Samstag, 25. Dezember 2010

3. Advent 2010

Volkers Bläserblog  3.
3. Advent 2010
Sonntagvormittag
Es ist fast schon Tradition, dass die Posaunenchorweihnachtsfeier am 3. Advent stattfindet. Natürlich ist das eine spezielle Feier. Wir treffen uns, um irgendwo gemeinsam zu musizieren, jedes Mal in anderen Orten. Mittlerweile gehen wir nicht mehr ins Gasthaus oder lassen uns etwas kommen sondern wir organisieren, aus pekuniären Gründen, alles selber.
Da in Isserstedt am Sonntagvormittag kein Gottesdienst war, fuhr ich hin um Tische und Stühle zu stellen und ein wenig zu schmücken. Ich hatte ein paar Nordmanntannenäste abgeschnitten, wobei jeweils einer auf einen Tisch passte, dazu eine Kerze, fertig. Das hatte zwar einen etwas rustikalen Charme, aber es war weihnachtlich. Als ich das Gemeindehaus verlassen wollte, kam gerade Sigi, der Bewohner des Pfarrhauses mit seiner Familie vom dem Gottesdienst aus Jena. Wir wechselten ein paar Worte. „Volker, es ist schon ganz schön unfair, dass du um Tauwetter gebetet hast.“ Ich kann den Schnee überhaupt nicht leiden und war froh, dass die weiße Pracht zu schwinden schien, doch um Tauwetter hatte ich trotzdem nicht gebetet. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass man bei Sigi mit einer Gebetserhörung punkten kann, trotzdem sagte ich: „Da siehst du mal was das für ein Gebet war“. Was er mir antwortete, weiß ich nicht mehr, doch der Unterton war so, als würde er das Mittagessen ausfallen lassen, sich ins stille Kämmerlein begeben und dann eine Gebetsoffensive starten, bis es schneit.
Sonntagnachmittag
Wie verabredet, trafen sich die Bläser um 15.00 Uhr in Hohlstedt, es schneite. Gut, dass Sigi um Schnee gebetet hatte, besser als um Regen. Unsere Jungbläser Kerstin, Lisa Florian und Niclas waren dabei, Phillip befand sich noch in der Rekonvaleszenz nach einer Erkältung, er wird in Isserstedt beim Kaffeetrinken dabei sein. Mandy brachte einen Gast mit, Vania Lucia de Assis Santana, die führende Forscherin Brasiliens auf dem Gebiet der Pferdekrankheit Rotz. Bisher hatte ich noch nicht gewusst, dass es in Brasilien im Süden Gebirge gibt, in denen es schneit. Wanja war dort schon beruflich und besaß deshalb auch Winterkleidung, trotzdem fror sie wie ein Schneider. Sigi, wäre es nicht besser gewesen, du hättest nicht um Schnee gebetet? Der Schnee fiel auf die Seiten und blieb auf den Noten liegen. Bei den Jungbläsern fiel der Schnee besonders auf die Vorzeichen. In Hohlstedt standen wir vor dem Eulensteinschen Hof, einem der ältesten Bauernhöfe Thüringens. Der Hof ist älter als die Lieder, die wir spielten.  Ich postierte die Bläser so, dass es  ein schönes Foto geben sollte, wenn sie vor dem Fachwerkhaus stehen. Die Schneeflocken fielen ganz schön dick. Auf den Fotos sah es aus, als würde jemand Wattebällchen ins Bild werfen. War es nun der Schnee oder war es die mangelnde Werbung, es waren nur drei Zuhörer zu sehen. Nachdem wir sechs Lieder gespielt hatten, packten wir ein. Unsere Spielfreudigkeit hatte in Anbetracht der vielen Flocken nachgelassen. Einen zweiten Platz in Hohlstedt haben wir uns verkniffen.  Wenn ich es so recht bedenke war es doch recht gewagt, um Schnee zu beten, wenn die Bläser ihre Weihnachtsfeier machen.
Jetzt ging es ins benachbarte Kötschau. Wir stellten die Autos auf den Dorfplatz. Mit Autos und Schneehaufen war der Dorfplatz voll. Es schneite große Flocken. Sigi, das mit dem Schnee war überhaupt keine gute Idee. Sollten wir die Heckklappen der Autos aufmachen und uns drunter stellen?  Ging nicht, wir hatten zu wenig Autos. So stellten wir uns vor das Haus der Familie Lange. Immer wenn wir auf dem Dorfplatz in Kötschau spielten, hatten Langes Glühwein gebracht.  Man kann das natürlich nicht verlangen, doch wenn sie es freiwillig geben, dann nehmen wir das auch freiwillig an. Wieder begannen wir zu spielen, der Schnee fiel immer noch auf die  Notenseiten. Unsere Musik war wie das Wetter, ein wenig rau.  An allem ist nur Sigi schuld, warum musste er auch um Schnee beten. Nach dem dritten Lied war von Langes immer noch nichts zu sehen. Niclas Oma und ein anderer Verwandter kamen um uns zuzuhören, wenigstens jemand, zusätzlich zu Vania Lucia de Assis Santana. Nach dem fünften Lied erschien auch die Familie Lange. Da sie hinter den Bläsern standen, war nicht zu erkennen, ob sie Glühwein bei sich hatten. Schade, dachte ich,  Zuhörer erwärmen das Herz der Musiker, wir hätten aber auch gern was für die Finger und den Gaumen gehabt. Als das letzte Lied verklungen war, wollten wir einpacken, um nach Isserstedt zu fahren. „Wer will Tee, wer Glühwein?“, fragte Frau Lange. Oh, wie war das schön ein warmes Glas in den Händen zu halten, und das alles nur weil Sigi um Schnee gebetet hatte.

In Isserstedt stürmten wir dann ins Pfarrhaus, um uns beim Kaffeetrinken richtig aufzuwärmen.   Doch bevor wir zur Tat schritten, rissen einige Bläser die Zweige von meinen Nordmanntannenästen, legten sie, nebst einigen Servietten, auf den Tisch und raubten so meiner Deko  ihren rustikalen Charme. Als Phillip zur Tür herein kam, erscholl sofort die Frage: „ hast du dich von deinem Rotz gut erholt?“ Nur gut,
dass Vania Lucia de Assis Santana, unser Gast aus Brasilien, das nicht verstanden hatte. Sicherlich hätte sie sonst eine Spritze geholt, Phillip Blut abgezapft und das dann auf Antikörper untersucht. Um 17.00 Uhr haben wir uns fertig gemacht, um in Isserstedt zu spielen. Es schneite immer noch. Ist das nicht eine Unverschämtheit wenn gewisse Leute um Schnee beten, während andere mit Musik Freude verbreiten wollen?
Sonntagabend

Wir spielten im Neubaugebiet Lindenpark. Unser Tubist hatte Schwierigkeiten mit Tuba und Notenständer durch die Schneemassen zu kommen. Es schneite unaufhörlich. Nach einigen Liedern war meine Hutkrempe mit einer Schneeschicht von einem Zentimeter bedeckt. Sigi, das nächst mal überlegst du dir aber gefälligst genau um was du betest! Im Prinzip hatten wir keine Lust mehr noch eine Stelle aufzusuchen, doch bisher hatten wir immer an der Kreuzung vor der Wohnung der Familie Börngen gespielt. Frau Börngen, eine große Stütze unserer Gemeinde, war im Sommer plötzlich verstorben. Da schien es mir wichtig auch dort noch zu spielen. Freimut Börngen und andere kamen um uns zuzuhören, die größte Zuhörerzahl an diesem Tag. Erstaunlicherweise drückte mir auch noch jemand ein paar Euro in die Hand, ein kleiner Zuschuss für unsere Feier. Doch wie sah die Bilanz unserer Aktion aus?   Mein Hut war eingeschneit, die Noten ebenfalls, mein Notenständer war vereist, in der Tuba lag Schnee. Als Chorleiter konnte ich mich beim dirigieren ein wenig warm machen und den Schneeflocken ausweichen doch die Bläser und Bläserinnen froren tüchtig genau so
wie Vania Lucia de Assis Santana. Uli musste anschließend seine Hand erst einmal unter kaltem Wasser wieder auftauen. Das alles hat der Stimmung keinen Abbruch getan. Inzwischen waren die Bläserfrauen, die Kinder und Eberhards kleine Enkelin Nina eingetroffen und wir konnten uns über das  Essen hermachen. Das Altersspektrum reichte von 2 bis 70 Jahre. Die Stimmung war gut und wir vergaßen die Unbill des Winters. Einige Bläser überprüften ihre Englischkenntnisse in der Konversation mit Vania Lucia de Assis Santana und stellten fest, dass englische Konversation ihre Tücken hat. Auf einmal kam Sigi zur Tür herein? Wem gehört der weiße Golf, er steht in meiner Einfahrt. Niclas Mutter hatte ihn dahin gestellt, da der Platz vorm Pfarrhaus voller Schnee war.  „Schadet ihm gar nichts“, dachte ich, „warum hat er auch um Schnee gebetet.“ Langsam lichteten sich die Reihen, denn einige Bläser mussten ihre Kinder und ihre Tiere versorgen. Ich setzte mich mit in die Runde zu Vania Lucia de Assis Santana, doch auch mir wurde schmerzlich bewusst, dass meine Englischkenntnisse sehr dürftig sind. Ich hatte zwar von der siebten bis zur zehnten Klasse Englisch, doch das ist Jahrzehnte her. Die Vokabeln, die ich zwischenzeitlich gelernt habe sind sehr dürftig Von den Urlaubsreisen blieb arrive  und depature hängen und im christlichen Umfeld lernte ich „sin“, „graze“ und „praise the Lord“. Das sind alles keine Vokabeln mit denen man einen vernünftigen Smalltalk führen könnte.
Wie jeder schöne Tag so verging auch unsere Weihnachtsfeier. Die letzten räumten noch den Gemeinderaum auf, stellten die Stühle für die montägliche Posaunenchorprobe. Dann ging es hinaus in die dunkle, winterlich kalte und ungemütliche Schneelandschaft. Die Haufen versperrten den Parkplatz, die Straßenverhältnisse waren nicht besonders. Sollte ich den Sigi mal fragen ob er um Tauwetter betet?
©Volker Bachmann Dez. 2010


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