Mittwoch, 1. August 2012

s. G. w. Jak. 4, 15

Nun bin ich schon seit sieben Wochen zu Hause. Zuerst war mein Bein in einer Schiene und die Nähte mussten zuheilen. Jetzt ist die Schiene weg und die Muskeln müssen wieder weich und elastisch werden. Was fängt man mit der ganzen Ruhezeit an? Ich befand mich im medizinischen stand by. Alles ging ruhiger zu als sonst und es war trotzdem kaum langweilig. In der ganzen Zeit habe ich drei Entdeckungen gemacht.
 Zuerst einmal der walisische Komponist Karl Jenkins. Den Schlusschor aus dem Kosovorequiem „The Armed Man“ hatten wir ja zu unserem Posaunenchorjubiläum gespielt. Während meiner Rekonvaleszenz hatte ich ihn mir noch einmal bei „you tube“ angehört. Dabei entdeckte ich viele schöne Stücke von Jenkins. Als Ergebnis meiner Suche hatte ich mir zwei CDs bestellt. Wer meine Cdsammlung kennt weiß, dass das etwas ganz Besonderes ist, eigentlich kaufe ich mir keine CDs. Die zweite Entdeckung war ein historischer Roman. Angeregt durch eine Bekannte wollte ich mich nur ein wenig über Isaak aus Aachen informieren. Isaak ist der erste Jude Deutschlands, der urkundlich erwähnt wurde. Er gehörte zu einer Gesandtschaft Kaiser Karls, des Großen, die zum Kalifen Harun al Raschid aufbrachen. Am Ende war es Isaak, der allein zurückkam und Abulabas, den weißen Elefanten, als Geschenk Harun al Raschids zum Kaiser brachte. Der Roman von Filo M. Abraham war zwar sehr intensiv recherchiert und detailreich, doch nicht langweilig. Die dritte Entdeckung war, dass mein Blog eine Statistikfunktion hat. Ich war ein wenig erstaunt, dass ich inzwischen über 1700 Klicks hatte. Noch größeres Erstaunen erweckte in mir die Tatsache, dass allein mehr als 300 Klicks in den USA getätigt wurden. Bedauerlicherweise steht hinter den Zahlen nicht wer da geklickt hast, warum sie reingeschaut haben und ob es dem User gefallen hat. Da ich Zeit hatte, habe ich jeden Tag  beobachtet wie sich die Anzahl der Klicks entwickelt hat. Eines Tages stellte ich fest, dass ein User aus Lettland sich durch alle Beiträge des Blogs geklickt hatte. Ein paar Wochen später war wieder ein Lette am Werk und durchforstete den Blog. Ich habe mich gefreut und doch gleichzeitig gefragt was die Leser denken, wenn sie  lesen, was bei uns so los ist. Vor einiger Zeit kam im Fernsehen ein Bericht darüber, dass im Baltikum viele junge Leute die deutsche Sprache erlernen und unsere Kultur kennen lernen wollen. Wenn das nun zwei Kulturinteressierte sind? Das treibt mir den kalten Schweiß auf die Stirn. Was für einen Eindruck bekommt man im  Ausland von uns? Ich schäme mich nicht für das, was ich geschrieben habe, doch ich befürchte, dass bei der Übersetzung vieles verloren geht, was zwischen den Zeilen zu finden ist. Kann man Ironie und Selbstironie so leicht übersetzen? Wer weiß im Ausland welche Feinheiten im Hintergrund den Sätzen eine tiefere Bedeutung geben?? Die lettischen Leser haben mich angeregt etwas über diesen Blog zu schreiben. Wie ist er entstanden und was soll er eigentlich? Auf diese Fragen will ich nachfolgend eingehen. Andernfalls entsteht sonst im Ausland der Eindruck, dass sich die Christen in Deutschland über diejenigen lustig machen, die ihnen anvertraut sind.
Wie also entstand dieser Blog? Eigentlich hatte ich schon lange Zeit den Wunsch einen Blog zu beginnen. In unserem Posaunenchor gab es immer schon Geschichten, die ab und zu mit großem Vergnügen zum Besten gegeben wurden. Die Geschichten waren wie alter Wein, je älter sie wurden, desto besser wurden sie.  Man müsste sie mal aufschreiben, darüber waren wir uns einig. Da aber niemand „man“ hieß, blieben sie nur Bestandteil unserer mündlichen Überlieferung.  Der eigentliche Auslöser für den Blog war unser Pfarrer. Nach einer großen Krise in unserer Gemeinde bekamen wir einen neuen Pfarrer. Das Wahlverfahren war nicht einfach denn der Gemeindekirchenrat war sich, in Folge der Krise, nicht einig. Mir erscheint es heute noch wie ein Wunder, das wir am Ende doch diesen Pfarrer bekamen. Er hatte dann schon einige Monate bei uns gearbeitet, als wir gemeinsam den Gottesdienst zum Beginn der Adventszeit ausgestalten wollten. Das heißt, er hat vorbereitet und wir sollten spielen. Mittlerweile kenne ich seinen Arbeitsstil, er arbeitet bis zuletzt an der Vorbereitung. Das ist für mich schwierig denn wir brauchen Vorlauf für unsere Vorbereitung.. Für uns ist eine gute Vorbereitung genau so wichtig wie die Predigtvorbereitung für den Pfarrer denn die Musik ist der Beitrag der Musiker zum Gottesdienst genau so wie die Predigt der Beitrag des Pfarrers ist.  Hinzu kommt, dass es für einige meiner Leute unheimlich wichtig ist, dass sie alles genau vorliegen haben, um Unsicherheiten auszuschließen. Am liebsten haben sie einen exakten Ablaufplan in dem auch verzeichnet ist wer welche Strophe spielt und wer nicht. Ich erfülle ihnen gern diesen Wunsch, doch dazu brauche ich die Zuarbeit.  Nach einigen vorsichtigen direkten und indirekten Anfragen kam aber immer noch kein Programm von unserem neuen Pfarrer. Das stürzte mich in eine Krise. Der Pfarrer, dessen Wahl mir wie ein göttliches Wunder erschien, ging überhaupt nicht auf meine Bedürfnisse ein.  Als ich eines Abends, ein paar Tage vor dem Adventsgottesdienst, beten wollte, kam in mir ein Gefühl auf,  das ich folgendermaßen beschreiben möchte: „wenn Gott so ist wie unser neuer Pfarrer, dann nicht“. Das Faltblatt mit den Gebeten flog in die Ecke. Ich habe es erst jetzt wiederentdeckt. Was sollte ich aber nun machen?  Jahre vorher hatte ich in einem Vortrag etwas über Hyperdramatisierung gehört. Damals kam ich mit dieser Technik nicht zurecht. Der Grundgedanke ist folgender: Im Hirn ist die gleiche Region für das Lachen und das Weinen zuständig. Ich kann also entweder lachen oder weinen. Wenn ich Dinge, die mich niederdrücken, humorvoll übersteigere dann wird aus dem Weinen ein Lachen. So etwas haben meine Eltern schon mit uns Kindern gemacht wenn wir bockig waren. Sie haben sich über uns lustig gemacht bis wir selber lachen mussten. Als ich den Vortrag hörte, hatte ich mit dieser Technik Probleme. Die praktischen Beispiele kamen mir doof vor. Dann, nach Jahren, als ich  innerlich aufgewühlt war, weil das Programm nicht kam, schien  der Vortrag über Hyperdramatisierung Früchte zu tragen. Anfangs war ich wohl noch etwas stinkig, doch im Laufe der Zeit entwickelte sich aus den Erlebnissen während des Adventgottesdienstes und der anschließenden Feier der erste Blogeintrag.  Anstatt mich weiter über das fehlende Programm zu ärgern, freute ich mich wie ein Schneekönig über die Geschichte, die entstanden war. Und dabei hatte ich  ihr eigentlich nichts hinzugefügt, nur die Ereignisse ein wenig dramatisiert. Das Thema Programm ist immer noch nicht ganz ausgestanden, doch mittlerweile macht es mich nicht mehr fertig. Es sollte auch kein Leser denken, dass ich nun im Dauerclinch mit meinem Pfarrer liege. Im Gegenteil, ich schätze ihn sehr. Da ich weiß, dass unser Pfarrer mit Leib und Seele Pfarrer ist, muss wohl das Sprichwort gelten: „Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten.“ Während andere sich in seinem Alter auf die Rente vorbereiten, gibt er noch einmal Gas. Ich hoffe, dass er sich nicht übernimmt. Für ihn ist Glaube in erster Linie eine Beziehung zum lebendigen Gott zu haben. Darin will er uns unterstützen. Er war als Kind Mitglied des Dresdner Kreuzchores. Seit einiger Zeit spielt er bei uns im Posaunenchor mit und bringt seine reiche musikalische Erfahrung ein. Abgesehen vom letzten Vakanzverwalter  ist er der erste Pfarrer von dem ich anerkennende Worte für meine Arbeit als Posaunenchorleiter bekommen habe. Da er der sechste Pfarrer ist, unter dem ich den Posaunenchor leite, ist das schon beachtlich. Ich habe dieses Amt nicht angenommen um anerkannt zu werden. Außerdem habe ich früher gelernt, dass man „nicht um eitler Ehren willen“ dienen sollte. So habe ich anerkennende Worte eigentlich nie vermisst. Als unser Pfarrer mich dann lobte für die Probengestaltung und mein Engagement, dachte ich zuerst daran, dass er mich verarscht. Ich war Lob überhaupt nicht gewöhnt. Mittlerweile habe ich gemerkt, wie gut ein gutes Wort tut. Es ist krank und es macht krank wenn man sich nichts Gutes zu sagen weiß. Vielleicht ist das eine der Ursachen warum es so schlecht um unsere Kirche steht.
Die erste Geschichte war also entstanden und ich merkte wie gut sie mir getan hat. Auch wenn ich dann nicht ständig Geschichten geschrieben (berichtet) habe, hatte ich den Eindruck, dass das Blogschreiben eine gute Therapie für mich zu sein scheint. Dinge, die mich sonst runter ziehen würden, werden so zur Ursache für fröhliche Augenblicke. Das erlebe ich mit den  deprimierenden Erfahrungen, die ich so beschreibe: Bei einer Probe haben wir richtig intensiv gearbeitet und ich denke, dass wir das Stück jetzt drauf haben. Doch dann ändert sich die Besetzung, bei der nächsten Probe, und man könnte den Eindruck bekommen, dass wir das Stück zum ersten Mal sehen. Heulen oder Lachen? Oder die berühmten Sätze: „Das haben wir noch niiiiie gespielt“. „Diese Noten habe ich nicht.“ Viele Dinge gäbe es zu berichten, die mich zur Weißglut bringen könnten. Ein großes Problem sind die ständig wechselnden Besetzungen in unserem kleinen Chor, nicht nur zur Probe. Das hat nichts mit Desinteresse  zu tun. Mein Eindruck ist, dass die Belastungen, die auf meine Bläser drücken immer mehr zunehmen. Seien es Schichtdienst, Berufliche Anforderungen, schulische Erfordernisse, oder der Anspruch, den andere Vereine geltend machen, alles zehrt am Posaunenchor. Frank Plewka sagte einmal zu mir, dass er festgestellt hat, das in letzter Zeit die Zahl der Bläser zwar gestiegen, die Zahl der Aktiven aber abgenommen hat.  Das bestätigt meine Beobachtungen. So ist es immer wieder ein Abenteuer wenn ich einen Auftrag annehme. Gäbe es da nicht die Bläser, die selbst private Vorhaben zurückstellen, da wäre ich gleich erschossen. So komme ich immer wieder auf das Kürzel zurück, das in der Überschrift steht. In Jakobus 4, 15 steht: „Dagegen sollt ihr sagen: Wenn der Herr will werden wir leben und dies oder das tun.“ Wenn ich an meinen Posaunenchor denke, dann fällt mir dieses Kürzel ein:  s.G.w. = so Gott will.  Johann Sebastian Bach schrieb am Anfang seiner Werke Ji Jesus iuvall= Jesus Hilf, das wäre genau so angebracht.  Sei es nun die Jungbläserarbeit, die ich eigentlich machen müsste, aber keine Zeit dafür habe, seien es die wechselnden Besetzungen, oder andere Herausforderungen, ich kann daran verzweifeln oder auf Gott hoffen. Die Blogeinträge sind eine Entspannung für mich, denn ich kann über die Dinge lachen, die mir manchmal schwer zu schaffen machen. Es wäre überhaupt nicht in meinem Sinn, wenn man annähme ich würde mich über meine Bläser lustig machen. Mein Follower schrieb mir in einer Mail: „Du kannst es nicht verbergen, dass Du Deine  Bläser lieb hast.“ Das stimmt, ich will das auch nicht verbergen.
So, jetzt müssen die Leser aus Lettland und den USA, ebenso wie die Leser aus Russland, Frankreich, Belgien, Italien. Israel Norwegen, Japan und Polen, nur noch diesen Eintrag finden, dann wird den Missverständnissen; hoffentlich, vorgebeugt.    
Übrigens, mein Wunsch und meine größte Freude wäre es wenn sich mal jemand meldet, der beim Lesen dieses Blogs über seine eigene Situation lachen konnte und dadurch leichter mit einer Krise fertig wurde.


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