Samstag, 25. Dezember 2010

1. Advent 2010

1.     Advent 2010
Schnell noch das Hemd anziehen und beeilen, dass ich nicht zu spät komme. Oh, das Hemd ist nicht gebügelt, naja macht nichts, im Kulturhaus wird man sowieso einen Pullover brauchen, also zog ich einen Pullover über das ungebügelte Hemd. Jetzt konnte es mit dem musikalischen Adventsgottesdienst losgehen, doch von Anfang an:
„Wie soll ich Dich empfangen“,  „Macht Hoch die Tür, die Tor macht weit“ und natürlich „Tochter Zion“…
Diese Lieder haben wir schon seit Wochen mit den Jungbläsern geübt. Nach einigen kräftigen Vermahnungen ging es dann auch so leidlich. Wir waren uns einigermaßen sicher, dass sie nichts versauen. Langsam kommen die Jungen auch aus dem Alter heraus in dem man musikalische Darbietungen toll findet weil die „Kleinen“ soo niedlich sind. Noch ein wenig und sie sind zu gebrauchen. Ich hoffe, dass sie nächstes Jahr mit den „Alten“ mitspielen werden.
Heute nun ist der gemeinsame Gottesdienst aller Gemeinden unseres Kirchspiels. Da alle sieben Dörfer eingeladen sind, passen wir vielleicht in eine unserer kalten Kirchen zum Gottesdienst, das Kaffeetrinken im Anschluss müssten wir aus platzgründen im Freien machen.
 Bei der Kälte und dem Schnee sicherlich nicht das Richtige. So hat der Kirchengemeinderat beschlossen, dass der Pfarrer beim Bürgermeister anfragt und das Kulturhaus mietet. Das Kulturhaus aus DDR Zeiten wurde vor einigen Jahren sehr aufwändig renoviert. Außen wurde es rot gestrichen. Da nur zwei Großschwabhäuser im Posaunenchor sind, war es gar nicht so leicht den Bläsern zu verklickern,  wo wir blasen werden. Nach mehreren Anläufen hat sich der Name „Zum roten Ochsen“  bei uns eingebürgert. Jetzt weiß jeder was gemeint ist.
Unser Pfarrer gibt sich sehr viel Mühe den Adventsgottesdienst neu zu erfinden. Das ist wahrscheinlich auch der Grund warum ich im Vorfeld kein Programm bekam, um mich vorzubereiten. Einige meiner Bläser wollen es schwarz auf weiß haben. Ablauf, Lieder, Strophen, vor allem, wer bei welcher Strophe dran ist. Aber es kam nichts. Mir ist es auch lieber dass ich mich mit dem Organisten im Vorfeld abstimme. Selbst der kleine Wink mit der Email, in der ich den Bläsern (und dem Pfarrer) mitteilte, dass ich kein Programm senden kann, weil die Vorarbeit noch nicht geleistet wurde, fruchtete nicht. Erst Samstagabend kam das Programm per Mail. Da war es nicht mehr möglich die Verteilung mit dem Organisten abzustimmen.  Na gut, ich kannte ja die Lieder, da gab es keine Überraschung. Doch ich hätte gern unsern Ingo, den Organisten, mit in die Überlegungen eingebunden. Nicht, dass er irgendwann denkt: Warum komme ich eigentlich hier her? Aber was soll´s? Der Pfarrer hatte darum gebeten, dass wir nach dem Gottesdienst noch ein paar Lieder spielen. Keine Weihnachtslieder denn es ist ja Adventszeit. Ich hatte mir überlegt, dass wir ein paar Lieder aus dem Erzgebirge spielen. Die sind  nicht ganz so weihnachtlich und außerdem stammt unser Pfarrer von dort. Da es sein erster Advent in unserer Gemeinde ist, wird ihn das sicher überraschen.
Kaum, dass ich den Mittagsdämon, der immer auf die Augenlider drückt, besiegt hatte, schlugen wir im Kulturhaus auf.  Der Ingo war noch nicht da. Die Stühle für die Bläser standen auf der Bühne. Meine erste Amtshandlung war es, diesen Zustand zu verändern. Stühle neben die Bühne, denn ich mag es nicht, dass eine gestrenge Jury im Publikum den ganzen Gottesdienst beobachtet ob sich ein Bläser am Ohr juckt oder in der Nase popelt. Die Sitzordnung war dann zwar nicht ideal, aber sie ist entwicklungsfähig. Fast alle Bläser waren pünktlich zu Stelle. Nur eine Familie kam etwas zu spät. Wahrscheinlich trockneten die frisch gewaschenen Haare der Jungbläserin zu lange. Für wen die sich bloß hübsch gemacht hat???
Einblasen ging ganz gut, bis auf das verspätete Erscheinen. Ingo war immer noch nicht da. Kaum, dass wir uns eingeblasen hatten, klingelte bei unserer einzigen zweiten Stimme das Handy. Bereitschaft, ein Auto auf der Durchreise war liegengeblieben.  Nun mussten wir schnell umdisponieren. Nur eine erste Stimme, die andere musste zweite spielen.  Klar, wir hatten noch zwei Jungbläser in der ersten Stimme, doch die hatten die Maßregel bekommen: Lieber leise und richtig als laut und falsch. So standen effektiv 1 ½  Trompeten in der ersten Stimme, eine Trompete in der zweiten Stimme gegen 3 Tenöre und vier Bässe. Also, eine Probe in der jetzigen Besetzung. Es ging. Ingo war immer noch nicht da. Mittlerweile verschwand auch noch meine erste Stimme. Ich wusste nun gar nicht mehr was gehau´n und gestochen war. Ach ja, die erste Stimme singt im „Chor auf Zeit“ mit und der Chor sang sich gerade, in der Stille, ein.  Ingo war immer noch nicht da, aber da, zwei Minuten vor Anfang, kam er völlig durchgeschwitzt an. Nur gut, dass das Kulturhaus keine Läuteanlage hat, die unerbittlich loslegt. Schnell habe ich mit Ingo abgesprochen, dass er die Geraden und wir die Ungeraden Strophen, samt Vorspielen, spielen. Er meinte, dass er in der Adventszeit noch genug Lieder spielen wird. Nur gut, dass er das so locker sieht. Schade, wir hatten keine Zeit die Strophen so vorzubereiten, dass sie mal vom ganzen Chor, mal von den Unterstimmen usw. gespielt werden konnten.
Einer unser Jungbläser ist Vorkonfirmand. Er spielte beim Anspiel mit. Wahrscheinlich gab es bei den Proben auch Probleme. Zwei der Akteure kamen zu spät zur Probe. So klemmte die Säge ein wenig. Die Zuhörer vorn verstanden vielleicht noch etwas, die auf den billigen Plätzen sicherlich nichts. Als die Jugendlichen hinter der Bühne verschwanden, bemerkten auch die hinteren Zuhörer dass die Konfirmanden richtig reden konnten. Es war zwar so unverständlich wie auf der Bühne, doch deutlich lauter.
Wir überstandenden Gottesdienst ganz gut, sagen wir, wir haben uns nicht blamiert. Einige Gemeindeglieder waren sogar der Meinung, sie müssten mir ein paar lobende Worte sagen. Der Mensch freut sich.  Nach dem Gottesdienst war ja geplant, dass wir noch ein paar unweihnachtliche Lieder zur Adventszeit zu spielen. Eines davon war „leise rieselt der Schnee“.  Ich kann diese schneeseeligkeit nicht verstehen. Das weiße Zeug schafft doch nur Ärger beim Autofahren.  Nach zwei Liedern gab mir der Pfarrer ein Zeichen, dass ein Knabe im lockigen Haar die Gemeinde gern am Keyboard zur Kaffeetafel begleiten wollte. Ich habe nur noch den „Winter“ aus dem Erzgebirgsheft heraus kramen können.  Das war der Rest meiner guten Idee unseren Pfarrer mit Liedern aus seiner Heimat zu überraschen.
Wie gesagt, beim Kaffeetrinken gab es dann einige Komplimente für unser gelungenes Spielen. Kunststück, wir haben doch nur Lieder und ein paar Vorspiele gebracht. Die sollten uns mal hören wenn wir richtige Musik machen. Aber dann bleiben die Komplimente aus.
Ach, eines noch, das Kulturhaus hat bei der Renovierung eine Fußbodenheizung bekommen. Wahrscheinlich dachte der Bürgermeister, damit die Kirchengemeinde nicht friert, stellst du die Heizung etwas höher. So stand ich nun mit Winterschuhen, ungebügeltem Hemd und dickem Pullover da und mir wurde heißer und heißer.  Man, kann es einem im Winter heiß werden. Und das für einige Stunden. Aber ich traute mir nicht, den Pullover, unter den gestrengen Augen der älteren Damen unserer Gemeinde auszuziehen. Zu Hause, als ich mir das Ding endlich vom Leib reißen konnte stellte ich fest, dass das Hemd bügelfrei war. Die paar Knitter hatten sich von selber  ausgehängt.

©Volker Bachmann Dez. 2010


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