Ordnung..
Ich weiß nicht genau wann die Vorbereitungen für Ostern begonnen haben. Musikalisch war es nach dem Gottesdienst zum Abschluss der Weihnachtszeit. Für mich persönlich vielleicht mit dem Alphakurs in unserer Gemeinde. Ende Januar fing der Kurs an, bei dem ich mich als Mitarbeiter gemeldet hatte. Wie soll man erklären wenn so ein Kurs etwas in einem selber bewegt? Vielleicht ist das beim Glaubenswachstum so ähnlich wie beim Wirtschaftswachstum. Die Wirtschaftsweisen fangen beim Wachstum von einem Prozent an zu lamentieren und sprechen von Krise. Bei drei Prozent Wachstum aber, bricht Jubel aus. Der Alphakurs hat mein Glaubenswachstum erhöht. Prozente kann ich natürlich nicht angeben, aber vielleicht sind es 2 ½. Was hat das aber nun mit den kleinen Wundern auf dem Weg zum diesjährigen Osterfest  zu tun? Finden sie es selber heraus!

Die Zeit nach dem Weihnachtsfest ist für mich, als Posaunenchorleiter, eine schöne Zeit. Ich kann neue Noten ausprobieren und die Pläne für das neue Jahr nehmen Gestalt an.  Durch den Abschluss der Weihnachtszeit wurde mir zwar ein Monat gestohlen, doch trotzdem überwiegt die Freude an dieser Zeit. Eigentlich wollte ich beginnen die Noten auszuprobieren, die wir zu unserem Jubiläum  geschenkt bekommen hatten. Aber es kam anders. Ich erinnerte mich, dass ich, kurz bevor die Jungbläser zu uns Alten kamen, das Lied <Seid nicht bekümmert>  mit ihnen begonnen hatte, ohne es fertig zu machen. Die Alten hatten es schon mal vor Jahren eingeübt. Dieses Lied stand in Noten, die in den neunziger Jahren als Projekt für Band und Posaunenchor in Württemberg  herausgegeben worden waren. < Seid nicht bekümmert>, erinnerte mich an einen Traum, den ich seit 1980 träume. Damals war ich zu den DDR Bläsertagen in Dresden. In der Annnenkirche lief ein Programm für Band und Posaunenchor. Seit dieser Zeit wünsche ich mir so etwas auf die Beine zu stellen. Lebhaft erinnere ich mich, wie wir Jugendlichen aus dem Jugendauswahlchor des Thüringer Posaunenwerkes    den damaligen Landesposaunenwart, Herrn Ullmann, bekniet hatten.  Damals war das vergeblich weil das nicht sein Ding war. Nun, da wir <Seid nicht bekümmert>  so leidlich hinbekamen, brach der alte Wunsch wieder durch. Ich fragte unsern Pfarrer ob er einen Schlagzeuger kennen würde. Er meinte, dass sein Sohn spielen könne, aber kein Schlagzeug hat. Im Posaunenchor kam die Idee auf, bei der Lütze Musi im Nachbardorf anzufragen. Unser Uwe spielt dort mit. Er wurde beauftragt Achim, den Schlagzeuger, zu fragen. Achim stimmte nicht nur zu, sein Schlagzeug zu verborgen, er wollte auch gern selber spielen. Ich weiß nicht ob Achim schon mal in der Kirche gewesen war, gespielt hatte er da noch nie.
Eigentlich ist es bei uns Tradition am Anfang des Gottesdienstes etwas Festliches und am Schluss etwas Fetziges zu spielen.  Als ich mich entschloss <Seid nicht bekümmert>  zu spielen, habe ich vor meinem inneren Auge gesehen,  wie unser Pfarrer den Ostergruß spricht und der Posaunenchor mit dem Stück loslegt. Im Hinterkopf sah ich die Gemeinde am Ende in Osterjubel ausbrechen.  Wenn wir  am Anfang das fetzige Stück spielen, können wir das festliche nicht am Ende dranhängen. Also musste ich mir etwas einfallen lassen. Keine Ahnung wie ich auf das Buch „Es ist ein köstlich Ding“ von Michael Schütz, bei uns Pop- Schütz genannt, kam. Eigentlich war das Buch bei meinen Bläsern schon lange durchgefallen. Wir hatten vor langer Zeit, kurz nach dem es erschienen war, einige Sachen geprobt. Sei es, dass ich damals noch keine Ahnung hatte, wie ich die Bandklänge meinen Bläsern beibringe, sei es, dass sie sich erst  an die Swing- Bearbeitung gewöhnen mussten, damals bekam das Buch keine guten Kritiken,  nicht nur bei meinen Leuten, auch die Bläser unserer Partnergemeinde konnten mit dem Buch nichts anfangen. Vielleicht war es die Aussicht mal mit dem Schlagzeug zu spielen, keiner meckerte als ich <Hevenu Schalom elejchem> auflegte. Fast keiner, Lisa fragte, was das für orientalischer Scheiß sei. Am Ende der Probe beschwerte sie sich bei mir weil ich ihr einen Ohrwurm eingesetzt hatte. Langsam nahm das Osterrepertoire Gestalt an. Eigentlich hatten wir Vor- und Nachspiel, doch dann fiel mir noch das Lied <Gib uns Frieden jeden Tag>, aus dem Pop Schütz in die Hände. Auch das war früher schon mal gnadenlos durchgefallen. Dieses Mal fanden die Trompeter, dass es ein ziemliches Griffroulette war, doch sie ließen sich darauf ein. Nun fehlten nur noch die Osterlieder. Ja, die Osterlieder, die meisten hat der selige Reformator noch selber geschrieben. Ok, so schlimm ist es nicht, doch jedes Jahr wird über die „schööönen“ Osterlieder gemeckert. Jedes Jahr erkläre ich dann, dass die meisten Lieder in einer Kirchentonart stehen, meist ist das Dorisch. Dorisch galt zur Entstehungszeit als besonders festliche Tonart. Diese Erklärung hat meine Leute aber bis heute nicht abgehalten  an den Osterliedern herumzunörgeln.  Unser Pfarrer sagte zu mir, dass meine Meinung nicht richtig seit. Es sind die Kreuztonarten, die den Unmut der Bläser erzeugen.  Ich wollte seine Erklärung nicht annehmen und ihm beweisen, dass das nicht stimmt. Zur nächsten Probe, keine Ahnung wie ich auf diese komische Idee kam,  legte ich „Wir wollen alle fröhlich sein“ auf. Ich frage mich heute noch, wieso ich auf diesen blöden Gedanken kam. Seit der Herausgabe des neuen Gesangbuches war der Liedsatz ein no go. Jedes Jahr musste ich allen sagen, dass wir den Satz aus dem alten Choralbuch nehmen. Der stand in Es- Dur, drei B, und war recht gängig. Der Satz im Neuen steht in D- Dur, zwei Kreuze,  doch das war nicht der Grund für die Meckerei, beim Halleluja ist der cantus firmus teilweise in der zweiten Stimme, damit hatten meine Bläser ein richtiges Problem. Alles in Allem, kein guter Ansatz meinem Pfarrer zu beweisen, dass die Tonart nichts mit dem Gemeckere zu tun hat. Wie ich es als Posaunenchorleiter gelernt hatte, begann ich das Lied schon beim Einblasen vorzubereiten. Nach der B- Dur Tonleiter kam C- Dur und dann D- Dur. So waren die Bläser schon mal eingestimmt. Nun bekam ich aber Angst vor der eigenen Courage. Wenn  die Stimmkreuzung kommt gibt es sicher eine Revolution, dachte ich. Also was tun? Ich probte mit den Bläsern bis zum Halleluja und dann wiederholten wir das Lied bis da hin. Sie blieben ruhig. Der Liedsatz im alten Choralbuch war ja auch so geschrieben, das halbe Lied und dann wiederholt,  nur in Es- Dur. Langsam wurde es langweilig und ich wurde mutiger. Wir spielten weiter in das Halleluja mit der Stimmkreuzung  hinein, sogar bis zum Ende des Liedes. Immer noch keine negative Reaktion. Im Gegenteil, unser Pfarrer bemerkte, dass dieser  Liedsatz mit dem wechselnden cantus firmus  eine richtig gute musikalische Idee sei. Ich dachte, hoffentlich sagt der jetzt nichts mehr. Er konnte ja nicht wissen, dass ich gerade ein musikalisches Wunder erlebe.  Meine Bläser haben dieses Lied ohne Widerspruch gespielt. Zum Glück sagte er nichts mehr. Ich habe darauf verzichtet dem Pfarrer später zu erklären, dass meine Bläser nicht wegen der Kreuze meckern.
Als wir wieder einmal „Seid nicht bekümmert“ probten, fiel mein Blick auf den Text. „Jesus der  auferstandene Herr ist in eurer Mitte…“, wenn das man kein Osterlied ist!!!  Ich habe dem Pfarrer vorgeschlagen, dass wir unser Vorspiel nach der Predigt noch mal spielen, dieses Mal mit Gemeinde. So haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Unserem Schlagzeuger wird nicht langweilig und eines der Osterlieder war näher an den heutigen Hörgewohnheiten  dran.
Zu einer ordentlichen Band gehört nicht nur ein Schlagzeug. Auf einen Bass konnten wir verzichten, die Tuba war laut genug. Aber ein Keyboard wäre toll. So fragte ich meinen Freund Thomas. Thomas und ich spielten schon seit der Jungen Gemeinde zusammen. Er Klavier und ich Gitarre. Heute kommt das nur ein Mal im Monat, im Hauskreis,  vor aber es ist immer wieder schön. Früher hatte Thomas jeden Sonntag Orgeldienst, doch der jahrelange Dienst hat ihn wahrscheinlich ausgelaugt. Er will nicht mehr und will in dieser Beziehung auch niemand den kleinen Finger reichen. Mit Zagen habe ich angerufen und gleich gesagt: „Nur wenn du willst.“ Als ich ihm dann die Noten brachte, war er sehr zögerlich. Es hatte sicherlich  auch damit zu tun, dass er lieber ohne Noten spielt.  Schon komisch, da habe ich endlich Noten und dann habe ich einen Spieler, der lieber ohne Noten spielt. Thomas versprach mir es zu versuchen, auch wenn er sich damit sehr schwer getan hat. Beinahe hätte ich gesagt, „du hast einen gut bei mir“, doch das widersprach meiner musikalischen Überzeugung. Am Montag vor Ostern war dann Probe mit Achim, dem Schlagzeuger. Um ihm entgegen zu kommen verlegten wir die Probe in die Kirche von Lützeroda. Das frisch renovierte Kirchlein hat keine Bänke und keine Heizung. Auf die Bänke haben wir gern verzichtet. Es war nur blöd, dass wir uns durch heiße Rhythmen warm halten mussten. Beim ersten Stück dachte ich noch, ich müsste Achim andeuten was er machen könnte. Das habe ich schnell gelassen denn es stellte sich heraus, dass Achim ein prima musikalisches Gespür hat. Er spielt zwar stets ohne Noten, doch die braucht er auch nicht.
Später sagte er mir, dass er anfangs unsicher war und sich fragte was da auf ihn zukommt. Die Titel hatten ihm dann doch gefallen und auch er hatte seinen Spaß. Der Spaß verging mir leider am Ende der Probe ein wenig. Ich hatte zwar vierzehn Tage lang angekündigt, dass wir am Karsamstag einen Soundchek  mit dem Keyboard  machen müssen, doch als es Ernst wurde konnte keiner. Zu guter letzt waren wir dann doch drei Bläser die, eine Stunde später als angekündigt,  Zeit hatten um mit Thomas zu üben.  Ich war sauer und musste die gute Mär Thomas auch noch beibringen. Thomas hat sich überhaupt nicht gefreut und hätte am liebsten abgesagt. Wahrscheinlich hat ihn unsere Freundschaft davon abgehalten. Der Soundchek wäre beinahe auch noch ins Wasser gefallen, doch zum Glück kam alles zu Stande. Thomas war gut vorbereitet und unser Pfarrer spielte dann auch noch mit. Am Schluss der Probe hatte ich den Eindruck, dass wir bei der Anspielprobe, kurz vor dem Gottesdienst, alles in den Griff bekommen.
Der Ostermorgen brach an. Sollte ich nicht besser sagen, die Osternacht war noch nicht zu Ende, da ging es in unserer Gemeinde schon los. In Hohlstedt war Osternachtsfeier und danach Osterfrühstück. Für mich war es ein besonderes Ereignis, denn Niclas, unser jüngster Bläser wurde getauft. Mit ihm hatten noch zwei aus seiner Konfirmandengruppe Taufe. Auf der Empore in Hohlstedt fanden sich um fünf Uhr Menschen aus dem ganzen Kirchspiel ein. Es waren so um die sechzig Personen. Die Hohlstedter Kirchenältesten staunten nicht schlecht.  Wenn man Weihnachten und Beerdigungen nicht rechnet, war das ein Rekordbesuch. Alle standen auf der Empore. Im Lichte einer Kerze wurden die Lieder gesungen und die Gebete gelesen. Dann ging es in die Kirche wo der Raum von den Kerzen erhellt wurde, die am Anfang an die Besucher verteilt worden waren. Der Sohn unseres Pfarrers  spielte richtig gut auf dem Keyboard. Es war eine würdige Feier mit Taufen, die ging bis es hell wurde. Leider tat uns die Sonne nicht den Gefallen und schien ins Kirchenfenster, es war zu trübes Wetter.  Die Osternacht war nicht nur für mich sehr beeindruckend. Ich weiß auch von anderen, dass sie sehr beeindruckt waren. Ich selber hatte ein ganz eigenes Erlebnis dabei. Am Abend vorher las ich bei Anselm Grün, dass wir Gefühlen, die wir lieber unterdrücken wollen, nachgehen sollten und fragen was sie uns zeigen. Mir ging es in dieser Feier so. Ein Gefühl kam auf, dass ich eigentlich wegschieben wollte. Als ich mich darauf besann  was dahinter stecken könnte, fiel mir ein Defizit in meinem Leben ein. Es ist komisch, ich wurde ruhig darüber. Keine Ahnung, wahrscheinlich habe ich jetzt Frieden damit geschlossen. Ich bin sogar gespannt was Gott jetzt mit mir vor hat. Ist schon eigenartig.
Gern wollte ich Niclas etwas zu seiner Taufe schenken. In der Woche vor Ostern fiel mir eine Empfehlung der Marburger Medien in die Hand, die Fußball Bibel. Neben Bibelstellen sind auch Zeugnisse von christlichen Fußballspielern und Trainern und Fotos drin.  Ich war begeistert. Als Niclas sein Geschenk beim Osterfrühstück auspackte hörte ich, wie seine Schwester sagte: „das ist ja geil“. Das  Geschenk war angekommen.
Als ich mich wieder aufgewärmt hatte, ging es zum Ostergottesdienst. Posaunenchor,  Schlagzeug und Keyboard, wenn das mal gut geht. Zum Glück erschienen alle pünktlich zur Anspielprobe.  Diese Probe war auch nötig. Das Zusammenspiel mit den anderen war kein Problem, meine Bläser mussten sich finden. Es dauerte nicht lange, da war ich überzeugt, dass es klappen wird.
Die Glocken läuteten, Kinder brachten den Altarschmuck in die Kirche und sangen ein Lied. Dann zählte der Schlagzeuger vier vor und es ging los. Als Chorleiter stand ich da wie ein Statist, der ein wenig mit den Armen wedelt. Es ging wie ein Uhrwerk und ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Als wir fertig waren gab es Applaus. Das war noch nie da. Wollen wir das mal als <Osterjubel > gelten lassen.  Der Gottesdienst war als Familiengottesdienst konzipiert und er hatte Klasse. Natürlich hat die Musik ihren Teil dazu beigetragen. Stellenweise groovten die Leute in den Bankreihen. < Hevenu Schalom …> war der Gottesdienstschluss. Ich hatte immer zu den Bläsern gesagt; „Wenn es Applaus gibt, spielen wir auch noch <Gib uns Frieden jeden Tag>.“  Sie hatten gelacht. Nach Hevenu Schalom kam erstaunlicherweise kein Applaus. Unsere Gemeinde ist unberechenbar! Unser Pfarrer hat dann alle auf die Ostergärten, die die Kinder gebastelt hatten, hingewiesen. Die Kinder kamen mit ihren Eltern nach vorn an die Stufen zum Chorraum um ihre Werke zu zeigen. Wir spielten  <Gib uns Frieden>, es swingte in der Großschwabhäuser Kirche und währenddessen erlebten wir ein richtig frohes Gewusel. Bei diesem letzten Lied merkte ich, dass Thomas nicht nur das spielte was in den Noten stand. Er improvisierte noch etwas dazu.  Wenn das mal kein Zeichen ist, dass auch er Freude am gemeinsamen Projekt hatte. Nach dem Gottesdienst suchten die Kinder Ostereier im Pfarrgarten und die Gemeindeglieder waren richtig fröhlich. Dabei hatten wir nicht mal gesungen: <der Gottesdienst soll fröhlich sein>.
Es ist schon erstaunlich was sich so in der Vorbereitung des diesjährigen Ostergottesdienstes entwickelt hat. Für mich waren das lauter kleine Wunder.
Als ich Achim ans Auto brachte sagte er mir, dass es ihm gefallen hat. Es muss ja nicht das letzte Mal gewesen sein… 

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