Sonntag, 16. November 2014

Totensonntag oder- warum ich mich auf das Weltgericht freue

Marittas Suizid hat mich nachdenklich gemacht. Gern hätte ich meinen Bläsern etwas gegeben um diese Tragödie zu bewältigen. Man kann aber nur das geben was man hat. Ich denke, dass ich mittlerweile an dem Geschehenen gewachsen bin und so habe ich etwas geschrieben was ich meinen Bläsern und Lesern unter der Überschrift `Totensonntag oder warum ich mich auf das Weltgericht freue´ mitgeben will.
Am Sonntag ist Totensonntag und das Kirchenjahr geht zu Ende. Die Stillen Tage Buß- und Bettag und der Totensonntag geben uns die Gelegenheit zurückzublicken und uns an Menschen zu erinnern, die nicht mehr unter uns sind. Die Kirche nennt den Totensonntag Ewigkeitssonntag um unseren Blick auch in die Zukunft zu lenken hinter die Grenze, die der Tod setzt. Die Lesungen aus der Bibel, die in dieser Zeit vorgeschlagen werden setzen sich mit dem Weltgericht auseinander. „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden“ 2.Kor 5,10. Die Antwort auf die Frage nach dem Tod ist entweder, dass nach der „Kiste“ nichts kommt oder aber das Weltgericht, das jeden einzeln trifft. Oder aber manchmal schwanken wir zwischen beiden Ansichten hin und her. Besonders intensiv habe ich die Frage „was kommt nach dem Tod“ nach Marittas Tod empfunden. Klaus sprach zwar von seiner Überzeugung, dass sie bei Gott sei,der sie in seiner Hand hat, doch in mir drin hat sich das nicht so richtig angefühlt. Theologisch stimmt es sicherlich denn im Römerbrief steht: Röm. 10,13 „Denn jeder der den Herrn Jesus anrufen wird, der wird errettet werden“. Im Johannesevangelium steht: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe.“Und als gute Lutheraner wissen wir: Wir sind gerechtfertigt allein aus Glauben. Wie leuchten wir nun das Bild vom Weltgericht aus? Die zitierten Bibelverse sind sicherlich ein Scheinwerfer, der Licht ins Dunkel bringt. Aber ein bisschen geht es mir damit wie mit dem Spotlight in unserer Kirche. Es leuchtet den Altar toll aus aber es bleiben Schatten und ungenaue Konturen, die das Bild verzerren. Eigentlich müsste ein zweiter Scheinwerfer her. Einem zweiten Scheinwerfer bin ich begegnet. Der Seher Johannes schreibt: „Und ich sah die Toten, groß und klein, stehen vor dem Thron, und Bücher wurden aufgetan. Und ein andres Buch wurde aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach dem was in den Büchern steht, nach ihren Werken.“ Off 20,12 Diese Bibelstelle hat mir gezeigt was mir Unbehagen im Zusammenhang mit Marittas Suiziid gemacht hat. Gerichtet nach ihren Werken. Meine Angst und mein schlechtes Gewissen schwingen da auch mit. Ich muss vor dem Richterstuhl Gottes treten und alle meine Verfehlungen kommen zur Sprache. Das wird mit Sicherheit das Schlimmste sein was mir je begegnet ist. Das wird nicht nur Maritta so gehen. Ich persönlich denke, dass es nur Sekundenbruchteile sind in denen mir klar wird, was ich anderen angetan habe. Die Situationen in denen ich Menschen absichtlich verletzt habe oder die, wo es durch Nachlässigkeit passiert ist, werden mir vor Augen stehen und scheiße weh tun. Nur zu ertragen wird es für mich sein weil Jesus mir beisteht und mich dabei begleitet. Aber so, wie ein Scheinwerfer verschiedene Lichtanteile hat, so habe ich plötzlich gemerkt, dass dieses Bibelwort noch ein anderes Licht auf das Gericht wirft. Es steht nicht da, dass wir nur nach unseren schlechten Werken beurteilt werden. Auch unsere guten Werke haben bei Gott Gewicht. Dabei geht es nicht unbedingt um die Guten Werke, die die anderen gesehen haben. Gott kennt unsere Motive und weiß genau einzuschätzen warum wir uns dem Anderen zugewendet haben, und ob in dieser Zuwendung Liebe oder Egoismus gesteckt hat. Die Erkenntnis, das Maritta genau das gleiche Gericht treffen wird wie mich und kein anderes und die Tatsache, dass ihre guten Werke, in deren Genuss wir alle gekommen sind, bei Gott etwas gelten, hat mir gut getan. Übrigens glaube ich nicht, dass die guten und die schlechten Werke verrechnet werden. Es geht um Gottes Gericht und nicht um den türkischen Basar. Letzte Woche ging mir dann nicht nur ein Licht auf, es war der dritte Scheinwerfer, der das Weltgericht für mich ausleuchtet. Im Römerbrief Röm. 12, 13 steht: „Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes, denn es steht geschrieben: `Mein ist die Rache, ich werde vergelten´, spricht der Herr. Bisher sagte das Wort zu mir: `Hau nicht drauf, das ist Gottes Sache´. Letzte Woche habe ich das plötzlich noch ganz anders verstanden. Ich habe Rechte und Gott ist der Hüter meiner Rechte. Gerade als Kind hat mir Gott Rechte gegeben. Ich habe das Recht, dass sich Mutter und Vater um mich kümmern. Ich habe das Recht, dass sie mir die Welt erklären. Ich habe das Recht, dass ich mit meinem Schmerz zu ihnen kann, wenn ich verletzt wurde, und dass ich getröstet werde. Ich habe das Recht, dass dem kleinen Kind jemand erklärt, dass es nicht alles haben kann und das Recht, dass jemand mir hilft die Trauer darüber zu bewältigen. Und Gott ist derjenige, dem es unendlich weh tut, dass mir diese Rechte so oft verweigert oder vorenthalten wurden. Auch andere Rechte, die mir nicht gewährt wurden, wird Gott für mich einklagen denn diese meine Rechte werden im Weltgericht vorkommen. Auch Marittas Rechte, die ihr nicht gewährt wurden, wird Gott zur Sprache bringen und ihr wird Gerechtigkeit widerfahren. Ich weiß nicht wie das gehen wird, denn mir ist klar, dass wir alle Helfer, Opfer und Täter zugleich sind. Aber ich vertraue darauf, dass Gott der gerechte Richter ist. Sicherlich ist es übertrieben, dass ich mich auf das Weltgericht freue aber der Gedanke daran ist lange nicht mehr so entsetzlich wie vor einigen Wochen denn jetzt weiß ich: Gott wird nicht nur richten sondern er wird ES richten. Psalm 98,5 -9 „Singet dem HERRN Psalmen mit der Laute … Mögen die Ströme in die Hände klatschen, mögen jubeln die Berge allesamt vor dem HERRN, denn er kommt die Erde zu richten. Er wird den Erdkreis richten in Gerechtigkeit und die Völker in Geradheit.“ Dass von der Tatsache, dass meine Rechte von Gott wahrgenommen werden auch eine ungeheure Dynamik in mein Hier und Heute kommen kann wäre an anderer Stelle zu besprechen.

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